So was nennt man just in time: Platz zwei beim österreichischen Erzberg-Rodeo, Doppelsieg beim zweiten Lauf zur Deutschen Cross-Country-Meisterschaft. Punktlandung zwei Tage vor der Präsentation der neuen Sportenduro von BMW, der G 450 X. Denn das war nicht immer so. Mit Defekten und mageren sportlichen Resultaten schleppte sich das junge Offroad-Projekt der Bayern im vergangenen Jahr mühselig durch seine erste Saison.
Strich drunter. Nun steht sie da, die erste serienmäßige Sportenduro der BMW-Firmenhistorie. Zentrales Element des Konzepts der G 450 X ist die koaxiale Anordnung von Schwingendrehpunkt und Kettenritzel. Sie ermöglicht eine längere Schwinge, die für bessere Traktion sorgen soll. Positiver Nebeneffekt: Durch die über den gesamten Federweg unveränderte Spannung der Kette werden die Kräfte, die der Antrieb auf die Hinterradfederung ausübt, reduziert. Neu ist dieser Ansatz zwar nicht (siehe Kasten rechts), von BMW wird er jedoch erstmals mit aller Konsequenz verfolgt. Das heißt: Erstens führt die Schwingenachse durch die hohle Getriebeabtriebswelle. Zweitens wandert die Kupplung, die auf ihrer üblichen Position mit der Schwingenachse kollidieren würde, nach vorn und sitzt nun direkt auf der Kurbelwelle. Womit drittens die nötige Übersetzung des Primärtriebs von einer zusätzlichen Zwischenwelle übernommen wird. Weshalb sich, viertens, die Kurbelwelle wie bei der Yamaha-MotoGP-Maschine von Valentino Rossi rückwärts dreht.
Ein Bruch mit vielen Gepflogenheiten, der sich auch beim Fahrwerk der 450er zeigt. So ersetzen schlanke Edelstahl-Rohre die verbreiteten Konstruktionen aus Alu-Profilen. Der Tank residiert schwerpunktnah im Rahmenheck, das Luftfiltergehäuse unter der Sitzbanknase. Eigentlich erstaunlich, dass sich die BMW so vertraut anfühlt. Fußrasten-, Sitz- und Lenkerposition sowie der schlanke Knieschluss alles wie von den Wettbewerbs-Enduros gewohnt. Auch nach dem Druck aufs Knöpfchen einen Kickstarter besitzt der 450er-Motor nicht erinnern nur das Schnüffeln aus dem Ansaugtrakt und das Singen der Zwischenwelle schüchtern an das unorthodoxe Umfeld.
Single sucht Abenteuer

Aber jetzt: Gang rein und weg. Lockere Steine, schmale Single-Trails, holprige Wege Enduroterrain de Luxe im südspanischen Hinterland. Dank der bei Wettbewerbs-Enduros noch unbekannten Benzineinspritzung mit doppelter Drosselklappe läuft der Single sofort rund und verdankt dieser Technik gleich einen aktuellen Rekord: In der straßenzulassungsfähigen Version leistet der Vierventiler 41 PS (zum Vergleich: KTM 450 EXC-R: 12 PS). Beim Stapellauf tritt die BMW jedoch mit dem mitgelieferten Wettbewerbs-Kit (Akrapovic-Schalldämpfer und Sportmapping der Keihin-Einspritzanlage) und somit mit offiziell angegebenen, klassenüblichen 52 PS an.
In der Tat hängt der mit Titan-Ventilen ausgestattete dohc-Motor sauber am Gas, setzt bereits kurz über Standgasdrehzahl weich und gut dosierbar ein. Prima. Vor allem, weil der vollständig bei Kymco in Taiwan gefertigte Single nicht nur den sensiblen Antritt beherrscht. Sobald sich das Gelände öffnet, brechen die Gene des mit 59,6 Millimetern extrem kurzhubigen Motors durch, dreht er gierig und frei hoch, lässt sich lässig durch das leicht schaltbare Fünfganggetriebe zappen.
Doch so leicht sich die Bayerin im D-Zug-Tempo tut, so sehr fordert sie ihren Piloten in den enduristischen Kerndisziplinen. Denn je langsamer der Trail, desto gewichtiger fühlt sich die Front an. Dann erfordert es viel Konzentration, das Vorderrad gezielt über Felsbrocken oder Steinstufen zu heben. Ein Gefühl der Unsicherheit, das sich trotz auffallend harter Federungsabstimmung der Marzocchi-Gabel bergab noch verstärkt. Am Gesamtgewicht (Werksangabe: 111 Kilogramm trocken) oder der statischen Gewichtsverteilung kanns nicht liegen. Bleibt nur, die Ursache im Einfluss des ungewöhnlich stark nach vorn gekippten Zylinders zu suchen. Nicht von ungefähr versucht die Konkurrenz seit Jahren das Handling mit minimalen Änderungen der Zylinderneigung zu beeinflussen bei nahezu senkrechter Einbauposition. Immerhin: Auf griffigem Boden noch dazu ohne Anlieger verbeißt sich das Vorderrad regelrecht in den Untergrund. Wenig hilfreich ist die straffe Tellerfeder der seilzugbetätigten Kupplung, die auf Dauer die Kraft zweier Finger am Handhebel fordert.
Die Hinterhand hat es ebenfalls nicht leicht, die selbst gesetzten hohen Erwartungen zu erfüllen. Zwar arbeitet der Öhlins-Monoshock, der die im Vergleich zur Konkurrenz um 30 Millimeter längere Schwinge ohne Umlenkung abstützt, sensibel und schluckt kleine Kanten sauber weg. In Sachen Traktion bleibt das Heck aber auf dem Niveau konventioneller Systeme. Nicht schlechter, aber eben auch nicht besser. Was bleibt vom ersten Eindruck? Dass die G 450 X die Grenzen im Endurosport nicht neu definiert. Punkt. Stattdessen fordert das innovative Konzept vom Fahrer zumindest eine Phase der Gewöhnung. Ob sie danach konventioneller Technik ebenbürtig oder gar überlegen sein wird, kann erst ein direkter Vergleich zeigen. Darauf wartet die Offroad-Szene bis zur Markteinführung der BMW im September übrigens genauso wie auf deren bis dato nicht festgelegten Preis.
Alles schon mal dagewesen
Schwingenlänge und Kettenzug beeinflussen maßgeblich die Traktion und das Verhalten der Hinterradfederung. Dabei gilt: Je länger die Schwinge, desto mehr Traktion, je geringer die Änderung des Kettenzugs im Lauf der Federbewegung, desto unbelasteter, sprich sensibler kann die Federung arbeiten. Schon früh versuchten deshalb findige Köpfe durch die koaxiale Auslegung von Schwingen- und Ritzeldrehpunkt dem Ideal nahe zu kommen.
Bei der bloßen Verringerung des Einflusses des Kettenzugs beließ es im Jahr 1976 Offroad-Edel-Tuner Fritz Kramer in den nach ihm benannten Kramer-Maico. Ein Doppelritzel auf der Schwingenachse, das dem eigentlichen Sekundärantrieb einen zweiten, kurzen Kettentrieb vorschaltete, ermöglichte eine konstante Kettenspannung über den gesamten Arbeitsweg der Hinterradschwinge. Nach mäßigen Resultaten wurde die Konstruktion nach wenigen Einsätzen wieder verworfen.Ein Jahr später, 1977, verlängerten italienische Tüftler bei einem 125er-Crosser die Schwinge und legten deren Drehpunkt mittels eines Hilfsrahmens auf Höhe der Getriebeabtriebswelle. Die so genannte Wafner 125 blieb ein Einzelstück.Erstmals in Serie ging ein derartiges Konzept in einer Straßenmaschine, der ebenfalls 1977 vorgestellten Bimota SB2. Nach wenigen Jahren verschwand die sehr breit bauende Rahmenkonstruktion allerdings wieder in der Versenkung.
Technische Daten
Motor
Wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile, Tassenstößel und Schlepphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 280 W, Batterie 12 V/7 Ah, mecha-nisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Kette.
Bohrung x Hub 98,0 x 59,6 mm
Hubraum 450 cm³
Verdichtungsverhältnis 12,0:1Nennleistung
30,0 kW (41 PS) bei 7000/min
Max. Drehmoment
43 Nm bei 6500/min
Fahrwerk
Brückenrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 45 mm, verstellbare Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Scheibenbremse vorn, Ø 260 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel.
Speichenräder mit Alu-Felgen
1.60 x 21; 2.15 x 18
Reifen 90/90-21; 140/80-18
Maße+Gewichte
Radstand 1475 mm, Lenkkopfwinkel 61,8 Grad, Nachlauf 119 mm, Federweg v/h 300/320 mm, Sitzhöhe 955 mm, Trockengewicht 111 kg, zulässiges Gesamtgewicht 280 kg, Tankinhalt 8 Liter.Gewährleistungzwei Jahre
Farbe Weiß
Preisk. A.