Vergleichstest 1000er-Reiseenduros

1000er-Reisenenduros im Vergleichstest Viermal Fernweh auf zwei Rädern

In Ausgabe 14/2017 vergleicht MOTORRAD die vier Reiseenduros Ducati Multistrada 950, Honda Africa Twin, KTM 1090 Adventure und Suzuki V-Strom 1000 XT. Die 1000er-Klasse mit Nennleistungen zwischen 95 und 125 PS gilt als die goldene Mitte zwischen den 800ern und den 1300ern.

Viermal Fernweh auf zwei Rädern Gargolov

Ein dramatisch wilder Himmel spannt sich über Bilderbuchberge. Dunkel stehen die Tannen, nur ihre frischen Triebe wachsen hellgrün empor zum Licht. Weit reicht die Sicht, frisch und klar ist die Luft. Nur an manchen Stellen dampft es: Der letzte Regen ist nicht lange her. Willkommen im Südschwarzwald. Hier flutet man das Gehirn mit Eindrücken. Dankbar sind wir unseren 1000er-Reiseenduros, dass sie uns mit ihren mindestens 19 Zoll großen Vorder­rädern Richtung Süden getragen haben. Nun, als der Asphalt wieder abtrocknet, freuen wir uns über tolle Kurven, die Motorradfahrer aus nah und fern anlocken.

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In Horb am Neckar verließen wir die A 81, trutzig blickte die Altstadt auf unser zweirädriges Quartett herab. Aufrecht und erhaben sitzen auch wir. Auf Ducati Multistrada 950, Honda Africa Twin, KTM 1090 Adventure und Suzuki V-Strom 1000 XT. Mit Speichenrädern und etwas weniger Nennleistung treten Honda (95 PS) und Suzuki (101 PS) an. Dagegen haben die Europäer Gussräder und mehr Pfeffer, Power und Puste: 113 PS verspricht Ducati, sogar 125 PS KTM. 1000er-Reiseenduros sind nun die goldene Mitte zwischen 800ern und fetten 1300ern mit bis zu 160 PS.

Okay, edle Einarmschwingen und saubere Kardan-Antriebe bleiben 1200ern vorbehalten, unsere Viererbande offeriert ausnahmslos offen laufende Ketten in Zweiarmschwingen. Doch was die Leistung angeht: Eine BMW R 1100 GS hatte 1994 als Trendsetter der Szene „nur“ 80 PS, eine Honda Varadero 1000 ab 1999 moderate 95 PS, und 2003 ließ eine KTM 950 ­Adventure 98 Vollblutpferde galoppieren. Kein Wunder, dass wir auf der kurzen Autobahnetappe nichts vermisst haben. Bis Tempo 170, 180 blieb das Feld nah beisammen. Wenn sich dann im dichten Verkehr doch mal die linke Spur öffnete, entschwanden Multistrada und vor allem KTM zumindest kurzzeitig uneinholbar.

Selbst mit Koffern läuft die Duc völlig stabil geradeaus – bergab laut weit voreilendem Tacho 242. Angegeben ist sie mit 215 km/h Vmax, die KTM mit 228. Erstaunlich: Die KTM rennt mit neuen, elastisch aufgehangenen „Pendolino“-Koffern stabiler geradeaus als mit nacktem Heck. Sehr optimistisch zeigt der Africa Twin-Tacho an. Er macht aus echten 199 km/h besser klingende 220. Honda-Fahrer Georg freute sich über den passablen Windschutz hinter der eher kleinen und als einzige nicht verstellbaren Scheibe: Clevere Hinterströmung lässt auf der Africa Twin den Helm ganz ruhig in laminarer Strömung liegen.

Fünf Scheiben-Stufen der Multistrada und stufenlose Höhenverstellung der Adventure 1090 lassen jeden seine ganz individuelle Abrisskante finden. Bis hin zu totaler Windstille samt offenem Visier selbst auf der Autobahn. Dort brilliert die Suzuki V-Strom 1000: Durch simples Gegendrücken ist ihre Scheibe dreifach in der Neigung einstellbar und zusätzlich mit Werkzeug höhenverstellbar. Der Schutzschild wuchs 2017 um fast fünf Zentimeter in der Höhe, schirmt Fahrer Peter beachtlich gut ab. Klasse. An Schluchsee und Titisee sind wir nun vorbei, kommen durch Todtmoos und suchen ein Quartier in Todtnau.

Hier finden wir „Andys Pfeffermühle“ als besonderen Bikertreff: Der Brite Andrew Day (52) betreibt sein Lokal seit 1995, hat es komplett mit Fotos von Maschinen und Motorradfahrern tapeziert. Hier sind Mensch und Restaurant-Kneipe (Riesenschnitzel!) ein Gesamtkunstwerk. Zimmer finden wir bei einem anderen Original, Doris Wasmer-Mink, der herrlich herzlichen Wirtin des Hotels „Lawine“. Nach gutem Essen fackeln famos fruchtige Obstler, wilde Pflaume („Zibärtle“) und Williams-Birne, ein Feuerwerk im Gaumen ab. Der nächste Morgen bringt klaren Kopf bei trübem Himmel: Es regnet. Doris, unsere Lieblings-Badenerin, tröstet uns: „Jeder Tag ist schön, und wenn’s erst am Abend ist.“

Recht hat sie. Wir nehmen noch einen Kaffee, warten den Schauer ab. Elegant wirkt die Ducati Multistrada 950, wie aus einem Guss. Und ist doch ein Baukasten-Baby: Verkleidung und Tank stiftete die 1200er-Multi, die Schwinge spendiert die 1200er-Enduro, und der 937-Kubik-V2 stammt aus der Hypermotard. Bellend erwacht der Hubraum-Benjamin, der italienische Desmo-Twin. Hoppla, hier komm ich! Doch schon bald fährt der Bordrechner die Leerlaufdrehzahl herunter. Harsch und hakelig laufen die Gangwechsel ab: Man bleibt öfter mal zwischen zwei Gängen hängen. Nanu, so viele Leerläufe? Dabei wurde das Getriebe an diesem unserem feuerroten Dauertest-Exemplar nach bislang gut 6000 Kilometern schon etwas geschmeidiger.

Seit Anfang 2016 avancierte die Honda CRF 1000 L Africa Twin zur Königin der Herzen, zum echten Bestseller. So sinnlich schön, speziell in der beliebten Tricolore-Lackvariante, so gut. Sie kam, sah und siegte: Mit Bravour gewann Hondas komplette Neukonstruktion Vergleichstests on- und offroad, wurde MOTORRAD Alpen-Master 2016. Gratulation. Ehre, wem Ehre gebührt, denn die Africa Twin betont Reiseenduro auf dem zweiten Wortteil – mit großem und schmalem 21-Zöller vorn und 18-Zoll-Hinterrad. Dieses Motorrad zehrt nicht bloß vom Nimbus der legendären 650er- und 750er-Ahnen. Es belebt ihn neu. Der 998-Kubik-Reihentwin ist leichter, kompakter und kostengünstiger zu produzieren als ein echter V-Motor.

Redaktions-Allrounder Stefan fährt heute Orange: Unverwechselbar kantig, im typischen KTM-Design, kommt die 1090 Adventure daher. Sie ersetzt die bisherige, 95 PS starke 1050. Dazu wurde sie elektronisch entkorkt. Den 75-Grad-V2 gibt es künftig nur mit echten 1050 oder 1301 Kubik der Super Adventure – die 1190er purzelte aus dem Programm. Also markiert die 1090 den Einstieg in ­KTMs abenteuerliche Reiseenduro-Welt. Für Fernreisende gibt es noch die ebenfalls 125 PS starke 1090 Adventure R. Sie hat 21/18-Zoll-Speichenräder samt schlauchlosen Stollenreifen, 220 Millimeter Federweg vorn wie hinten (Basis: 185 und190 Millimeter) und mehr Bodenfreiheit. So ist die R der Frontalangriff auf die Africa Twin.

Optisch markanter erscheint 2017 die renovierte Suzuki V-Strom 1000. Aus einer halbherzigen Hakennase wurde ein kräftig geformter Schnabel im Stil des seligen XXL-Eintopfs DR Big. In der Basisversion der V-Strom rotieren Gussräder. Doch Peter hat die kerniger wirkende Speichenrad-Schwester XT gesattelt. Sie kostet bei gleichen Raddimensionen 400 Euro mehr. Chic golden (wie bei der Honda) glänzen die clever für Schlauchlosreifen konstruierten Speichenfelgen nur bei der knallgelb lackierten XT. Tigerenten-Look oder Borussia Dortmund-Dress? Dies sind einfach die Werksfarben von Suzukis RM-Z-Crossern. Weiße und schwarze Stromer tragen stattdessen schwarze Felgen.

Handprotektoren und kosmetischer Bugspoiler sind 2017 bei der V-Strom 1000 XT serienmäßig. Exklusiv besitzt sie zudem einen wertiger wirkenden konifizierten Lenker statt des dürren Stahl-Lenkerchens aller anderen V-Strom-Modelle. Der V2 erwacht per „Easy Start System“: Ein Antippen des Knöpfchens reicht. Danach folgt eine automatische Drehzahl-Anhebung bei niedrigen Geschwindigkeiten. Abwürgen ausgeschlossen. Oder doch nicht? Denn die wie bei der KTM hydraulisch betätigte Kupplung lässt sich trotz Servo- und Anti-Hopping-Funktion nur digital dosieren: rein oder raus. Hoppla, die Suzuki serviert das kräftigste Anfahrdrehmoment, siehe Leistungskurve auf Seite 25. Wie KTM schenkt auch Suzuki den Liter Hubraum großzügig aus: 1037 Kubikzentimeter.

Die Adventure 1090 geht nach dem ersten Startversuch gerne mal wieder aus. Dann aber posaunt der V2 pure Lebensfreude heraus. Nicht zu laut, aber unverkennbar. Die Sitzmöbel von Adventure und Africa Twin sind die höchsten des Quartetts (880 Millimeter). Gar nicht mal so leicht zu entern. Aber zu ändern: Den Honda-Sitz kann man um 1,5 Zentimeter runterstellen. Die 270 Grad Zündversatz des Twins imitieren akustisch einen gut gedämpften 90-Grad-V2. Fein. Alles hier geht so einfach, so benutzerfreundlich, so Honda: Kupplung ziehen und dosieren, die sanft und sicher reinklickenden Gänge wechseln, umdrehen auf dem Handteller: Nur rund 4,80 Meter Wendekreis sind ein guter Meter weniger als auf der Suzuki!
 Willkommen zu Hause, dieses unnachahmliche Gefühl verströmt die AT bereits beim ersten Platznehmen. Es ist diese spezielle Enduro-Emotion: Man könnte, wenn man wollte, käme überall durch. Schmal ist die Honda-Taille, hoch ruht der Lenker. Die nach mehreren Stunden nicht mehr ganz bequeme Sitzbank ist so geformt, dass man auch im Stehen perfekte Kon­trolle hat. Enduro eben. All dies würde man mit verbundenen Augen herausfühlen, dieses Empfinden absoluter Souveränität und Unantastbarkeit. Trialartige Passagen, und sei es nur Kreise ziehen auf dem Hotelparkplatz, gehen auf der Honda am leichtesten von der Hand. Ihre 238 Kilogramm (ohne Koffer, mit optionalem Hauptständer) sind perfekt ausbalanciert.

In dieser Ausstattung wiegt die KTM zwei Pfund weniger, die Duc ist mit 241 Kilo das Quartett-Moppelchen. Und die Suzuki mogelt mit ihren 236 Kilo – so ganz ohne den beim Kette schmieren vermissten Hauptständer. Auf noch nassen Straßen des malerischen Münstertals bieten Hondas Serienreifen Dunlop Trailmax D 610 spürbar ­weniger Grip und Gefühl für die Verzahnung von Asphalt und Gummi. Immerhin regelt die hier wie bei den drei anderen Maschinen abschaltbare Traktionskontrolle verlässlich. In der defensivsten dritten Stufe grätscht sie sehr früh und gefühlt recht lang dazwischen.

Unter widrigen Bedingungen vermittelt die Multistrada mehr Geborgenheit: Ihre Pirelli Trail Scorpion II „D“ sind klasse, haften kalt und warm, trocken und nass superb. Man sitzt sehr gut drin in der Multi, mitten ins Geschehen integriert. Für den langen Stefan ist dieses Arrangement schon fast zu kompakt, den breiten Lenker recht nah vor der Brust. Wunderbar rund und handlich huscht und rollt die Duc durch engste, enge und weite Kurven. Trotz längsten Radstands und der breitesten Reifen: vorn ein 120er, hinten ein 170er. Nun, der Nachlauf ist am kürzesten, der Lenkkopf steht am steilsten. Hochpräzise setzt die 937er die anvisierte Linie um.

Vier Fahrmodi (Sport und Touring mit vollen 113 PS, Urban und Enduro mit je 75 PS) bündeln dreistufiges ABS, achtstufige Traktionskontrolle und drei Motor-Mappings mit voreingestellten Kombinationen. Aber alles lässt sich auch frei kombinieren. Touring passt mit sanfterer ­Gasannahme und früheren Eingriffsschwellen von ABS und Traktionskontrolle gerade perfekt. Und als es wieder trocken wird, macht „Sport“ noch mehr an. Vier Fahrmodi hat auch die KTM. Doch bei ihr kennen ABS und Traktionskontrolle nur je eine Stufe: an oder aus. Schon bei Geradeausfahrt leuchtet immer wieder mal die gelbe TK-Kontrollleuchte beim heftigen Gasgeben. Nun, hier passiert ja auch richtig was: Ab 5500 Touren gibt es kein Halten mehr.

Oben raus überflügelt der feurige Austria-Twin das restliche Trio klar. Was für eine Befreiung, aus Dreh- wird Lebensfreude! Du jauchzt vor Glück. Puh, wie Stefan damit entfesselt nach vorne schnalzt. In der KTM takten fetteste, am höchsten verdichtende 103er-Kolben den kurzhubigsten Beat. Ehe man sich versieht, leuchtet es rot im Cockpit: Drehzahlbegrenzer! Da sei es der Adventure verziehen, dass der sechste Gang erst ab Tempo 80 ruckelfrei läuft. 3000 Touren müssen es im Fünften oder Sechsten mindestens sein. Besser runterschalten und den 75-Grad-V bei Laune halten, damit er dich bei Laune hält.

Die Vorderräder ziehen die langen Geraden in der Rheinebene unter sich durch. Wieso um Himmels willen ist die Multistrada durchzugsstärker als V-Strom und erst recht Adventure, obwohl diese mindestens 100 cm³ mehr haben? Die Erklärung ist einfach: Der sechste Gang der Ducati ist identisch übersetzt wie der Fünfte der KTM. So kaschiert die Duc ihr Hubraum-Manko. Bei Tempo 100 im Sechsten rotiert die Kurbelwelle der kleinen Multi über 4500-mal; KTM und V-Strom genügen dafür knapp 4000 Umdrehungen, der Africa Twin sogar nur 3600 Touren. Deswegen stellt sich die extrem entspannende Honda freiwillig hinten an. In der Ruhe liegt ihre Kraft. Pah, soll das restliche Trio doch heizen. Im direkten Vergleich bietet der Reihentwin spürbar weniger Dampf.

„Kaltblut-Charakter“ nennt Georg Hondas Traktormotor. Für sich betrachtet hat die AT jederzeit genug Leistung für gewundene Landstraßen. Zwischen 4800 und 6500 Touren kommt sie sogar am kräftigsten zur Sache. Dass sie beim seltenen Ausdrehen früher müde wird als die anderen – na und? Wozu über 6000/min drehen? Durch das Spiel beim Lastwechsel geht das Testexemplar aus dem Schiebebetrieb heraus etwas härter ans Gas, speziell in den unteren Gängen, besonders spürbar in Kehren. Wer’s noch gelassener, stressfreier mag: Honda offeriert exklusiv ein Doppelkupplungsgetriebe, das zehn Kilo extra mitbringt und 1100 Euro teurer kommt. Kuppeln und auf Wunsch auch Schalten übernimmt dann Kollege Computer. DCT ist eben keine Automatik – man kann selbst schalten.

Wir sind jetzt über den Rhein, in Frankreich. Der Asphalt in den zum Schwarzwald spiegelbildlichen Vogesen wirkt noch griffiger, wenn nicht gerade Kopfsteinpflaster in manchen Kehren lauert. Bergauf schraubt sich erneut die KTM nach vorn. Diese Rase-Enduro fährt noch leichtfüßiger, handlicher als die Ducati. Trotz KTM-typisch recht schmalem Lenker schlägt die Adventure die zackigsten Haken, hält die engsten Radien. Wohlgemerkt: Inklusive der ausladenden, 13 Kilo schweren Koffer wiegt die KTM exakt fünf Zentner! Genauso viel wie die 950er-Multistrudel mit Koffern. Wie die bekoffert fünf Kilogramm leichtere V-Strom setzt die Adventure auf schmale Reifenformate: 110/80 R 19 und 150/70 R 17.

Die Rückmeldung von der KTM-Front fällt noch besser aus als auf der Ducati, die Haftung der Metzeler Tourance Next scheint grenzenlos. All das schafft viel Vertrauen. Womit es bei der leichten Tendenz zum Lenkerschlagen beim Rausbeschleunigen aus welligen Kehren bergauf auch schnell mal vorbei sein kann. Und die Suzuki? Fährt unauffällig flott, richtig gut, sehr manierlich und behände. Spielerisch leicht macht es einem die V-Strom, bleibt immer dran am europäischen Frühführungsduo – vielleicht die große Überraschung dieses Tests. Wir fahren uns schwindelig: Col du Stallon am Ballon d’Alsace, Col de Herrenfluh zum Grand Ballon. Es sprüht Funken: Früh raspeln in Schräglage die langen Angstnippel unter den einzigen nicht gezackten Fußrasten ab, also ohne abnehmbare Gummiauflage.

Ganz so ernst nimmt Suzuki Geländeeinlagen also nicht. Wo auch, legal in Europa? Da ist dann die Beschränkung auf die kürzesten Federwege von je 160 Millimetern nur konsequent. V-Strom-Fahrer Peter hat zu Hause eine Honda Transalp, fühlt sich sehr wohl auf der Suzuki. Sie holt Fahrer jeder Couleur ab, wo sie stehen, ganz ohne Eingewöhnung. Auch die überarbeitete 1000er ist ein Motorrad ohne große Höhen und Tiefen, sie funktioniert einfach nur, erwiesenermaßen (Dauertest bei MOTORRAD) langlebig und robust. Wenn man so will, eine graue Maus mit schmutzempfindlich hellem gelben Sitzbank Bezug. Bridge­stones BattleWing BW 501 und 502 in Sonderspezifikation J harmonieren gut mit der V-Strom 1000.

Alles geht fast von selbst, die Suzuki ist ein echtes Kopf-frei-fahr-Motorrad. Trotz Klappe vorm schwarzen XXL-Endtopf klingt sie dezent, unaufdringlich und dumpf. Gut so, denn es lohnt sich, während der Fahrt immer wieder mal links und rechts in die herrliche Vogesen-Landschaft zu schauen. Uns bietet sich ein spektakuläres Bergpanorama. Die an diesem Frühsommertag noch schneebedeckten Gipfel der Schweizer und französischen Alpen liegen gefühlt zum Greifen nah. Tatsächlich sind sie Hunderte Kilometer entfernt. Schön: Obwohl der Suzuki-V2 in Euro 4-Konfiguration minimal an Leistung eingebüßt hat, wirkt er spritziger denn je. Er hängt direkt am Gas, die nutzbare Mitte wurde breiter. Erst jenseits der 8000 Touren streicht das einstige Sportaggregat, Organspender war mal die TL 1000 S, die Segel.

Sehr unterschiedlich greifen die zwei Stufen von Suzukis Traktionskontrolle ein. Unauffällig regelt das neue Bosch-ABS mit Fünf-Achsen-Sensor, ergo das einzige hier mit Schräglagen-Erkennung. Doch Obacht, beim ersten Anlegen beißen die recht bissigen Beläge der radial verschraubten Vier-Kolben-Stopper gleich ziemlich fest zu. Per neuer Kombibremsfunktion überträgt die V-Strom Bremsdruck von vorn nach hinten. Mit der Folge, dass sie sich als Stärkste beim Bremsen in Schräglage aufstellt. Herrlich transparent beißen die Nissin-Stopper der Africa Twin zu, bestens dosierbar. Und kräftig dazu, wenngleich Honda die maximale Verzögerung offensichtlich begrenzt. Ein Tribut an die ellenlangen 230 Millimeter Federweg vorn?

Nun, auch so taucht die weich gedämpfte Frontforke schon heftig ab. Macht sogar an, dieses Bremsnicken. Und dann erst dieser sämige Federungskomfort. Die Honda bügelt alles glatt. Mehr geht nicht. Je schlechter die Straße, umso besser setzt sich die Africa Twin in Szene. Unnachahmliches Endurofahrgefühl ist das! Kleiner Wermutstropfen: Die hochbeinige Honda braucht einen durchaus energischen Lenkimpuls. Und der schmale 21-Zoll-Frontpneu irritiert in tiefen Schräglagen, wenn er mitunter unvermittelt noch weiter abklappt. Neutraler, vertrauenerweckender und frecher fährt eine Africa Twin mit Conti Trail Attack 2, dies wissen wir von unserem gleich lackierten Dauertest-Exemplar.

Bei der Suche nach einem fantastisch gelegenen Hotel auf 1100 Meter Höhe (www.rouge-gazon.fr) schickt uns Stefans Navi über engste, steilste Eselspfade. Nach wenigen 100 Metern (Strecke, nicht Höhe) brechen wir ab. Okay, kindskopfgroße Steine stecken 210 Millimeter Bodenfreiheit bei Honda und KTM locker weg. Doch jetzt bräuchte man hier Conti TKC 80, wir wollen ja schließlich nichts kaputt machen. Bei der Ducati steht das im Gelände wichtige Bremspedal zu weit innen, ist schlecht erreichbar. Zurück auf der Straße beißen Ducatis Brembo-Stopper mächtig zu. Im Sport-Modus sind heftige Stoppies drin, mit Sozius sogar bergauf. Dagegen hält der Touring-Modus per Abhebeerkennung (ABS auf Stufe zwei) das Hinterrad auch bergab sicher am Boden.

Richtig matschig wirkt dagegen die KTM-Bremse. Das fühlt sich nicht gut an. Ist da der billige Bremszylinder einer 125er verbaut? Von Brembo-Bremsen erwartet man bessere Dosierbarkeit. Wenigstens geht der Biss in Ordnung. Auch beim KTM-Fahrwerk gilt ein bisschen das Spar-und-fahr-Diktat: Es fehlt ein praktisches Handrad am Federbein, die Gabel ist gar nicht verstellbar, alle drei anderen sind dagegen voll einstellbar. Und das wie bei der Multistrada direkt angelenkte Federbein der 1090 spricht nicht superfein an. Semiaktiv, also elektronisch angesteuert, ist bei den Fahrwerken der vier ohnehin nichts. Nach der Honda bietet Ducati den höchsten Federungskomfort, filtert und fischt herrlich viel raus. Echt tourentauglich!

Tipp für lockeren Kurvenswing mit der Suzuki: Das Federbein weit vorspannen. Dies verbessert das Handling, zumal der Hintern für eine Reiseenduro gefühlt etwas tief hängt. Mit gut untergebrachtem Sozius ist Anheben des Hecks ein Muss: Sonst setzt linksherum zu früh der Seitenständer hart auf. Hart? Hämmert die Multistrada aus der Airbox, brüllt schon fast. Auch der Auspuff-Sound des polyvalenten Multitools aus Bologna klingt ausgedreht eher nach Boxengasse und Fahrerlager.

Mit dem niedrigsten Verbrauch glänzt die Honda, zahm bewegt schluckt sie viereinhalb Liter je 100 Kilometer. Die KTM nimmt sich einen guten halben Liter mehr – die alte Geschichte von Kraft und Kraftstoff. Alle vier schaffen über 400 Kilometer, die KTM sogar über 450. Da ficht uns die niedrige Tankstellendichte in den Vogesen nicht an. Auf der gesamten Tour, Autobahnanreise inklusive, lagen die Verbräuche zwischen fünfeinhalb (Honda) und sechs Litern (KTM). Die Ducati hämmert dir aus der Seele; die Honda schmeichelt sich in dein Herz; der Kurvenkünstler KTM mit dem klasse Motor fasziniert fahrerisch. Weniger emotional, ganz relaxed kommt die aufgefrischte Suzuki rüber. Wie der sprichwörtliche Golf mit zwei Rädern. Wer immer nur auf der Straße bleibt, ist mit der V-Strom im Prinzip besser bedient als mit der Honda!

In diesem Quartett gibt es letztlich vier Sieger. Alle sind echte Wohlfühl-Motorräder mit großen Qualitäten, mit keiner Maschine macht man etwas falsch. Rund 13000 Euro kosten alle vier 1000er. Wobei Suzukis Strategie passé ist, mit dem günstigsten Preis zu punkten. Das unterm Strich beste Universalwerkzeug in dieser Klasse hat den kleinsten Motor: großes Kompliment der begeisternden Ducati Multistrada 950! Aufbrechen würden wir mit allen vieren jederzeit wieder. Um dem Himmel wieder ganz nah zu sein.

MOTORRAD-Testergebnis

1. Ducati Multistrada 950

Die kleine, homogene Multi ist eine rollende Liebeserklärung ans Motorradfahren! Selten waren sich Kopf und Bauch, Hirn und Herz so einig: Eine Ducati gewinnt! Toller V2 trifft starkes Fahrwerk, alles alltagsstark, praxisgerecht und sogar bezahlbar. Wow!

2. KTM 1090 Adventure

Mild und wild. Wieder einmal geben die Österreicher einem ihrer Travel-Bikes begeisternde Breitbandigkeit mit auf den Weg. Sanft kann sie, die 1090, fahraktiv und kurvengierig auch. Anders als bei der 1050 folgt auf den Zug am Kabel wirklich echter Sturm.

3. Honda Africa Twin

Name, Nimbus, Nutzwert, hier passt alles. Die sehr ausgewogene Honda bietet die größten Fahrwerksreserven des Quartetts. Eine lebende Legende mit extrem breitem Einsatzspektrum, dazu besonders wertig und edel gebaut. Nur die Serienreifen patzen.

4. Suzuki V-Strom 1000 XT

Ein echter Schritt nach vorn: Die frisch renovierte V-Strom, in Grundzügen die älteste Maschine des Felds, fährt überzeugend und sehr berechenbar, ist unauffällig flott. Für reinen Straßenbetrieb fast besser als die Honda! Nur das Zubehör ist viel zu teuer.

Preisvergleich der 1000er Reiseenduros

Gebrauchte 1000er Reiseenduros in Deutschland

Die Ducati Multistrada 950, die Honda CRF1000L Africa Twin, die KTM 1090 Adventure und die Suzuki V-Strom 1000 XT warten alle mit zahlreichen Qualitäten auf. Dadurch wurden sie schnell beliebt und vielfach gekauft. Jetzt gibt es sie in großer Zahl auf der Gebraucht-Motorradbörse. Dort finden sich günstige 1000er Reiseenduros in gutem Zustand wieder: Gebrauchte 1000er Reiseenduros in Deutschland

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