Okay, effektheischendes Muskelspiel und gehörschädigendes Auspuffgetöse sind ihre Sache nicht. Aber mal ehrlich, wer auf Armelangziehen und Wheelie-Überschläge steht und auf der Suche nach einer schweißtreibenden Sparringspartnerin ist, wird sich ohnehin woanders umsehen. Schließlich haben andere Mütter auch schöne Töchter mit mehr Hubraum, mehr Leistung und mehr Gewicht.
Und dabei würden bereits ein paar Stunden im schmalen Sattel der DR-Z 400 S genügen, um so manchen Power-Freak zu bekehren. Denn die kleine Suzi macht (fast) alles mit. Egal, ob auf der mit tückischen Wellen und fiesen Vulkansteinen gespickten schnellen Schotterpiste oder beim Sandsurfen am menschenleeren Strand Schwester S ist für jeden Spaß zu haben. Grenzen setzen hier nur die staßentauglichen, schwach profilierten Reifen. Solange der Untergrund nicht allzu schlüpfrig ist, geht es trotz dieses kleinen Handicaps unglaublich zügig voran.
Tempomachen: Die Aufgabe des wassergekühlten, nominell 42 PS starken High-Tech-400ers, der seine Leistung spontan, gleichmäßig und, dank Ausgleichswelle, vibrationsarm abgibt. Im wesentlichen unterscheidet sich die Alltagsvariante vom fast 50 PS scharfen Treibsatz des Wettbewerbsmodells DR-Z durch den kleineren 36er-Gleichdruck-, statt des 39er-Schiebervergasers, durch die etwas geringere Verdichtung sowie eine üppigere Schalldämpfung und ein Sekundärluftsystem.
Doch Obacht, Schwester S ist im Gegensatz zum bösen gelben Bruder - eine Freundin der leisen Töne. Es ist wie im richtigen Leben: bisweilen wird ihr Bewegungstalent und ihre Dynamik unterschätzt, nur weil sie sich lieber dezent äußert, statt ohrenbetäubend zu trompeten.
Weitgehend auf stressfreies Easy-Riding ist auch das feinfühlige Fahrwerk programmiert. Die konventionelle 49er-Showa-Gabel und das Federbein, jeweils in Druckstufe und Federbasis einstellbar, erweisen sich als guter Kompromiss zwischen sensiblem Ansprechverhalten im Gelände und angemessener Straffheit für den flotten Straßenbetrieb. Das bedeutet präzise Rückmeldung trotz üppiger Reserven. Selbst nach enduromäßigen Sprüngen bleibt unsanfte Bekanntschaft mit den Anschlagpuffern aus. Doch der nächste Anlieger kommt schneller als gedacht und, uuups rutscht das Vorderrad nach dem Einlenken geradeaus. Zum Glück lassen sich die knapp drei Zentner des handlichen Spielmobils gut abfangen. Nächster Versuch: weiter auf den Tank rutschen und mehr Gas geben. Schon klappts besser.
Neben zügiger Fortbewegung gehört auch die langsame Gangart zum Repertoire der Suzuki. Egal, ob Trial-Einlagen auf glatten Küstenfelsen oder rauen Vulkansteinen, die schlanke Silhouette mit nur dezent abstehenden Kühlerhutzen und eng anliegendem Krümmer bietet ausreichend Bewegungsfreiheit. Allen kanns die S jedoch nicht recht machen: Wie so oft wünschen sich Menschen über 1,80 Meter eine höhere Lenkeraufnahme, um bequemer in den Rasten stehen zu können, Kurzbeinige begehren etwas weniger Sitzhöhe. Auch sollte Suzuki der S den Motorschutz der Sportversion spendieren - Rahmenunterzüge und Wasserpumpe werden es danken. Schließlich könnte der erste Gang für knifflige Passagen kürzer übersetzt sein, zumal der Motor bei ganz niedrigen Drehzahlen zum Absterben neigt. Also immer zwei Finger an der leichtgängigen Kupplung halten.
Irgendwann dokumentiert der einsetzende Kühlerventilator, das dem Vierventiler langsam heiß wird und gibt summend das Zeichen zum Aufbruch. Kein Grund zur Trauer, gibt sich die Allrounderin doch auf dem Asphalt-Parkett keine Blöße. Unter der Devise »Je enger je lieber« gehts durch das Kurvengewürm der kanarischen Vulkaninsel. Hier haben die gut 40 PS mit knappen drei Zentnern Enduro leichtes Spiel. Da wollen die Reifen kein Spielverderber sein und bieten ausreichend Grip, so dass der beherzte Treiber derart zügig durchs Geschlängel wieselt, dass dem Verfolger auf einem fast doppelt so starken Vierzylinder-Mittelklässler die Kinnlade runterklappt.
Unterstützt werden Straßenabenteurer vom sauber schaltbaren Fünfganggetriebe und den gut dosierbaren Bremsen, die sowohl vorn als auch hinten exakt und ausreichend wirksam agieren.
Überhaupt gerät der Umgang mit der elektrostartenden Suzi rundum alltags- und benutzerfreundlich. Ein mechanisch angetriebener, aber digital anzeigender Multifunktions-Tacho mit zwei Tageskilometerzählern, Zeit- und Stoppuhr, Werkzeugtasche auf dem hinteren Kotflügel sowie abnehmbare Gummis auf den Krallenfußrasten und klappbare Schalt- und Fußbremshebel runden die komplette Austattung ab. Leider muß die S ohne Schmiernippel an der Leichtmetallschwinge und den Umlenkhebeln auskommen. Zum Ausgleich darf beim Parken mit dem hakeligen, old-fashioned Lenkerschloß gefummelt werden.
Was solls, die konsequent wirkende Schwester S hat, wie weiland ihre Vorgängerin DR 350 S, das Zeug, fürs »Weniger ist mehr« zu begeistern obwohl es für 11990 Mark hubraumstärkere Alternativen gibt.
Kurztest Sport-Enduro Suzuki DR-Z 400
Kurztest Sport-Enduro Suzuki DR-Z 400
Nachdem die reinrassige Sportlerin ihre Talente bereits im Fahrbericht (MOTORRAD 25/99) zeigen durfte, kam jetzt die Stunde der Wahrheit auf Waage und Prüfstand. Mit 128 Kilo vollgetankt und einer Spitzenleistung von gut 47 PS verfehlt sie die Papierform zwar knapp, liegt aber trotzdem im Klassendurchschnitt. Im Gewicht ist bereits der Straßenkit bestehend aus Lampenmaske, hinterem Schutzblech, Lenkerarmaturen sowie beleuchtetem Digtaltacho enthalten. In punkto Geräuschentwicklung trägt die Gelbe die rote Laterne - nervig laut brüllt es aus dem Dämpfer. Durchaus gelungen ist hingegen die bärige Leistungscharakteristik der gegenüber der Konkurrenz - etwas langhubiger ausgelegten DR-Z. Vor allem der satte, stets kontrollierbare Leistungsanstieg im mittleren Drehzahlbereich sorgt für Begeisterung und tröstet darüber hinweg, dass die Spontanität des Vierventilers obenraus etwas nachläßt.Als fast schon zu agil erweist sich die Fahrwerksauslegung der Newcomerin. Speziell die komfortable Frontpartie wirkt nervös. Tendiert die kompakte Suzi beim Bremsen auf weichem Boden zu leichtem Untersteuern, muss der Pilot beim Tempomachen auf ausgewaschenen Pisten mit gelegentlichem Lenkerschlagen rechnen. Mit abgesenkter Gabel und veränderter Dämpfereinstellung kehrt aber wieder Ruhe ein.