Fahrbericht KTM 790 Adventure und 790 Adventure R (2019)

Fahrbericht KTM 790 Adventure/R (2019) Ready to race – was auch sonst

Mit 790 Adventure und 790 Adventure R bringt KTM gleich zwei neue Mittelklasse-Enduro-Modelle an den Start. Wir konnten beide in Marokko bereits fahren.

Ready to race – was auch sonst KTM
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Ihr stärkstes Argument bringt die 790 Adventure auf der Waage vor: 209 Kilogramm vollgetankt. Die Faktentreue der österreichischen Ingenieure vorausgesetzt unterbietet die Österreicherin mit diesem Wert die Konkurrenz im Segment der Mittelklasse-Reiseenduros um die BMW F 850 GS und Co. um mindestens 25 Kilogramm.

Mehr Druck in der Mitte

Kein Zweifel, KTM meint es mit der neuen 790 Adventure ernst. Ready to race. Ihren Schatten wirft die Adventure bereits seit einem Jahr voraus. Denn mit der 790 Duke mischten die KTM-Modellplaner bereits vergangene Saison die Midsize-Nakeds erfolgreich auf.

KTM
Technisch basiert die Adventure auf der KTM 790 Duke.

Die kleine Nackte avancierte in Deutschland auf Anhieb zur bestverkauften KTM. Die Duke liefert auch die technische Basis der Adventure. Der Rahmen der unterscheidet sich lediglich durch einen flacheren Lenkwinkel (64 statt 66 Grad) vom Duke-Pendant, die Schwinge wurde unverändert übernommen. Auch der Reihentwin stammt aus der Duke. Geänderte Steuerzeiten, längere Ansaugschnorchel und angepasstes Mapping justieren den Zwilling für mehr Druck im unteren und mittleren Drehzahlbereich nach. Das maximale Drehmoment soll 1.000 Umdrehungen früher, also bei 6.900/min statt 7.900/min anliegen. Dafür wurden zehn PS Spitzenleistung geopfert. Statt 105 PS in der Duke leistet der Zweizylinder in der Adventure nur 95 PS. Das ist klassenüblich und zudem die Voraussetzung für die leistungsbeschränkte 48-PS-Version für Einsteiger mit A2-Führerschein.

Niedrige Sitzhöhe, spritziger Twin

Zündschlüssel umgedreht, Knöpfchen gedrückt und sofort brabbelt der Twin los. Statt der bei den aktuellen Reihentwins üblichen 90 Grad beträgt der Hubzapfenversatz der Kurbelwelle lediglich 75 Grad. Gerade mal 83 Zentimeter hoch sitzt der Fahrer auf der zweigeteilten Sitzbank der Standard-Adventure. Im Reiseenduro-Segment residiert man nur auf einer Ducati Multistrada noch niedriger.

Peter Mayer
Die neue 790 Adventure vermittelt ein gewisses Rallye-Feeling.

Und der Komfort? Kein Sofa à la Honda Africa Twin, aber akzeptabel. Hypnotisierend lenkt das Ensemble aus Windschild, Armaturen, Lenker und Tank die Gedankenwelt um, vermittelt unweigerlich Rallye-Feeling. Durchaus im positiven Sinn. Der wenig gekröpfte, sechsfach verstellbare Lenker liegt gut zur Hand, die servounterstützte Kupplung lässt sich federleicht ziehen, die dünnen Griffgummis vermitteln ein sensibles Griffgefühl. Und es sitzt sich mehr auf als im Motorrad. Beschaulich reisen? Könnte man. Will man aber nicht. Denn trotz der zahmeren Steuerzeiten bleibt der Motor betont spritzig, reizt, das E-Gas zu spannen. Auch weil er beim Dahinbummeln unterhalb von 3.000/min hippelig ruckelt. Also Gas und mit dem formidablen Quickshifter (Aufpreis: 389 Euro) nahtlos die Gänge durchgesteppt. Dann lebt die 790er auf.

Praxisnahe Fahrwerksabstimmung

Ist sie in der Drehzahlmitte wirklich stärker als die Duke? Ohne direkten Vergleich fällt die Antwort schwer. Doch Druck hat man bereits bei der Duke nie vermisst. Je nach Gusto lässt sich die Gasannahme in den vier Fahrmodi von betont sanft bis radikal justieren. Die Abstimmung des Kurven-ABS und der schräglagenabhängigen Traktionskontrolle ist in den diversen Modi ohnehin hinterlegt.

KTM
Die Sitzbank der Adventure ist einstellbar.

Und das Fahrwerk? Die nicht einstellbare Gabel spricht ordentlich an und ist praxisnah abgestimmt. Gut. Hinten agiert der lediglich in der Federbasis justierbare Monoshock eher sportlich. Mit straffer Feder und relativ weicher Dämpfung steckt das direkt angelenkte Federbein grobe Huckel gut weg, spricht auf feine Wellen oder Asphaltflicken aber etwas bockig an. Unterm Strich geht der Komfort dennoch in Ordnung. In der tiefen der beiden Sitzbankeinstellungen gerät der Kniewinkel etwas eng. Schnell ist der Sitz um zwei Zentimeter höher (Sitzhöhe dann 850 mm) eingeklickt. Der Unterschied ist deutlich spürbar. Allerdings auch beim Windschutz. Selbst mit dem Windschild (höhenverstellbar um 40 mm) in der höchsten Position liegt der Kopf bei Fahrern über 1,80 Meter voll im Windstrom. Eine höhere Scheibe gibt es zumindest im Powerparts-Programm von KTM nicht.

Neutral und stabil

In Wechselkurven trumpft die 790er mit ihrem relativen Fliegengewicht auf, kippt mühelos in Schräglage, lenkt mit dem schmalen Vorderreifen (90/90-21) neutral und zieht – wohl nicht zuletzt wegen des abgeflachten Lenkkopfwinkels – stabil ihre Linie.

KTM
Die Adventure ist ab 12.399 Euro zu haben.

Wie sich die Neue zu zweit, mit Koffern und letztlich auch im anspruchsvollen europäischen Kurvengeschlängel fährt, das ließ sich bei der Präsentation auf den rutschigen und meist bolzgeraden Straßen in Marokko nicht verifizieren. Die Anlagen für einen guten Einstand im hochkompetitiven Segment der Mittelklasse-Reiseenduros besitzt die schlanke 790er zweifellos. Einen attraktiven und marktgerechten Preis von 12.399 Euro (plus Nebenkosten) auch.

Die R-Version kann auch grobes Gelände

Für Weltenbummler, Extremreisende oder einfach diejenigen, die es mit den Offroad-Abstechern ernst meinen, stellt KTM mit der Adventure R dem Basis-Modell eine Hardcore-Variante zur Seite. Die Unterschiede: Höherwertige, in Zug- und Druckdämpfung einstellbare Federelemente mit 240 statt 200 Millimetern Federweg. Um vier Zentimeter erhöhte Bodenfreiheit, einteilige Sitzbank (Sitzhöhe 880 mm), an der Gabelbrücke montierter Frontkotflügel, niedriges Windschild und grobstollige Reifen (Metzeler Karoo3). Der Aufpreis: 1.000 Euro (13.399 Euro).

Peter Mayer
Die neuen 790er Enduros überzeugen beim Erstkontakt.

Der erste Eindruck: Beim Ansprechverhalten und den Reserven trennen die ebenfalls von der Konzerntochter WP Suspension gelieferte Federung Welten von der Standard-Adventure. Gemeinsam mit den groben Reifen verwandeln sie die 790er in einen veritablen Power-Buschläufer. Selbst übelstes Terrain steckt das Fahrwerk lässig weg und bietet die wohl klassenbesten Durchschlagreserven. Auf der Straße fühlt sich diese Abstimmung zwar straff, aber immer noch ausreichend komfortabel an. Der quirlige Motor brilliert auch abseits der Straße. Powerdrifts lassen sich – auch dank der in 9 Stufen fein justierbaren Traktionskontrolle – bestens kontrollieren. Bei so viel Offroad-Potenzial des R-Modells wird es umso interessanter, wie sich die Adventure-Fans letztlich entscheiden. In Mattighofen werden ein Drittel aller 790 Adventure als R-Modell vom Band rollen.

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