Die ursprünglich italienischen Marken Benelli und Moto Morini gehören längst chinesischen Eigentümern. Hinter Benelli steht QJMotor, Moto Morini gehört zur Zhongneng Vehicle Group. Der Vorteil der China-Connection: fast konkurrenzlos niedrige Preise. Für 8.699 Euro Grundpreis steht die TRK 702 X beim Händler, ab 8.099 Euro gibt’s die Moto Morini X-Cape 700 (Stand Sommer 2025).
In beiden Fällen dürfen sich zukünftige Eigner über 700er-Zweizylinder freuen, die mit 70 PS Spitzenleistung manierlich im Futter stehen und mit den Steigungen oftmals im zweistelligen Prozentbereich rund um Sella und Co. keine Probleme haben sollten.
Gewicht der Reiseenduros
Oder doch? Zumindest manchmal ein wenig. Einen ersten Hinweis auf ihre in den Dolomiten verhalten vorgetragenen Dynamik-Talente liefert der Blick auf die Waage. Vollgetankt reist die Benelli TRK 702 X mit 249 Kilogramm durch die Berge, bei der Moto Morini X-Cape 700 sind’s ein paar Pfund weniger.
Mit 241 Kilogramm fällt aber auch sie alles andere als leicht aus. Dabei steht sie mit ihrer glattflächigen Verkleidung und dem fließenden, homogenen Design überaus schlank auf ihrer 19/17-Zoll-Bereifung. In 845 Millimeter Höhe Platz genommen, drückt der breite Knieschluss hinter dem 18 Liter großen Tank die Beine aber spürbar auseinander.
Im Vergleich zeigt sich die aggressiver und GS-artiger gestylte Benelli gefälliger. Sofa-gleich empfängt einen ihr Fahrerpolster in 85 Zentimeter Höhe, die Knie flutschen wie von selbst in die Ausbuchtungen des 20-Liter-Tanks. Hoch und breit baut sich ihr Lenker vor dem Fahrer auf, die Fußrasten liegen weit vorn. Diese Auslegung des Sitzdreiecks zwingt den Fahrer automatisch in eine passive Position. Da ist es Essig mit dem Gefühl fürs Vorderrad, der Komfortanspruch schlägt den Aspekt Feedback.
Spagat aus Hinternschmeichler und Dynamikwunsch
Ein flacherer Lenker, trittgünstig angebrachte Rasten – die Moto Morini X-Cape 700 bettet ihren Fahrer anders, packt den Spagat aus Hinternschmeichler und Dynamikwunsch viel besser. Was ihr unterm Strich zu einer besseren Handlichkeit beim 180-Grad-Twist verhilft. Fast mühelos sticht sie in jeden Bogen. Kurvenausgang anvisieren – und die Moto Morini folgt willig dem Linienwunsch ihres Dompteurs.
So flott und lässig fegt die Benelli TRK 702 X nicht durch die Dolomiten-Kehren, sie braucht mehr Einsatz hinterm Lenker, um auf den wirklich ganz engen Radius abzubiegen. Dafür trifft sie den Kurvenausgang eine Spur präziser und zeigt der Moto Morini X-Cape 700 spätestens ab dem Scheitelpunkt ihr breites Heck.
Der Zweizylinder der Moto Morini X-Cape 700 glänzt zwar mit geschmeidigen Umgangsformen, doch ihm fehlt Druck im unteren Drehzahlbereich. Unter 4.000 Umdrehungen weht da allenfalls ein laues Performance-Lüftchen. Ab 6.000 Touren kommt mehr Leben in die Bude – nur ist die Benelli TRK 702 X da beim Sturm auf die Dolomitengipfel schon längst weggezogen. Nein, das Alpen-Masters ist kein Rennen, aber die Durchzüge bergauf mit Sozius sprechen eine klare Sprache.
Sprint von 25 bis 75 km/h
Bei dieser Prüfung im 2. Gang von 25 bis 75 km/h vergehen im Sattel der Benelli 7,4 Sekunden, hinterm Lenker der Moto Morini dauert das gleiche Unterfangen 2 Sekunden länger. Wer diese Differenz auf 20 Kehren hochrechnet, kommt fast eine Cappuccino-Länge eher am jeweiligen Gipfel an.
Moto Morini X-Cape 700 überzeugt mit Ausstattung
Zumindest, solange es der eilige Benelli-Reiter mit der Schräglage nicht übertreibt. Warum? Weil der an sich sinnvolle Hauptständer ziemlich locker an den haltenden Federn hängt und in Schräglage früh über den Asphalt streift. Er gibt dann zwar nach oben nach, ein komisches Gefühl bleibt trotzdem. Schließlich ist das ausweichende Naturell des Hauptständers beim Bodenkontakt irgendwann aufgebraucht.
Das passiert im Sattel der Moto Morini nicht, ihre Schräglagenfreiheit geht als voll kehrentauglich durch. Sie setzt sich zudem bei der Ausstattung klar von der TRK 702 X ab. In der Dämpfung komplett einstellbare Federelemente, ein praktisches Handrad zur Änderung der Federbasis hinten, der höhenvariable Windschild sowie ein mit vielen Infos versehenes Cockpit lassen keine Wünsche offen. Gut bei beiden: in der Weite anpassbare Brems- und Kupplungshebel.
Keine Topwerte, aber auf gutem Niveau
Und die Bremshebel rücken bei der nächsten Alpen-Masters-Prüfung in den Fokus: Der Stopp am Limit mit Sozius bergab steht an. Die zwei Reiseenduros erreichen zwar keine Topwerte, sie verzögern aber Hinterrad-abhebefrei auf gutem Niveau. Die Gabel der Moto Morini X-Cape 700 taucht dabei stark ab, während es auf der Benelli hohe Handkräfte braucht, um überhaupt in den ABS-Regelbereich vorzustoßen.
Besser fällt das Zeugnis für die X-Cape beim Besuch an der Zapfsäule aus. Trotz stetem Hoch und Runter in den Dolomiten begnügt sie sich mit 4,6 Liter auf 100 Pässekilometer, die TRK 702 X genehmigt sich ein klitzekleines Zehntelchen mehr. Wegen ihres großen Tanks packt die Benelli so über 400 bergige Kilometer am Stück, bei der Moto Morini ist der nächste Tankstopp nach knapp über 390 Kilometern fällig.
So taugen die beiden Reiseenduros locker für üppige Ausflüge ins Alpine, wobei sich am Ende die Benelli TRK 702 X knapp vor der Moto Morini platziert. Den Ausschlag am Pendel zugunsten der TRK 702 X gibt vor allem ihre Motor-Performance mit mehr Druck aus tiefen Drehzahlen. Zudem bettet sie Fahrer und Sozius fast wie auf "Wolke 7". Für Solisten ist aber auch die Moto Morini X-Cape 700 eine Überlegung wert, sie bietet viel Motorrad fürs Ersparte. Und dem etwas müden Motor könnte man ja mit einer kürzeren, wenn auch nicht ganz legalen Endübersetzung auf die Sprünge helfen.