Der Gewinner in der Kategorie Enduros/Supermotos bei der Wahl zum Motorrad des Jahres heißt dieses Jahr nicht BMW R 1200 GS. Gewonnen hat nämlich die Honda Africa Twin!
Der Gewinner in der Kategorie Enduros/Supermotos bei der Wahl zum Motorrad des Jahres heißt dieses Jahr nicht BMW R 1200 GS. Gewonnen hat nämlich die Honda Africa Twin!
Fast 50.000 Leser und User haben bei der MOTORRAD Leserwahl 2017 ihre Stimme abgegeben. Und es gibt eine saftige Überraschung: Die Honda Africa Twin heimst den Sieg bei den Enduros/Supermotos ein. Glückwunsch!
Das ist schon eine Sensation, dass die große GS bei der MOTORRAD Leserwahl mal nicht den ersten Platz in dieser Kategorie macht. Für Branchenfremde: Das ist ungefähr so, als ob der VW Golf nicht mehr Platz eins der Auto-Neuzulassungszahlen belegen würde. Gut, wir sind nicht das KBA und es geht hier auch nicht um Neuzulassungszahlen. Bislang wurden die Stimmen für BMW R 1200 GS und Adventure zusammengezählt, ganz wie beim Kraftfahrt-Bundesamt. Nun lässt BMW die beiden GS-Modelle aber intern separat ausweisen. Und so belegt die R 1200 GS bei der MOTORRAD Leserwahl 2017 den zweiten und die R 1200 GS Adventure den dritten Platz.
In den anderen acht Kategorien gehen die ersten Plätze an die Vorjahressieger. Dafür sorgen dieses Jahr die zweiten und dritten Plätze für reichlich Abwechslung. Selten standen so viele unterschiedliche Marken mit auf dem Treppchen. So konnte Triumph mit der einsitzigen Bobber und der Thruxton/R zwei zweite Plätze abräumen. Kawasaki erreicht mit der Z 1000 SX bei den Tourern einen dritten Rang. Und Yamaha tauscht den Crossover-Vizetitel aus dem Vorjahr gegen zwei dritte Plätze.
Was macht ein Motorrad eigentlich begehrenswert? Möglichst viel Leistung? Ganz viel Elektronik? Gelungenes Design? Betrachtet man die Gewinner der großen MOTORRAD-Leserwahl, stellt man fest: Die Mischung muss stimmen.
Wenn fast 50.000 Motorrad-Kenner (also potenzielle Käufer) abstimmen, muss die Industrie das ernst nehmen. Aber sie muss auch wissen: Nicht alle, die von diesem oder jenem Motorrad träumen, werden es auch kaufen. Viele werden einfach nur weiterträumen. Dennoch macht es natürlich stolz und glücklich, den Kundengeschmack so genau getroffen zu haben. Erst recht, wenn das entsprechende Motorrad schon zum zweiten oder dritten Mal in der MOTORRAD-Lesergunst ganz vorne steht.
Das ist einem wohlbekannten Hersteller aus dem Bayerischen in der Vergangenheit überraschend gut gelungen. Besonders ein Modell schien auf dem obersten Treppchen nahezu einbetoniert. Die Siegerin in der Kategorie Enduros/Supermotos hieß praktisch immer BMW R 1200 GS. Doch in diesem Jahr kam dem Bestseller ausgerechnet die hauseigene Arithmetik in die Quere. Die Bayern sehen nämlich seit Jahren schon in der mächtigen Adventure-GS ein eigenes Modell – und zählen auch so. In diesem Jahr hat nun auch MOTORRAD getrennt gewertet. Ergebnis: Die Plätze 2 und 3 für die beiden GS-Modelle, Platz 1 für die Honda Africa Twin, den Shootingstar der Saison 2016. Sie wird zweifellos auch in diesem Jahr zu den Bestsellern gehören.
Das sollte den Japanern Mut machen, auch wenn die Herren auf der Bühne bei der Siegerehrung meist entweder deutsch mit bayerischem oder österreichischem Akzent oder italienisch sprachen. Vier Siege für BMW (S 1000 RR, S 1000 XR, R nineT, R 1200 RS), zwei für KTM (1290 Super Duke R, 125 Duke) und zwei für Italien (Ducati XDiavel und Vespa GTS Super 300 i.e.) – bis auf die Africa Twin kannten wir das so schon vom letzten Jahr. Ein starkes Indiz dafür, dass bei diesen Gewinnern die Mischung wirklich stimmt, denn die Luft ganz oben auf dem Motorrad-Olymp ist ausgesprochen dünn.
Wie gut die Africa Twin und MOTORRAD-Tester Karsten Schwers so hoch oben klarkommen, davon durfte der Kollege dann live auf der Bühne berichten: Von Meereshöhe auf 6000 Meter in 24 Stunden – dieses Projekt hatten Metzeler/Pirelli und MOTORRAD ausgeheckt, Honda stellte die Motorräder.
So kam es, dass die rote Africa Twin als Dreckspatz des Abends zwischen den glänzenden Siegerbikes stand und trotzdem einen blitzsauberen Auftritt hinlegte. Klassensieger, Rekordvehikel und neuer Imageträger – Honda hatte Grund zum Feiern. Wie auch die erfolgsverwöhnte BMW-Crew, ja, eigentlich alle Gäste, denn die Zeichen für ein erfolgreiches Motorradjahr 2017 stehen nicht schlecht. Wer in der Zulassungsstatistik vorn liegen wird, bleibt abzuwarten. Die bis tief in die Nacht feiernden Gäste waren sich einig: 2017 wird ein spannendes Motorradjahr.
Mit der Wahl des "Motorrad des Jahres 2017" haben die Leser auch eine klare Einschätzung abgegeben, wie sie die großen Marken positioniert sehen.
Die Modellpolitik ist wichtig, doch das Image der Marke ebenso. Wie schätzen Motorradfahrer die Hersteller ein? Welche Veränderungen gibt es? Was sind die Eigenschaften, deren Summe am Ende einen guten Ruf ausmacht? Innovationskraft, Kompetenz, Verlässlichkeit und nicht zuletzt sympathisches Auftreten formen dieses positive Image. Das kostet viel Ausdauer und Mühe, zuweilen ist auch ein Quäntchen Glück dabei.
Die Wahl zum "Motorrad des Jahres 2017" und die damit verbundene größte Leserbefragung in der Zweirad-Medienlandschaft liefert seit Jahren ein präzises und verlässliches Stimmungsbarometer für die Branche: Trendveränderungen lassen entweder die Alarmglocken bei den Markenverantwortlichen schrillen oder bestätigen deren eingeschlagenen Kurs.
Das Wissen der MOTORRAD-Leser hat dabei große Bedeutung. Sie ordnen die abgefragten Eigenschaften nur jenen Marken zu, zu denen sie konkrete Aussagen machen können. Und dies erzeugt durchweg aussagekräftige Ergebnisse.
Interessant ist ebenfalls, wie das knapp 50.000-köpfige MOTORRAD-Wahlvolk 2017 zusammengesetzt ist: 92 Prozent sind Männer und ebenfalls 92 Prozent besitzen ein Motorrad, wovon wiederum knapp die Hälfte die Maschine neu gekauft hat. Der Altersdurchschnitt der Wählerschaft liegt seit 2015 unverändert bei 47,3 Jahren.
Über 72 Prozent fahren ein Motorrad mit mehr als 750 Kubikzentimetern und legen damit im Schnitt 7900 Kilometer im Jahr zurück. Die Jahresfahrleistung hat sich damit im Vergleich zu 2015 um knapp sieben Prozent erhöht. Über 22 Prozent der Wahlteilnehmer-Maschinen wurden ab 2015 erstmals zugelassen und insgesamt 38,8 Prozent der Leser-Bikes wurden im selben Zeitraum gekauft.
Der Wohlfühl-Faktor mit der eigenen Marke hat sich bei Fahrern von Neumaschinen weiter verfestigt: 73 Prozent geben an, sehr zufrieden mit dem gekauften Motorrad zu sein – das sind drei Prozentpunkte mehr als 2015. Aprilia- und Harley-Davidson-Käufer sind mit jeweils 77 Prozent Zustimmung überdurchschnittlich zufrieden mit ihrer Wahl, Ähnliches gilt für Neumaschinen-Besitzer von Honda (76 %), BMW (75 %) und Ducati (74 %). Moto Guzzi trägt dagegen erneut die rote Laterne am Lenker: Nur 62 Prozent der Besitzer einer Neumaschine sind sehr zufrieden mit der Marke.
Die in der Regel hohen Zufriedenheitswerte stehen in einem gewissen Widerspruch zu den Ergebnissen, wenn es um die Markentreue geht. Inzwischen zieht mehr als die Hälfte (54 %) der Befragten beim Motorrad-Neukauf auch einen anderen Hersteller ins Kalkül – das sind sechs Prozentpunkte mehr als noch vor zwei Jahren. Bei diesem Parameter gibt es ebenfalls eklatante Unterschiede je nach Marke. Während sich 71 Prozent der Aprilia-Neukäufer empfänglich für die Reize markenfremder Modelle zeigen, interessiert sich noch nicht einmal ein Drittel der Harley-Klientel (30%) für die schönen Töchter anderer Mütter.
Was treibt das wachsende Interesse an konkurrierenden Marken? Neue Modellvielfalt, gezielte Nischen-Belegung oder gar technische Innovationen? Um Letzteres auszuloten, waren die Leser 2017 erstmals aufgefordert, aus 30 Neuheiten jene Modelle zu benennen, die in ihren Augen für innovative Technik stehen. Im Durchschnitt verdienen 21 Prozent der Modelle aus Lesersicht dieses Prädikat. Spitzenwerte erzielen die BMW R 1200 GS Rallye (65%), KTM 1290 Super Adventure/R (57%), Ducati 1299 Superleggera (51%), KTM 1290 Super Duke R (50 %) und Honda Fireblade (47 %).
Sieben von zehn Modellen in der Top-10-Nennung stammen von europäischen Herstellern. Klare Botschaft der Leser: Die Überlegenheit der Europäer in Sachen moderner Sicherheitselektronik – vom Kurven-ABS über aktive Fahrwerksregelung bis zum Schaltautomaten – ist unumstritten.
Dies spiegelt sich teilweise auch in der Momentaufnahme wieder, welche Marken aus Lesersicht aktuell im Trend liegen. Nach den leichten Dämpfern der beiden Vorjahre ist BMW wieder voll und fast unangefochten angesagt. Wie machen die das nur? Ist doch die Motorenvielfalt reduziert, sprich die Vierzylinder-K-Modelle sind komplett gestrichen, und statt Einzylinder gibt es derzeit noch eine Lücke im Programm. Denn die G 310, nach Jahren der erste neue, wenn auch kleinvolumige Einzylinder, steht mit reichlich Verspätung in den Startlöchern, weil es massive Probleme beim Serienanlauf gab. Demgegenüber steht eine konsequente Ausweitung des Baukasten-Systems: Aus der R nineT ist inzwischen eine ganze Heritage-Reihe mit insgesamt fünf Modellen geworden. Bei den Boxer-Enduros wird jede Nische, die sich der GS-Klientel bieten könnte, mit Varianten wie Adventure, Rallye und Exclusive bedient – und das ist noch ausbaufähig am unteren und oberen Rand der Baureihe. Obwohl schon etwas in die Jahre gekommen, ist die BMW S 1000 RR immer noch der meistverkaufte Supersportler, der weiterhin in Top-Form ist, und an dem alle Angriffe der Konkurrenz abgeprallt sind. Gleichfalls gut aufgestellt sind die Bayern bei den Tourern mit der R 1200 RS, RT, K 1600 GT und GTL. Ob das für die Zukunft reicht, wird sich zeigen. Die Konkurrenz aus Europa und teilweise auch aus Japan holt nämlich auf.
Gas gibt vor allem Ducati. Die Marke hat im aktuellen Trendbarometer KTM überholt. Hier machen sich die vielen Neuheiten aus Bologna bezahlt. Und die Italiener profitieren ganz klar davon, mit den Scrambler-Modellen eine ganz neue Käuferschicht erschlossen zu haben. Mit der SuperSport S geht jetzt zudem ein vielversprechender Alltagssportler ins Rennen. Ob der kleinen Multistrada 950 unterhalb der 1200er Erfolg beschieden sein wird, ist noch schwer zu sagen. Die Modellvariante passt zur Strategie der Marke, sich breiter aufzustellen und die Nischenposition endgültig hinter sich zu lassen.
Jammern, aber auf hohem Niveau: KTM hat Federn lassen müssen und ist von Ducati auf Rang 3 verwiesen worden. Nach der gelungenen Verwandlung vom Offroad-Spezialisten zum Vollsortimenter, mit vielen attraktiven Modellen, technologischer Eigenständigkeit und einer markentypischen Designsprache, scheint der Innovationsschwung nun gebremst. Für 2017 kommt aus Mattighofen lediglich Modellgepflegtes. Wirklich neue Modelle, wie eine 790er Duke, lassen bis zum Herbst auf sich warten, ebenso ein Nachfolger des früheren KTM-Bestsellers SMC 690 R. Haben der rasante Aufstieg in den Vorjahren, das MotoGP-Engagement und das ehrgeizige Ziel, Husqvarna zur Nummer 3 in Europa zu machen, etwa einen Entwicklungsstau provoziert?
Yamahas Trendsetter-Potenzial hat ebenfalls etwas gelitten. Der MT-Hype ist abgeflacht, was auch die Vierzylinder-Version MT-10 offenbar nicht verhindern konnte. Die Marke bleibt dennoch der Baukasten-Strategie treu – siehe Tracer sowie XSR 700 und 900. Die brandneue YZF-R6 hat indes ein Alleinstellungsmerkmal: Sie ist der letzte 600er-Supersportler seiner Art und fährt mit Vollgas in die Nische.
Und wie sind die anderen japanischen Marken positioniert? Kawasaki stand schon besser da. Ein wenig unverständlich, da es Neuheiten gibt, die eigentlich voll im Trend liegen: Abgespeckt, optisch aufgewertet und hochmodern sind Z 650 und Ninja 650 die besseren Nachfolger von ER-6f und -6n und haben absolut das Zeug dazu, an alte Erfolge anzuknüpfen. Hoffnungsträger der Marke ist indes das starke Naked Bike Z 900.
Suzuki meldet sich aus Lesersicht zurück: Mit der neuen GSX-R 1000 bietet die Marke nämlich erneut den Ur-Supersportler zum Kampfpreis, jetzt aber mit absolut konkurrenzfähiger Technik. Und die V-Strom 1000 ist wieder auf der Höhe der Zeit. Die treue Fangemeinde des Allrounders darf auf Erfolge hoffen lassen.
Großer Gewinner aus Fernost ist indes Honda. Binnen eines Jahres hat der Weltmarktführer um 20 Prozentpunkte im Trendbarometer zugelegt – die großen Namen Africa Twin und Fireblade haben der Marke beispiellosen Auftrieb gegeben. Als solides Erfolgsfundament gelten zudem die Honda-Bestseller NC 750, CB 500 und CBR 500.
Im Reigen der trendigen Marken fehlt da noch Triumph. Die Engländer gewinnen sechs Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr dazu. Mit gutem Grund: Dank neuer, wassergekühlter Motoren ist das Modern-Classic-Segment von Bonneville bis Bobber technisch wieder zeitgemäß. Und dass die neue Street Triple an die Erfolge ihrer Vorgängerin anknüpfen wird, steht eigentlich außer Frage. Im Enduro-Segment ist Triumph mit seinen Tigers ebenfalls gut aufgestellt – auch wenn ihnen Verkaufsrekorde wie BMW versagt bleiben.
Ausführlichere Statistiken finden Sie in MOTORRAD 8/2017 sowie im folgenden PDF.