Vergleichstest BMW R 1200 GS Adventure und KTM 1290 Super Adventure

BMW R 1200 GS Adventure und KTM 1290 Super Adventure Große Reiseenduros im Vergleichstest

Mehr geht nicht: Die BMW R 1200 GS Adventure und die KTM 1290 Super Adventure sind mehr als einfache Reiseenduros, es sind komfortable Luxus-Tourer und Hightech-Maschinen, die dich ans Ende der Welt transportieren können – oder in den wunderbaren Süden Frankreichs.

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Vergesst die Alpen! Südfrankreich ist das wahre Motorradparadies. Seine grandiosen Landschaften sind nicht so überlaufen wie die Attraktionen des Hochgebirges, öfter mit freundlichem Wetter gesegnet und von unzähligen Straßen überzogen, die aus noch unzähligeren Kurven bestehen. Im Dreieck zwischen Montélimar, Nîmes und Cannes mit dem Motorrad herumzustromern, beschert einem große Erlebnisse. Die MOTORRAD-Tester haben es getan; so entstand diese Geschichte. Motorrad-Fernreisende mögen einwenden, dass die BMW R 1200 GS Adventure und die KTM 1290 Super Adventure für diese Region überqualifiziert seien und mit ihren 30-Liter-Tanks, langen Federwegen, Koffersystemen, Sturzbügeln, ihren ganzen Verwöhnpaketen eigentlich in die Wüsten dieser Welt gehörten. Weit gefehlt.

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Es ist auch im zivilisierten Südfrankreich angenehm, sich seine Pausen nicht unbedingt vom Tankinhalt diktieren zu lassen. Man fährt statt öder Tankstellen lieber pittoreske Aussichtspunkte an. Holperstrecken lässt man sich gerne entschärfen und nutzt für die letzten 50 Kilometer eines langen Fahrtages bei rapide sinkenden Temperaturen Griff- und Sitzheizungen sowie tollen Windschutz.

Beide Bikes entfalten beeindruckende Fahrdynamik

Trotz üppiger Ausstattung und dem damit einhergehenden hohen Gewicht entfalten die beiden mächtigen Motorräder beeindruckende Fahrdynamik – jede auf ihre ganz eigene Weise. Die KTM 1290 Super Adventure wurde mit längerem Radstand, flacherem Lenkkopfwinkel und viel Nachlauf auf Stabilität getrimmt. Das kombiniert sie mit einer verwindungssteifen Lenkkopfpartie, der steifen Upside-down-Gabel samt dicker Radachse. Damit gewinnt sie eine hohe Lenkpräzision auch in schnellen Kurven oder bei schwungvollen Schräglagenwechseln. Der Fahrer muss hohe Lenkkräfte aufbringen, spürt jedoch sehr gut, was der Vorderreifen macht. In dieser Hinsicht ist die KTM quasi eine Supersportlerin unter den Reiseenduros.

Den großen Unterschied zwischen beiden Maschinen demons­triert der Wechsel auf die handliche BMW R 1200 GS Aventure. Der Umsteiger muss seinen Krafteinsatz am Lenker zügeln, sonst klatscht er die Maschine viel schneller in Schräglage als gewünscht. Es braucht einige Kilometer, bis er sich daran gewöhnt hat und die angenehmen Seiten dieser Auslegung in den Vordergrund treten: flinkes, fast müheloses Kurvenwedeln bis hinauf in hohe Geschwindigkeitsregionen. Weil der Lenker in weicherem Gummi gelagert und die Radaufhängung vorn weniger steif ist, fühlt sich die BMW nicht ganz so präzise an. Und in lang gezogenen Kurven bergab bleibt das Gewicht des vollen Tanks auch immer als leichte Kippeligkeit präsent.

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Beide verschaffen auf unterschiedliche Weise viel Fahrfreude

Das ist aber Jammern auf hohem Niveau. Beim ständigen Wechsel monierte meist derjenige, der von der BMW R 1200 GS Adventure auf die KTM 1290 Super Adventure umstieg, das träge Einlenken der Österreicherin. Nur, um wenig später ihre Sportlichkeit und Präzision zu loben. Umgekehrt fühlte sich die BMW nach dem Umstieg von der KTM kippelig an, bis Freude an der spielerischen Handlichkeit aufkam. Beide verschaffen einem auf unterschiedliche Weise viel Fahrfreude: die KTM etwas mehr in den schnellen Kurven, die BMW eher in den engeren.

Gibt man der KTM 1290 Super Adventure auf einer griffigen Passstraße richtig Feuer, versteht man, warum ihr Fahrwerk so ausgelegt ist – ihr Motor drückt im mittleren Drehzahlbereich wie ein Katapult. Vielleicht ist ja deswegen das Chassis so stabil ausgelegt, damit es das Triebwerk nicht selbst aus seinem Sitz reißt. Ohne Mühe stellt der 1,3-Liter-V2 das mächtige Motorrad noch im dritten Gang auf Hinterrad, mit dem leichten Stupser einer Bodenwelle gar noch im vierten Gang, bevor die Wheeliekontrolle das Vorderrad wieder herunterholt. Ein Tipp für Akrobatikgenießer: Im Fahrmodus Sport lässt die Elektronik dezente Beschleunigungswheelies zu, meist noch in leichter Schräglage eingeleitet.

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Motor stammt aus der Super Duke

Die KTM 1290 Super Adventure kann aber auch ganz anders. Der aus der Super Duke stammende Motor wurde mit geänderten Köpfen und vergrößerter Schwungmasse weiter kultiviert, beherrscht nun ein sehr breites Drehzahlband. Sanft und sauber geht er auch deutlich unter 3000/min ans Gas, vorbei das raue Gehacke und Kettenpeitschen früherer LC8-Motoren. In puncto Reisequalitäten hat die 1290er also noch mehr zugelegt als bei den Rasequalitäten.

Apropos rasen: Es reduziert sich auf seltene Momente, in denen man auf der BMW R 1200 GS Adventure nicht der Meinung ist, ihre 125 PS würden vollkommen ausreichen. Sie tun es selbstverständlich. Doch wenn der KTM-Fahrer seine wilde Minute hat, können sie der unwiderstehlich davonschnalzenden KTM 1290 Super Adventure wenig entgegensetzen. BMW-Piloten sollten dann nicht versuchen, ihren Boxer auszuquetschen. Bei hohen Drehzahlen ist sein Temperament längst nicht so ausgeprägt wie in der Mitte.

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Der Begriff „Kurvengeschlinge“ beinhaltet nicht die Spur von Übertreibung. Solche Straßen sind häufig in Südfrankreich.

Besser ist es, Ruhe zu bewahren. Das nächste Kurvengeschlinge kommt bestimmt, und dort harmonieren Motor und Fahrwerk der BMW R 1200 GS Adventure mindestens genauso gut wie bei der KTM 1290 Super Adventure im schnelleren Geläuf. Der Boxer lässt sich nämlich in der Kurvenmitte noch leichter ans Gas holen und zieht mit hoher Laufkultur und Durchzugskraft voran. Ruhig und effizient. Auch strahlt der Boxer mit gleichmäßigem Puls und sanftem Charakter im Teillastbereich mehr Gelassenheit aus. Dazu passt seine Genügsamkeit beim Spritverbrauch, auf der Landstraße spart der BMW-Fahrer 0,7 Liter pro 100 km.

Die BMW R 1200 GS Adventure profitiert auf kurvigen Straßen stark von ihrem Schaltassistenten. In der neuesten Version erlaubt er Zurückschalten ohne Kupplung, und man mag es anfangs kaum glauben, wie gut dies funktioniert. Man muss nur diszipliniert die Finger vom Kupplungshebel lassen und das Gas geschlossen halten. Dann einfach den Schalthebel nach unten drücken, einmal, zweimal, sooft man zurückschalten will. Mit jedem Mal jubeln die Gasstöße zur Einleitung des Schaltvorgangs und Verringerung des Brems­moments höher, aber man findet tatsächlich ohne Schlingern des Hinterrads und ohne Kupplungsakrobatik in die Kurve.

Konfiguration der BMW R 1200 GS Adventure gut getroffen

So weit zu den grundlegenden Charaktermerkmalen der beiden Maschinen. Dank der verschiedenen Fahrmodi und der semiaktiven Dämpfungssysteme lassen sie sich in einem gewissen Bereich betonen oder abmildern. „Semi“ deshalb, weil die Federkräfte „passiv“ von Stahlfedern aufgebracht werden, „aktiv“, weil die Dämpfung ständig je nach Fahrsituation nachgeregelt wird. Das vollzieht sich in Bruchteilen von Sekunden und auf der Basis quasi aller Informa­tionen, welche die Sensorik der Motorräder liefert. Nicht nur beim Beschleunigen oder Bremsen werden die Dämpfungskräfte angepasst, sondern auch nach Maßgabe unterschiedlicher Einfedergeschwindigkeiten auf leichten oder heftigeren Bodenwellen. Selbst auf die Kraftkomponente, die in Schräglage die Federelemente komprimiert, reagieren die Systeme mit erhöhter Druckdämpfung vorne und hinten. Im Stand und wegen des hohen Stromverbrauchs bei laufendem Motor lassen sich die Hinterradfederungen für höhere Beladung stärker vorspannen. Bei der BMW R 1200 GS Adventure ist die Anpassung in drei, bei der KTM 1290 Super Adventure in vier Stufen möglich.

Um für möglichst viele Fahrsituationen die beste Dämpfungseinstellung zu bieten, halten beide Motorräder mehrere Dämpfungsmodi bereit. Bei der BMW R 1200 GS Adventure sind sie mit den Fahrmodi Rain und Road verknüpft; auch die als Sonderausstattung erhältlichen Fahrmodi Pro Dynamic, Enduro und Enduro Pro greifen in die semiaktive Dämpfung ein. Zusätzlich lassen sich in jedem Modus die Varianten Normal, Hard und Soft einstellen. Das mag verwirrend klingen, in der Praxis verdient die BMW-Konfiguration jedoch das kurze, lobende Prädikat „durchschaubar und gut getroffen“. Der Fahrer versteht rasch, warum der Road- oder der Dynamic-Modus so heißen, und er wechselt nach kurzer Gewöhnung treffsicher zwischen den Modi hin und her. So wildwüchsig der Schalterverhau am linken Lenker­ende der BMW auch aussehen mag, die Schalter liegen gut zur Hand, und die Menüstruktur ist so flach angelegt, dass man mit wenigen Schalterbetätigungen erreicht, was man will.

Abstimmung der KTM 1290 Super Adventure schwieriger zu verstehen

Die Abstimmung der KTM 1290 Super Adventure ist schwieriger zu verstehen und nicht so zielsicher gelungen, die Bedienung komplizierter und ergonomisch ungünstiger, obwohl die Schaltereinheit wohlaufgeräumt erscheint. Hier findet der Wildwuchs im Innern in Gestalt einer verzweigten Menüstruktur statt. Als unvermeidliche Begleiterscheinung der semiaktiven Dämpfung bleibt ein ständiges Klackern und Zwitschern der Ventile in der Gabel hörbar. Was den Testern noch aufgefallen ist: Selbst im Dämpfungsmodus Komfort spricht die Gabel unsensibel auf kleine Wellen an, in vielen Kurven zeigt die Front ständiges leichtes Wippen. Im Kontrast dazu erscheint die Hinterhand im Komfort-Modus eher unterdämpft. Diese wiederum gefiel den Testern im strafferen Sport-Modus am besten, in dem jedoch die Gabel stark überdämpft ist. Auf Schräglagenwechsel reagiert sie kaum mehr, das Handling bleibt hüftsteif.

Da eine Kombination aus Gabel im Komfort-Modus und Hinterradfederung im – leicht abgesofteten – Sport-Modus nicht möglich ist, empfiehlt sich der Street-Modus. Zur Ehrenrettung der KTM 1290 Super Adventure konnten die Tester feststellen, dass die Federung auf einer ausgesprochen holprigen Strecke tadellos funktionierte.

Kurvenlichter der KTM tadellos gelungen

Die KTM 1290 Super Adventure ist mit zwei seitlichen Kurvenlichtern ausgestattet. Automatisch leuchtet die jeweils kurveninnere Einheit in drei Stufen bei zehn, 20 und 30 Grad Schräglage immer weiter in die Kurve hinein. Diese Inno­vation ist tadellos gelungen, nicht aber der schwach und fleckig leuchtende Hauptscheinwerfer. Im Gegensatz dazu liefert die Leuchteinheit der BMW R 1200 GS Adventure helles, gleichmäßig kräftiges Licht und macht zusammen mit den aufpreispflichtigen Zusatzscheinwerfern die Nacht vor dem Vorderrad fast zum Tage.

Mit den Testergebnissen zu den Bereichen Motor, semiaktives Fahrwerk und Licht zeichnet sich eine Tendenz ab, die sich bei den Themen Bremsen/ABS und Geradeauslaufstabilität fortschreibt: Die KTM 1290 Super Adventure geht weiter in die Extreme, die BMW R 1200 GS Adventure ist dagegen im Detail perfektioniert. Obgleich in Komplettausstattung 16 Kilogramm schwerer als die KTM, bremst die BMW im Notfall besser. Im Durchschnitt mehrerer Messungen schafft sie im ABS-Regelbereich aus 100 km/h eine mittlere Verzögerung von 9,4 m/s², die KTM kommt im Road-Modus nur auf 8,8 m/s². Wenn die BMW steht, ist die KTM noch mit 25,3 km/h unterwegs. Im Offroad-Bremsmodus erreicht die KTM 9,6 m/s², allerdings mit abhebendem und blockierendem Hinterrad. Offenbar haben die KTM-Entwickler wegen des großen Tanks und der damit einhergehenden Verschiebung von Vorderradlast und Schwerpunkt eine defensive Auslegung gewählt.

BMW knapp 2000 Euro teurer

Treibt man die beiden Wuchtbrummen mit Gepäck über die Autobahn, kommt es zu paradoxen Situationen: Die fahrstabil ausgelegte KTM 1290 Super Adventure pendelt bei hohem Tempo so stark, dass man sich an die Empfehlung halten sollte, maximal zehn Kilogramm pro Koffer zuzuladen und nicht schneller als 150 km/h zu fahren. Die äußerst handliche BMW R 1200 GS Adventure läuft beladen dagegen noch bei Höchstgeschwindigkeit von 213 km/h sicher geradeaus.

Nachdem so viel von den Annehmlichkeiten der Sonderausstattungen die Rede war, müssen auch die Preise erwähnt werden. Bei der KTM 1290 Super Adventure ist fast alles serienmäßig, bei der BMW R 1200 GS Adventure fast alles aufpreispflichtig, und am Ende kommt diese mit 21.115 Euro knapp 2000 Euro teurer als die KTM. Dafür beginnt – wie die Ermittlung des Preises im Dschungel der Ausstattungen gezeigt hat – das Abenteuer mit ihr schon im Konfigurator.

Video zum großen Reiseenduro-Vergleichstest

Den Test zum Video gibt es in 3 Teilen hier:

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Technische Daten

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Abenteuersuche: Da hinten, knapp hinterm Horizont, fängt die Wüste an. Drei, vier Tanks voll, und man wäre da.

MOTORRAD-Testergebnis

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Mehr geht nicht: Diese Motorräder sind mehr als einfache Reiseenduros, es sind komfortable Luxus-Tourer und Hightech-Maschinen.

1. BMW R 1200 GS Adventure
Wer hätte das gedacht, angesichts des fulminanten KTM-Motors. Doch weil die BMW R 1200 GS Adventure in vielen Details besser durchdacht ist und homogener wirkt, holt sie Punkt für Punkt auf. Das reicht knapp zum Sieg.

2. KTM 1290 Super Adventure
Drei Punkte Rückstand, da fehlt nicht viel. Doch es gibt klare Kritikpunkte: Gabel, ABS, Verbrauch, Licht, Geradeauslauf. In diesen Bereichen bräuchte die KTM 1290 Super Adventure noch Optimierung im Detail, dann läge sie klar vorn.

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