Der Grund für diesen Vergleichstest war eigentlich die überarbeitete Aprilia Tuareg 660 Rally. Doch leider sah man sich beim Piaggio-Konzern außerstande, der Redaktion ein Testfahrzeug zur Verfügung zu stellen. Schade, denn die Tuareg ist eine reizvolle Bereicherung dieses Segments und hätte eine größere Verbreitung als die 344 in Deutschland 2024 verkauften Einheiten durchaus verdient.
Aber nachdem auch Honda und Yamaha die Transalp bzw. Ténéré fürs Modelljahr 2025 aufgefrischt haben, gibt es genügend Anlass für den Vergleichstest zwischen Honda XL 750 Transalp, KTM 790 Adventure , Suzuki V-Strom 800 DE und Yamaha Ténéré 700 . Honda XL 750 Transalp und Yamaha Ténéré 700 traten übrigens bar jeglicher Zusatzausstattung zum Test an, KTM 790 Adventure und Suzuki V-Strom 800 DE schickten mehr (Suzuki) oder weniger (KTM) aufgerüschte 24er-Modelle ins Rennen. Das macht die Vergleichbarkeit zwar nicht leicht, passt aber zum Expeditionscharakter, wo man die Dinge ja auch nehmen muss, wie sie kommen.
Yamaha Ténéré 700: Straffere Fahrwerksabstimmung
Da nach 2023 bereits zum zweiten Mal und diesmal sogar etwas tiefer greifend Hand an die Yamaha Ténéré 700 gelegt wurde, gebührt ihr in diesem Vergleichstest der Vortritt. Sofort ins Auge fällt der neue Scheinwerfer mit nunmehr rechteckigen statt runden Linsen. Auch Verkleidung und Sitzbank wurden, wenn auch kaum sichtbar, neu modelliert. Das nach wie vor voll einstellbare Fahrwerk wurde neu (und recht straff) abgestimmt. Gut sichtbar wiederum ist das abermals überarbeitete 6,3-Zoll-TFT-Display, das über ebenfalls neue Armaturen angesteuert wird.
Leider hat man bei der Modellpflege vergessen, sich der nach wie vor unsinnigen Benzinstandsanzeige anzunehmen. Denn auch wenn man bereits 50 Kilometer auf Reserve gefahren ist, lassen sich nur zwölf Liter in den 16-Liter-Tank drücken. Da waren also noch über 100 Kilometer drin. Rund ein Drittel der Reichweite als Reserve auszugeben, erscheint wenig sinnvoll. Zumal das Geblinke im Display auf Dauer doch nervt.

Leistungsdiagramm Honda XL 750 Transalp, KTM 790 Adventure, Suzuki V-Strom 800 DE, Yamaha Ténéré 700.
Jetzt mit Connectivity, Musik und Navigation
Den Zwängen der Zeit (oder dem Drängen der Kundschaft?) gehorchend, bietet die Yamaha Ténéré 700 nunmehr, sofern man die hauseigene My-Ride-App auf dem Smarten hat, die heute üblichen Gadgets wie Connectivity, Musik und Navigation. Ganz ohne App gibt es immerhin zwei Mappings (Explore und Sport) sowie simpel per Knopfdruck zu deaktivierendes Hinterrad-ABS und Traktionskontrolle. Mehr noch als die KTM ist die Ténéré auf Offroad-Kompetenz getrimmt, was man neben der Ergonomie durch den schmalen, kaum gekröpften Lenker auch am schlanken Heck und der neuen, spartanischen Sitzbank merkt. Tank, jetzt endlich mit Klappdeckel, und Sitzbank wurden neu geformt, um dem Piloten offroad mehr Bewegungsfreiheit und Gefühl fürs Vorderrad zu geben. Alles Punkte, die ihr auf langen Strecken auf asphaltiertem Geläuf nicht unbedingt zum Vorteil gereichen. Doch wenn man lang anhaltende, strapaziöse Situationen, übrigens in stattlicher Höhe von 890 Millimetern, nicht aussitzen kann, muss man sie eben überstehen. Mitunter auch im Wortsinn.
Zwei neue Fahrmodi "Explore" und "Sport"
Der CP-2-Twin blieb bis auf die Anpassung an Euro 5+ unverändert und beweist einmal aufs Neue, dass Papierwerte eben nur Papierwerte sind. Seine Defizite von mindestens 66 cm³, 11 PS und 10 Nm gegenüber der Konkurrenz kann er durch eine gelungene Gesamtübersetzung durchaus überspielen, wie die Durchzugswerte belegen. Die beiden neuen Fahrmodi könnten statt Explore und Sport auch Jekyll and Hyde heißen, denn so gutmütig und wohlerzogen sich der Twin in Explore gibt, so aggressiv und hektisch berserkt er (im Rahmen seiner Möglichkeiten, versteht sich) in Sport. Beim Wuseln in freier Wildbahn eine tolle Sache, doch beim Mitschwimmen im Berufsverkehr ein Graus. Erfreulicherweise ist der Moduswechsel mit wenigen Klicks erledigt. Leider blieb auch die Schaltbox unverändert. Die war beim CP-2-Motor noch nie der Hit, beim Testbike agierte sie gefühlt noch hakiger als sonst. Schade, aber am Ende kein Grund, die aller elektronischen Spielereien zum Trotz nach wie vor ziemlich konsequent ausgelegte Yamaha Ténéré 700 nicht zu mögen. Die Vorgängerin fand 2024 hierzulande immerhin 2.255 Käufer.
Honda XL 750 Transalp: Neues TFT-Display und gestrafftes Setup
Bei der Honda XL Transalp 750 waren es sogar deren 2.581. Das 25er-Modell erkennt man sofort an der neuen Frontmaske samt neu gezeichneter LED-Scheinwerfer. Deren Lichtausbeute wurde zwar im Vergleich zur Vorgängerin verbessert, doch haben sie eine sehr harte Hell/Dunkel-Grenze, zudem verändert sich der Lichtkegel der wie bei den anderen rahmenfest verbauten Lampe bei Kurvenfahrt so, dass man ab einer gewissen Schräglage buchstäblich ins Ungewisse fährt. Expedition halt. Das kann die Konkurrenz besser. Ebenfalls neu bzw. überarbeitet sind das Fünf-Zoll-TFT-Display mit geändertem Layout und anderer Menüstruktur, wobei dem Autor die alte Version mehr zusagt. Bedient wird selbiges weitgehend selbsterklärend über eine ebenfalls neue Armatur mittels winzigen, aber hinterleuchteten Schalterkreuzes.
Nicht zu sehen, aber beim Fahren sofort zu spüren und definitiv der wichtigste Part der Modellpflege ist das spürbar gestraffte Setup des nach wie vor nur in der hinteren Federvorspannung variablen Fahrwerks. Während bei der Vorgängerin besonders das unterdämpfte Federbein bei zügiger Fahrt über welliges Geläuf wild pumpend für Verdruss sorgte, ist nun deutlich mehr Ruhe im Karton. Perfekt ist das Setup aber dennoch nicht, denn bei kleinen Anregungen lässt das Ansprechverhalten noch reichlich Luft nach oben, und beim schnellen Umlegen von links nach rechts und umgekehrt ist nach wie vor viel Bewegung im Heck. Verglichen mit der Vorgängerin ist der Fortschritt aber klar zu spüren, und grundsätzlich kann man damit auch leben. Leben kann (und muss) man mit der nach wie vor ellenlangen Gesamtübersetzung. Wie bei der Yamaha fährt man oft einen Gang tiefer, will man den Anschluss zu KTM und Suzuki nicht verlieren.
Die Honda punktet in den Schräglagen
In puncto Handling gibt die Honda XL Transalp 750 den Ton an; keine lässt sich so leicht wie sie in Schräglage werfen. Bei höherem Tempo gewinnen aber bei allen vier Bikes die Kreiselmomente der 21-Zoll-Vorderräder die Oberhand über den Vorteil der schmalen Reifen und verlangen nach entsprechendem Einsatz am Lenker. Doch für die Heizerfraktion gibt es in den Portfolios sämtlicher Hersteller besser geeignetes Material mit denselben Antrieben. Aber auch das, was mit diesen Reisebikes geht, liegt schon weit jenseits dessen, was im echten Leben sinnvoll und notwendig ist, von erlaubt gar nicht zu reden. Definitiv erlaubt und auch wollenswert ist die komfortable Unterbringung auf der Transe, die selbst lange Tage im Sattel zu einer kurzweiligen und entspannten Angelegenheit werden lässt.
Suzuki V-Strom 800 DE: stärker, kultivierter, ausgreifter
Die ist auf der Suzuki V-Strom 800 DE sogar noch einen Tick komfortabler und entspannter, wenn man einmal vom mäßigen Windschutz absieht. Der entspricht nämlich exakt dem, was man von diesem kleinen, immerhin in drei Positionen montierbaren Schild erwartet. Davon abgesehen wirkt die Suzuki auch ohne das ganze Zubehör in so ziemlich jedem Punkt noch einen Tick besser, stärker, kultivierter, erwachsener, ausgereifter, kurz: more sophisticated als die Honda. Das gilt auch für das Licht. Der kleinen Linse traut man erst einmal wenig zu, doch denkste, Puppe! Bei Nacht schiebt die Suzuki eine Art auf dem Kopf stehende fliegende Untertasse als Lichtkegel vor sich her. Die leicht fleckige Lichtkontur fällt weit vor dem Vorderrad auf den Boden. Der Sinn erschließt sich bei Kurvenfahrt, denn die oberen äußeren Ränder der Untertasse wandern dann dicht neben das Vorderrad und erhellen den Weg. Gut gemacht, Suzuki!
1.300 Euro und 20 kg mehr
Doch das Ganze hat auch seinen (Grund-)Preis: 1.300 Euro und 20 Kilogramm mehr zeigen Preisschild und Waage an. Das erklärt aber nicht, warum von der Suzuki V-Strom 800 DE vergangenes Jahr lediglich 951 Einheiten unters reiseaffine Volk gebracht werden konnten. Selbst wenn man die 348 Einheiten der auch 2025 noch angebotenen 650er-V-Strom dazuaddiert, kommt man längst nicht auf die Stückzahl der beiden anderen. Also: Wer auf der Suche nach einem komfortablen Untersatz mit starkem, kultiviertem Motor samt präzisem Getriebe mit serienmäßigem Quickshifter/Blipper ist, der sollte sich den Stromer mal näher anschauen. Die Schalthilfe funktioniert im Übrigen top, sodass man die leichtgängige Kupplung nur zum Anfahren bzw. Anhalten braucht.
Deren Druckpunkt ist arg spitz, sodass das Anfahren stets einer Wanderung auf dem schmalen Grat zwischen Aufheulen und Abwürgen des Motors gleicht. Abenteuer Alltag! Aber auch damit lernt man sich zu arrangieren. Auch wer gern zu zweit unterwegs ist und auf Connctivity und dergleichen verzichten kann, findet mit der Suzuki womöglich den passenden Untersatz. Wenn es allerdings die hier gezeigte Farbvariante sein soll, muss gezielt danach gesucht werden, denn beim 2025er-Jahrgang sind goldfarbene Felgen out. Die neu gestalteten Farbvarianten Weiß, Gelb und Schwarz stehen auf blauem bzw. schwarzen Räderwerk.
KTM 790 Adventure: CFMoto übernimmt die Produktion
Last but not least bleibt noch die KTM 790 Adventure, die übrigens nicht mehr in Mattighofen, sondern bei (Ex?)-Partner CFMoto in China produziert wird/wurde. Bei all den schlechten Nachrichten und der Unsicherheit rund um die Insolvenz der Marke geraten die eigentlichen Qualitäten des Produkts gern einmal in den Hintergrund. Immerhin wurde während des Testzeitraums eine für KTM sehr wichtige Hürde am 23.5. übersprungen, die Rettung und der Fortbestand der Firma scheinen damit vorerst gesichert. Der große Verkaufserfolg war der 790er-Adventure bislang nicht hold. 2024 wurden gerade einmal 743 Exemplare in Deutschland auf die Straße gebracht. Davon stolze 143 Stück erst im Dezember, will heißen mit Tageszulassung. Augenscheinlich kommt die Melange aus sehr eigenwilliger Kiska-Optik und latent pubertärem Ready-to-Race-Brustgetrommel bei der Zielgruppe doch nicht so gut an. Immerhin ging die optisch identische, technisch hochwertiger ausgestattete und in Mattighofen produzierte, aber auch 3.200 Euro teurere 890er-Schwester insgesamt und ohne große Dezemberaktion (61 Stück) 959-mal und damit eine Position hinter der V-Strom über den Tresen.
Überraschend unprätentiöses Fahrzeug
Lässt man das ganze Brimborium außen vor und betrachtet die KTM 790 Adventure objektiv, kommt ein überraschend unprätentiöses Fahrzeug zutage. Das Design wurde schon erwähnt, und auch an die durch den seitlich extrem weit nach unten gezogenen Tank eigenwillige, breitbeinige und leicht nach vorn gedrehte Sitzposition nah am Vorderrad muss man sich erst gewöhnen. Der Vorteil: Man hat viel Platz zum Turnen und kann weit nach vorn rutschen, um Druck aufs Vorderrad zu bekommen. Ganz im Sinne der Firmenphilosophie. Grundsätzlich mag die KTM es gerne flott, kein anderer Motor hängt so gut am Gas und dreht so spritzig hoch. Das Standard-Mapping der KTM entspricht in etwa den Dynamic- bzw. Sport-Varianten der Konkurrenz. Und während der Quickshifter der Suzuki auch bei voller Brause nur mit dezentem Tack, Tack, Tack die Gänge durchschaltet, heißt es bei der KTM BÄM, BÄM, BÄM! Ein bisschen Show muss also doch sein.
Komfortabelster Sitz für Mitfahrer
Doch sie beherrscht auch die Niederungen des Alltagsgeschäfts. Die Fahrwerksabstimmung haut einem auch im Nicht-Rallye-Tempo auf schlechten Wegen nicht die Plomben heraus, die Bremse packt ordentlich zu, und sofern man nicht im Rally-Mode unterwegs ist, bleibt das Hinterrad auch bei Vollbremsungen im ABS-Regelbereich brav am Boden. Die Bedienung der ganzen elektronischen Gadgets ist vorbildlich, selbsterklärend und hinterleuchtet. Der Windschutz ist grundsätzlich gut, aber laut, wobei der Autor (1,86 m) mit dem Schlitz im Schild hadert. Bläst es ihm doch den Wind direkt aufs Visier. Die Handschützer der KTM 790 Adventure sind die einzigen, die diesen Namen auch verdienen. Auch ihr Licht macht Nachtfahrten fast zum Vergnügen. Wie bei der Suzuki leuchtet es die Fläche dicht vor dem Vorderrad in Schräglage gut, wenngleich etwas fleckig aus. Und, man höre und staune, die KTM bietet knapp vor der Suzuki den besten Sitz für Mitfahrer. Das Polster bietet mehr Platz, der Kniewinkel ist entspannter, die Haltegriffe noch größer. Wahlweise lässt sich auch Gepäck problemlos verzurren.
Goldmedaille für die Suzuki V-Strom 800 DE
So sammelt die KTM 790 Adventure fleißig Punkt um Punkt und verpasst die Goldmedaille um gerade einmal fünf Punkte. Beim letzten Test vor eineinhalb Jahren lag die Differenz noch bei deren 20, wobei die KTM acht Punkte gewonnen, die Suzuki hingegen sieben verloren hat. Rein objektiv betrachtet ist die KTM also eine sichere Bank, mit der man, so man mit ihrem Charakter grundsätzlich klarkommt, nicht viel falsch machen kann. Und die vorerst lebensrettende Finanzspritze des langjährigen Partners Bajaj aus Indien lässt hoffen, dass man auch in einigen Jahren noch Teile und Service für KTM bekommt. Dann könnte die Abenteuerlust auch weiterhin ausschließlich auf Reisen ausgelebt werden. Bleiben wir also zuversichtlich.





