Ohne Ehrlichkeit geht es natürlich nicht. Wenn flottes Vorankommen auf unlimitierten Autobahnpisten auf dem Zettel steht, kommen BMW G 310 GS, Honda CRF 250 Rally und Kawasaki Versys-X 300 zweifellos schnell an ihre Limits. Mit 40 PS markiert die Kawa aus Akashi die Leistungsobergrenze des Trios. Aber das unterscheidet die drei nicht von anderen Einstiegs- oder A2-tauglichen Motorrädern. Also Schwamm drüber, abgehakt und sich den wirklich wichtigen, erlebnisreichen Fahrmomenten gewidmet. Rund um den Gardasee testen wir, welche Talente die Einsteiger-Enduros haben. Die kleinsten Straßen und Pässe abseits der Hauptrouten wie hoch zum Monte Bondone, zum Tremalzopass oder rund um den Lago d’Idro und den Lago di Valvestino sind für ein paar Tage ihr Revier.
BMW G 310 GS
Als ob die BMW G 310 GS den Ausflug in diese Gefilde kaum erwarten könnte, scharrt sie schon mit ihren Pneus im 19- und 17-Zoll-Format. Doch Obacht: Nach dem Start benötigt ihr nach hinten geneigter, 313 cm³ großer Einzylinder ein paar Umdrehungen, um spontan am Gas zu hängen. Wer das nicht berücksichtigt, bleibt mit einem „Plopp“ stehen. Nach ein paar Metern im innerstädtischen Getümmel von Riva del Garda hat sich das aber gelegt, gewinnt die kleine GS lässig jeden Ampelstart gegen die vierrädrige Konkurrenz. Mit vielen Gleichteilen und vor allem auf 180 Millimeter vorne und hinten erhöhten Federwegen haben die Bajuwaren aus der kleinen, nackten G 310 R die Schwester GS gezaubert. Die hat mit ihrem Mehr an Radstand und Gewicht zwar etwas von der überschäumenden Handlichkeit der R eingebüßt, gibt sich aber immer noch leicht beherrschbar.

Für Ein- und vor allem Aufsteiger nicht unwichtig: Mit der Metamorphose zur BMW G 310 GS wuchs die Sitzhöhe beträchtlich: 860 Millimeter stehen nun im Datenblatt. Zusammen mit dem voluminösen, die Knie etwas zu weit spreizenden Tank und dem breit ausfallenden Fahrersitzpolster fällt es Kürzeren schwer, die Füße sicher auf den Boden zu bekommen. Alternativ gäbe es als Erleichterung für dieses Unterfangen eine 15 Millimeter niedrigere Sitzbank im BMW-Programm.
Die würde allerdings den Kniewinkel verengen – und der fällt auf der BMW G 310 GS in diesem Vergleich so schon am kompaktesten aus. Wobei die kleine BMW sich insgesamt ein wenig mit der Umwandlung hin zur Reiseenduro schwertut. Bei ihr ist die Höhendifferenz zwischen breitem Lenker und Sitzbank am geringsten, findet der Fahrer das knappste Sitzpolster vor. Sportlicher und versammelter geht es auf keiner anderen der drei zu. Wobei die BMW daraus auf den kleinen Straßen ein Stück weit Kapital schlagen kann. Lässig biegt sie auf der engen Linie ums Eck, bügelt ihr kommodes Fahrwerk straßenbauliche Unzulänglichkeiten im Teerband locker weg. Dazu gesellt sich der satte Grip der aufgezogenen Metzeler Tourance, die beim Auskosten der guten Schräglagenfreiheit viel Feedback und Vertrauen spenden. Das leidet allenfalls beim Griff zur Bremse etwas. Am nicht einstellbaren Hebel – wie bei den anderen beiden auch fehlen entsprechende Einstellmöglichkeiten an Bremse und Kupplung – liegt es weniger. Vielmehr dürften Wirkung und Dosierbarkeit ruhig eine Spur knackiger ausfallen. Besonders beim sportlichen Hineinstechen auf der Bremse in Kehren bleibt ein hölzernes Gefühl. Zur Ehrenrettung der vollgetankt 173 Kilogramm wiegenden BMW G 310 GS muss allerdings gesagt werden, dass die anderen beiden unter diesem Gesichtspunkt ebenso Federn lassen müssen, selbst das BMW-Niveau nicht erreichen.
Fazit zur Einstiegs-GS
Was bleibt am Ende des Tages? Der Eindruck, auf dem fahraktivsten der drei Motorräder gesessen zu haben. Allerdings auch auf dem, das am wenigsten einer Reiseenduro entspricht. Obgleich sich der Motor der BMW G 310 GS als mit der Beste des Vergleichs entpuppt, willig unten antritt und mit schönem Schub übers Drehzahlband begeistert, dabei mit 3,3 Litern wenig verbraucht – so richtig erschließt sich das GS in ihr nicht. Zu gering fällt der Windschutz für Reiseetappen aus, besitzt das Fahrwerk zu wenige Reserven, um auf Dauer einen Sozius mitzunehmen, fasst der Tank zu wenig Sprit, fehlt einfach der GS-Spirit. Die kleine Reiseenduro gibt mit ihrem gemessen 35 PS starken Single die Sportskanone unter den dreien, will eher flott voraneilen als das nächste Abenteuer suchen.
Honda CRF 250 Rally
Das ändert sich nun. Auftritt der Honda CRF 250 Rally. Ein Blick genügt: Sacht huscht der Wüstensand an der hochbeinigen CRF vorbei, locken die Dünen der Sahara, und wo bitte geht’s zur Rallye Dakar? – solche Gedanken flitzen in Windeseile durchs Hirn. Wenn das hier nicht Adventure ist, was ist es dann? Heißer HRC-Look und echte Bridgestone Trail Wing-Stollen auf den 21 und 18 Zoll großen Speichenfelgen. Schotter, wir kommen.

Bevor jetzt schon vorm Start die Abenteuerlust komplett die Überhand gewinnt, schnell einen Blick in die Daten geworfen: Nur 250 cm³ besitzt der Honda-Einzylinder, mobilisiert 25 PS, und der Zeiger der Waage stoppt erst bei 158 Kilogramm, vollgetankt. Der Dynamik scheinen enge Grenzen gesetzt. Egal, die Ratio muss noch schweigen. Erst einmal das Bein über die 900 Millimeter hohe Sitzbank der Honda CRF 250 Rally geschwungen. 250 Millimeter Federweg vorne und deren 265 hinten fordern ihren Tribut. Sitzt der Abenteurer erst einmal drauf, sind davon schon etliche verbraucht. Viel Dämpfung weisen Gabel und Federbein nicht auf. Die Federelemente sind selbst unter Enduroaspekten sehr weich abgestimmt.
Ähnliches trifft auf den Motor der Honda CRF 250 Rally zu. Sanft hängt er am Gas, wenn der rechte Griff am billig wirkenden Stahllenker mit Mittelstrebe gen Anschlag klappt. Wobei die volle Öffnung der 36er-Drosselklappe selbst im Stadtverkehr nötig sein kann. Diesem Einzylinder fehlt Elan. Bis 7.000 Umdrehungen, bis zum maximalen Drehmomentwert von 22 Nm, zündet die CRF noch ein kleines Dynamik-Flämmchen. Darüber eilt sofort die Feuerwehr herbei und löscht die dezente Glut im Nu. In der Ebene oder beim gepflegten Endurowandern mag das ausreichen, bei leichten Steigungen ist die Grenze des Vortriebs aber rasch erreicht. Einen Beweis dafür liefern die Fahrleistungen: Mit 50 Kubik weniger als die Konkurrenz und einer Übersetzung, die bei einem Topspeed von 129 km/h bis über 150 km/h ausgelegt ist, muss sich die Honda bei Beschleunigung und Durchzug hinten anstellen. Positiv dabei: Trotz viel Vollgas verbraucht sie nur 3,1 Liter auf der 100-Kilometer-Distanz, der Bestwert des Vergleichs.
Dabei offenbart die kleine Honda CRF 250 Rally auf den winzigen Passstraßen noch weitere Talente, winkelt leichtfüßig um jede noch so enge Spitzkehre ab. Dass ihr Fahrwerk munter vor sich hin schwingt, sie aufgrund der langen Federwege etwas wackelig daherkommt und die Stollenreifen weder Feedback noch Abrollkomfort bieten – geschenkt. Einer fast reinrassigen Enduro wie der CRF 250 Rally Konsequenz vorzuwerfen, wäre vermessen, auch wenn sie dadurch in der 1.000-Punkte-Wertung nicht allzu viele Zähler einheimst.
Der mahnende Zeigefinger darf aber gerne sichtbar zum Vorschein kommen, wenn es ums Bremsen geht. Mit ihrer 296 Millimeter großen Wave-Scheibe vorne fällt die Hardware der Honda CRF 250 Rally recht gut aus, die Doppelkolben-Schwimmsättel gehen aber schnell in die Knie. Drei bis vier forsch angebremste Spitzkehren am Pass bergab genügen, und die Bremse schwenkt die weiße Fahne, lässt sich nicht mehr bis in den ABS-Regelbereich verzögern. Zu zweit kann das unter Umständen abenteuerlich werden, wobei ein Sozius auf der schmalen Bank ohnehin wenig Platz vorfindet.
Fazit zur kleinen Rally-Honda:
Bis zur nächsten Eisdiele reicht’s, bis nach Afrika nicht. Das Bild der Honda CRF 250 Rally bleibt zwiespältig. Leichte Schotterpassagen meistert sie als Leichteste des Trios klar besser als die anderen zwei. Auf der Straße fällt sie dann aber ebenso weit hinter die BMW und die Kawa zurück.
Wer sie ins Herz schließt, will aber sofort den Garten mit Wüstensand fluten – auch wenn nur ein Balkon zur Wohnung gehört. Die Honda CRF 250 Rally scheint dem eigenen Offroad-Fernreisetraum entsprungen. Ein traumhaftes Versprechen nach der großen, ungefestigten Weite kann sie mit ihrer Fahrdynamik aber nicht einlösen.
Kawasaki Versys-X 300
Das will auch die Kawasaki Versys-X 300 nicht leisten. Sie betont in diesem Vergleich den Aspekt Reisen. Das fängt schon bei der Sitzprobe an. Mehr Platz gibt es nirgends. Dazu fällt der Knieschluss trotz des 17 Liter fassenden Tanks schön schmal aus, greifen die Hände zum ideal platzierten Lenker. Alles langstreckentauglich also? Fast, denn die gut geschnittene Sitzbank, die zudem viel Platz für einen Sozius bietet, bettet den Hintern sehr hart. Für einen Supersportler würde das passen, Reisende stört das harte Polster auf Dauer.

Die goutieren dagegen gerne die stabile Fahrwerksabstimmung des Zweizylinders mit seinen 296 cm³. Egal, ob allein oder zu zweit, die Kawasaki Versys-X 300 zieht ohne zu gautschen durch jede Biegung, verliert nie die Contenance. Beim Einlenken wirkt sich die straff abgestimmte Gabel allerdings leicht negativ aus, weil sie selbst beim Bremsen bis zum Scheitelpunkt nur wenig einsackt. Das würde den zackigen Kurventanz fördern. So allerdings verlangt die Kawa die klarsten Lenkbefehle, um in Schräglage abzuklappen, fährt weitere Linien als die BMW und vor allem die Honda. Wohlgemerkt: Für sich genommen ist die mit montiertem Zubehör wie Hauptständer und Sturzbügeln vollgetankt 181 Kilogramm wiegende Kawasaki immer noch ein wuseliges Kehrensuchgerät. Unter ihresgleichen lassen sie die Fahrwerksabstimmung, der längste Radstand, das höchste Gewicht und der relativ lange Nachlauf leicht ins Hintertreffen geraten.
Beim Windschutz schiebt sie sich aber wieder auf die Spitzenposition, unterstreicht ihre Reisetauglichkeit. Das würde prinzipiell auch für den Motor gelten. Schließlich markiert sie den Power-Primus des Trios. Allerdings gibt der kleine Zweizylinder fast immer den Schreihals. Ist per leichtgängiger Kupplung – der zarte Flügelschlag eines Schmetterlings genügt als Bedienkraft – im ebenso leicht schaltbaren Getriebe Fahrstufe eins eingelegt, marschiert der Zweier kernig voran. Bis 5.000/min vermittelt er fast den Eindruck, dass hier ein Einzylinder und nicht ein Aggregat mit zwei Kolben am Werk ist. Aber dann. Ab 5.000 Umdrehungen ändert sich der Charakter massiv, regiert die Drehorgel. Immer höher, immer weiter. Während Honda und BMW knapp über 10.000/min die Segel streichen, fängt der Begrenzer die Versys-X 300 erst über 12.000 Touren ein. Hohe Drehzahlen stehen häufig im Display der Kawasaki, die kurz übersetzt ist. Im vierten Gang dreht sie innerorts bei 50 km/h schon mit 5.000/min, bei 100 km/h passiert die Drehzahl im sechsten Gang gerade die 7.500er-Marke, und bei der Abriegeldrehzahl im sechsten Gang erreicht sie ihren Topspeed-Wert von 155 km/h.
Fazit zur erwachsenen Versys-X 300:
Der Wunsch nach einer weiteren Getriebestufe, nach einem niedrigeren Drehzahlniveau ist oft präsent. Diese Abstimmung weckt den Sportsgeist, strengt aber ebenso an, widerspricht ein wenig dem reisetauglich souveränen Charakter der Kawasaki Versys-X 300. Die überzeugt ansonsten fast durch die Bank weg. Eine erwachsenere Reiseenduro in dieser Klasse gibt es nicht, mit mehr Reichweite sowieso nicht, weshalb die Versys-X 300 wie die anderen beiden des Trios beweist, dass sich schon im A2-tauglichen Reiseenduro-Einstiegssegment richtige Vielseitigkeits-Meister tummeln.
MOTORRAD-Testergebnis
1. Kawasaki Versys-X 300
Viel Platz, große Reichweite, guter Windschutz: Die Kawasaki betont den Aspekt Reisen, ist fast konsequent darauf zugeschnitten. Das sorgt für ein prall gefülltes Punktekonto, bietet außer bei den Bremsen nur wenig Raum für Kritik. Ein würdiger Sieger.
2. BMW G 310 GS
Das Kürzel GS wiegt schwer. Die Erwartungen waren hoch. Und so ganz kann die kleine GS sie nicht erfüllen. Am Motor liegt es nicht. Mehr Reichweite, Komfort, mehr Fokus auf den Aspekt Alltag – und dann wäre die BMW sofort mit vorne bei der Musik.
3. Honda CRF 250 Rally
Weniger Reise, mehr Enduro – diesen Anspruch setzt die Honda ohne Wenn und Aber um. Das macht an, auch wenn sie damit viele Punkte verschenkt. Der schwächste Motor des Trios ist aber selbst fürs Endurowandern zu zahm.
Preisvergleich der Einsteiger-Enduros

Die drei A2-Einsteiger-Enduros BMW G 310 GS, Honda CRF 250 Rally und Kawasaki Versys-X 300 stehen sich auf der Gebraucht-Motorradbörse im direkten Preisvergleich gegenüber. Alle drei Motorräder gibt es in gutem Zustand und zu günstigen Preisen: Gebrauchte Einsteiger-Enduros in Deutschland