BMW hat zu einem ersten Test der neuen BMW G 310 GS nach Barcelona eingeladen. Wie gut fährt sich die GS für Einsteiger?
BMW hat zu einem ersten Test der neuen BMW G 310 GS nach Barcelona eingeladen. Wie gut fährt sich die GS für Einsteiger?
Der Kollege zuckt mit den Schultern. Einen ganzen Tag lang hat er auf der neuen BMW G 310 GS alles gegeben. Er wühlte sich auf holprigen Schotterpisten durch katalonische Hügellandschaften, adaptierte mutig die Imperative der inoffiziellen Verkehrsregeln Barcelonas, stach hierfür stets in die sich auftuenden Lücken zwischen den Autokarawanen, hupte fleißig, bremste abrupt und beschleunigte, was der kleine Einzylinder mit maximal 34 PS und 28 Newtonmeter halt so hergab. Ja, sogar im Kurvendickicht spanischer Asphaltkorkenzieher winkelte er dank großzügiger Federwege mächtig ab, genoss die riesige Schräglagenfreiheit, rauschte mit viel Speed durch Ecken aller Couleur, nur um auf den kurzen Zwischengeraden den schwerpunktgünstig nach hinten geneigten Vierventiler mit umgedrehten Kopf (Einlass vorne, Auslass hinten) im zweiten Gang wieder bis an die zehntausend Touren hochzupeitschen. Ja, schreien sollte er, drehen wie die Sau. Und das tat der Kurzhuber. Völlig unbeeindruckt und jede Aufforderung zum Vortrieb mit hart schallenden Airboxgeknatter untermalend. Die laut Werksangabe gerade mal 169,5 kg schwere 310 GS ließ den lieben langen Tag alle Anstrengungen über sich ergehen, parierte fieseste Strapazen mit Haltung.
Und nun? Nun steht derselbe Kollege mit einer Bierflasche in der Hand am Ufer der pulsierenden Metropole, schaut mit leerem Blick aufs Meer, schnaubt wie ein müder Hund durch Mund und Nase und flüstert halb zu sich selbst: „Ein erfreulich vielseitiges und gutes Motorrad, diese kleine BMW G 310 GS. Aber keine für Heldentaten.“ Wie er das wohl meint? Vielleicht hat der Kollege ja Recht, und die G 310 GS taugt nicht für heroische Heldentaten. Zumindest nicht hierzulande, wo 700er, 800er und 1200er GS dem deutschen Durchschnittsfahrer mehr Qualm, Ausstattung und Prestige bieten. Doch das kommt wenig überraschend: Denn wie die Roadster-Variante G 310 R, von der sie abstammt, zielt sie vor allem auf die wirtschaftlichen Potenziale der Schwellenländer. Soll heißen: Als Welt-Modell in München geplant und nun in Indien von Kooperationspartner TVS gebaut, will BMW verschiedenste Klientel mit einer einzigen Motorrad-Rezeptur rundum zum Grinsen bringen. One size fits all – würde man neudeutsch dazu sagen.
Einerseits wollen die Münchener den eigenen Premium-Anspruch beibehalten. Andererseits müssen sie preislich attraktiv sein, um den knallharten Wettbewerb um Käufer nicht schon mit der Verkündung des Listenpreises ad acta zu legen. Kommen wir somit zum ersten schlagenden Argument der BMW G 310 GS, ihrem Preis: In Deutschland wird sie ab Oktober für 5.800 Euro bei den Händlern stehen. Sie kostet damit rund 3.300 Euro weniger als der bisherige Einstieg in die GS-Welt (F 700 GS), aber 850 Euro mehr als für die kleine Roadster fällig werden. Bleibt die Frage: Steht bei der Neuen die Abkürzung GS zu Recht für Gelände und Straße? Rein äußerlich hat man groß aufgetischt: Die GS schaut mächtig erwachsen aus. Der Entenschnabel und die Außenhülle des Tanks symbolisieren klar: Hier fährt eine richtige BMW durch die Welt, nicht nur eine kleinskalierte Schrumpfversion! Da muss man den Designern Respekt zollen. Denn die Sorge, die 310er könnte am Ende so eingelaufen ausschauen, wie ein bei 95 Grad gewaschenes Funktionsshirt, war ja nicht unbegründet.
Technisch gesehen hat sich im Vergleich zum Roadster wenig, aber dafür Nennenswertes getan: Vorne wie hinten wurde der Federweg auf stattliche 180 Millimeter erhöht. Die Schwinge steht nun in einem steileren Winkel, die Abgasanlage musste neu gestaltet werden. Bis auf die Befestigungspunkte für die Verkleidung und einen höheren Steuerkopf für die nicht einstellbare Upside-Down-Gabel blieb der Gitterrohrahmen gegenüber der Roadster unverändert. Der Lenkkopfwinkel beträgt nun 63,3 Grad, der Nachlauf 98 Millimeter (G 310 R: 64,9 Grad und 102 Millimeter).Auch der Radstand wurde länger.Auffällig: Die Gabel hat eine vorverlegte Achsaufnahme. Vorne prangt für bessere Traktion im Gelände die schicke Alu-Guss-Felge im 19 Zoll-Format, hinten spannt sich ein 150er auf eine 17-Zoll-Felge. Besohlt hat man die BMG G 310 GS mit Metzeler Tourance (Sonderspezifikation „R“). Die eher sportlich-kompakt gepolsterte, schmale Standard-Sitzbank begrüßt den Fahrer in 835 Millimetern Höhe (niedrige und hohe Versionen verfügbar).
Die Position der gezackten Fußrasten lässt die Knie entspannt, aber nicht übertrieben herrschaftlich winkeln. Der dünne, in Richtung Fahrer gekröpfte, von einer liebevoll gestalteten und mit BMW-Emblem versehenden Lenkerklemmung gehaltene Rohrlenker baut breiter als der der Nackten, liegt aber prima in den Händen. Also dann: Schlüssel umdrehen, Zündung an, und das aus der R bekannt auskunftsfreudige LCD signalisiert Startbereitschaft: Der Single der BMW G 310 GS springt motiviert an, dreht im kalten Zustand um die 2.000 Umdrehungen. Kupplung ziehen, Gang reingesteppt und: Bopp – abgewürgt! Anfängerfehler. Der kleine Einzylinder hat wenig Schwungmasse, möchte schon beim Anfahren auf Touren gebracht werden. Doch nicht nur da. Wer es eilig hat, muss im ausgetüftelten Winkelwerk spanischer Straßenmeistereien den Eintopf kräftig auswringen, ja, penibel Acht geben, den Drehzahlmesserbalken nie unterhalb von 6.000 Touren sinken zu lassen. Ab einer Drehzahl von 3.000 läuft er rund, schiebt auch recht ordentlich, aber Schmackes gibt es erst weiter oben. Das Schöne daran: Der Motor dreht sehr gerne, schnalzt wie auf Speed die Drehzahlleiter rauf, entwickelt dank Ausgleichswelle erst im oberen Drehzahldrittel nennenswert Vibrationen und hat echt Charakter.
Klar, 34 PS bleiben am Ende 34 PS. Und vor einem auskeilenden Heck muss man bei maximal 28 Newtonmeter auch keine große Furcht haben. Es macht daher Sinn, dass das Sechsgang-Getriebe dem des Roadsters entspricht und knackig-kurz abgestuft wurde. Ärgerlich aber, dass es sich mitunter ebenso knochig und hart bedienen lässt. Und auch die Vier-Kolben-Radialbremssättel von Brembo-Tochter Bybre sorgen zwar für eine gute Bremsleistung. Doch einerseits lassen sich die Stopper schlecht dosieren, andererseits benötigen sie für radikale Verzögerungen hohe Handkräfte. Erfreulich: Das ABS der BMW G 310 GS funktioniert gut, ist für Ausflüge ins Gelände abschaltbar.
Wohlfühl-Ambiente schafft zudem das Fahrverhalten. Zwar biegt die BMW G 310 GS wegen der veränderten Geometrie und dem 19-Zoll-Vorderrad nicht ganz so motiviert ins Eck wie die nackte Schwester. Auch verlangt sie aus der Mittellage heraus einen zarte, aber doch eindeutige Ansage um in Schräglage zu fallen. Dann aber lässt sie sich spielerisch und neutral in die Kurve pfeffern. Wenn es ganz schräg wird, neigen die Metzeler-Pneus allerdings erst zum kippeln, dann zum einklappen. Einen guten Eindruck hinterlässt die mit viel Dämpfung versehene, fein ansprechende Gabel. Dem Federbein hat man im Vergleich dazu etwas mehr Komfort gegönnt. Zusammen halten sie die GS auch bei wilden Verwerfungen des Asphalts auf Kurs, auch auf Schotterwegen sorgen sie für genügend Traktion und ausreichend Reserven. Für ausgedehntes Enduro-Wandern dürfte der Lenker allerdings etwas höher bzw. die Rasten etwas niedriger stehen.
Diese GS aus Indien hinterlässt einen sehr vielseitigen, durchdachten Eindruck, trägt ein überzeugendes Finish. Sie macht vieles ziemlich gut, wenn auch nicht alles perfekt. Vielleicht taugt die BMW G 310 GS gerade deshalb als perfekte Portfolio-Ergänzung der Münchener.
Motor:
Wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwelle, vier Ventile, Schlepphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 42 mm, geregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem, Lichtmaschine 330 W, Batterie 12 V/8 Ah, Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 2,500.
Bohrung x Hub: 80,0 x 62,1 mm
Hubraum: 313 cm³
Verdichtungsverhältnis: 10,6:1
Nennleistung: 25,0 kW (34 PS)bei 9.500/min
Max. Drehmoment: 28 Nm bei 7.500/min
Fahrwerk:
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 41 mm, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Federbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis, Scheibenbremse vorn, Ø 300 mm, Vierkolben-Festsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, ABS.
Alu-Gussräder: 2.50 x 19; 4.00 x 17
Reifen: 110/80 R 19; 150/70 R 17
Maße und Gewichte:
Radstand 1.420 mm, Lenkkopfwinkel 63,3 Grad, Nachlauf 98 mm, Federweg v/h 180/180 mm, Sitzhöhe 835 mm, Gewicht vollgetankt 170 kg, zulässiges Gesamtgewicht 345 kg, Tankinhalt 11,0 Liter.
Gewährleistung: zwei Jahre
Farben: Schwarz, Rot, Weiß
Preis: 5.800 Euro
Nebenkosten: 390 Euro