Die Globetrotterin Ewa aus Griechenland ist genauso begeistert wie Herr Häberle aus Stuttgart-Degerloch, als die Johammer mit pfeifenden Triebwerk an ihnen vorbeisaust und an einem beliebten Aussichtspunkt über den Dächern von Stuttgart stoppt. Staunend umringen neben den beiden auch Schüler, Radtouristen und Geschäftsleute das leuchtend grüne E-Motorrad aus Österreich.

Das markant verrippte Kunststoffkleid erinnert an die Tante Ju, das legendäre Flugzeug Junkers 52 aus den 1920er Jahren. Darunter verbirgt sich im Wesentlichen der quadratische Batterieblock und der direkt ins Hinterrad integrierte Elektromotor samt Regler. Auf einen herkömmlichen Motorradrahmen verzichtet man bei der Johammer J1.200. Das Vorderrad wird von einer auffälligen Achsschenkellenkung geführt, das Hinterrad von einer Einarmschwinge, die Dämpferelemente stecken in einer Art Zentral- oder Mittelrahmen, der auch den Akku von unten einfasst.
Cruiserhaltung passt besser zur Johammer
Auch gestrippt, also ohne das schrill designte Kunststoffkleid sieht die Johammer J1.200 spektakulär aus. Mit großem Li-Ionen-Akku (200 km Reichweite) wiegt das Bike 177 kg, mit kleinerem (150 km) 159 kg. Mit dieser extrem flachen, parallel zur Straße und auf einer Linie zur Radmitte ausgerichteten Fahrwerkskonstruktion kann die Johammer designerisch komplett neue Wege beschreiten.

Nehmen wir Platz auf dem wie ein Fahrradsattel gestaltetem Einzelsitz. Zwei Fußrasten-Paare stehen zur Auswahl: einmal hoch und mittig angeschraubt für den sportlich knackigen Kniewinkel, einmal weit vorne und tief in Cruiserlage angebracht. Sportlich macht man maximal einmal zum Ausprobieren, dann bleibt es durchgängig bei der relaxten Fahrerhaltung. Das passt auch besser zum hoch platziertem Lenker.
Ein gechiptes Silikonarmband ersetzt den Zündschlüssel beim E-Motorrad Johammer J1.200. Kurz in Richtung Blitz an der rechten Verkleidungsseite ausrichtet, und schon erscheinen in den je 2,4 Zoll großen Farbdisplays, die links und rechts in den Spiegeln eingebettet sind, alle notwendigen Daten: Tachometer, Ladezustand, Reichweite, km-Stand, Batterietemperatur.
Vorderradführung verlangt Umdenken
Ein Dreh am Gasgriff, sofort kuppelt das einstufige Automatikgetriebe ein und der bis zu 16 kW (22 PS) starke, permanente Synchronmotor sorgt für entfesselten Vortrieb. In Sachen Ampelstart muss man sich in der städtischen Rushhour definitiv keine Sorgen machen. Die Johammer J1.200 geht mehr als anständig ab, Autos haben in der Regel keine Chance. In vier Sekunden zieht das Elektro-Motorrad von 50 auf 80 km/h durch, von Tempo 50 auf 100 km/h braucht es acht Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit ist auf 120 km/h begrenzt.

Motorradfahrer müssen aber doppelt auf der Hut sein. Denn die Vorderradführung verlangt nach Umdenken bei den Lenkimpulsen. Wer gewohnt steuert, fährt falschrum. Das Achsschenkelprinzip will wie ein Auto gelenkt werden. Aber keine Sorge, nach wenigen 100 Metern ist man ohne groß nachzudenken korrekt im Schwung.
Mehr irritiert das mangelnde Feedback von der Front – im Prinzip das, was BMW-Fahrer vom Telelever kennen. Auch das gewohnte Bremsnicken fehlt natürlich beim Achsschenkel. Wer mit der Johammer J1.200 zur Hausstrecke aufbricht oder auf kurvigen Landstraßen Bestzeiten fahren will, muss sich lange drauf einschießen und dann immer noch Vorsicht walten lassen, gerade wenn die Straßen kalt und/oder feucht sind. Aber ganz ehrlich: Dafür ist das E-Motorrad auch nicht gemacht.
Die Stärke ist der urbane Verkehr. Geschwind durch die Stadt wuseln, im Ballungsraum von oder zur Arbeit pfeilen und sich über ein tolles Design und viele praktische Features freuen. Die Johammer J1.200 ist mit einer elektronischen Motorbremse ausgestattet, die mittels Rekuperation Energie zurückgewinnt.
Ab 22.900 Euro geht es los

Das Ladekabel ist in einer geräumigen Konsole zwischen Sitz und Lenker untergebracht, die Johammer J1.200 lässt sich per diverser Adapter konventionell über 220 Volt, über Kraftstromsteckdosen (380 Volt) oder mit dem Typ 22-Stecker an den gängigen E-Tankstellen zum Teil innerhalb von 80 Minuten (maximal 3,5 Stunden) laden. Die Lebensdauer des 12,7 kWh-Akkus wird mit 100.000 km angegeben.
Beim Blinken (die vorderen sind als LED-Ring in den Spiegeln untergebracht) sind auch die Cockpit-Anzeigen auf Intervall geschaltet – ein überaus praktischer Erinnerungshinweis für die Dauerblinker unter uns Motorradfahrern. Ein Rückwärtsgang, der einfach aktiviert wird, indem man den Gasgriff zurückdreht, erleichtert das Rangieren in und aus abschüssigen Parklücken.
Mit 24.900 Euro ist die Johammer J1.200 (J1.150 mit kleinerem 8,3 kWh-Akku 22.900 Euro) alles andere als ein Schnäppchen. Zum Vergleich: der BMW E-Scooter C-Evolution kostet 13 950 Euro. Dafür gibt es aber ein E-Motorrad, das wie von einem anderen Stern kommt. Und Botschafter für eine neue Art der Fortbewegung auf zwei Rädern ist. Finden auch Ewa aus Griechenland und Herr Häberele aus Stuttgart-Degerloch.
Technische Daten Johammer J1.200
Permanent erregter Synchronmotor, Nennleistung 11 kW (15 PS), max. Leistung 16 kW (22 PS) bei 0 bis 12.000/min, max. Drehmoment 25 Nm von 0/min bis 12.000/min, luftgekühlte Lithium-Ionen-Batterie, Batteriespannung 72 V, Batteriekapazität 12,7 kWh Ladeleistung 3/8,5 kW, integriertes Ladegerät mit Zusatzlüfter, Ladezeit ca. 1,5 bzw. 3,5 h, Gewicht 177 kg, Höchstgeschwindigkeit 120 km/h, Reichweite max. 200 km. Preis ab 24.900 Euro, Infos: www.johammer.com