Fahrbericht Yamaha WR 400 F

Fahrbericht Yamaha WR 400 F Leicht und cross

Mit der vom neuen Moto Cross-Modell YZ 400 F abgeleiteten WR 400 F will Yamaha den Endurosport revolutionieren. MOTORRAD konnte in den USA erste Fahreindrücke sammeln.

Alle fünfhundert Kilometer das Spiel der fünf Ventile überprüfen und das Motoröl wechseln. Yamahas Botschaft an künftige WR 400 F-Kunden ist eindeutig: kein Gerät für sorglose Feierabend-Enduristen, sondern was für Profis. Ein reinrassiges Wettbewerbsgerät eben, mit einem schmalen, filigranen Hochleistungsviertakter im kompakten Fahrwerk, das auf dem des Zweitakt-Crossers YZ 250 R basiert. Im harten Sporteinsatz bedarf ein solches Triebwerk penibler Wartung, um perfekt zu funktionieren.
Die wichtigsten Unterschiede zum Crosser YZ 400 F, der bereits in den nächten Tagen bei den Händlern stehen soll: eine Lichtanlage mit einer 70 Watt leistenden Lichtmaschine, der größere, zwölf Liter fassende Kunststofftank mit dazu passender Sitzbank, 18- statt 19-Zoll-Hinterrad, der am Hauptrahmen befestige Seitenständer und eine weichere Abstimmung der voll einstellbaren Federelemente.
Einen Teil seiner Leistung büßt der hochdrehende Fünfventiler zugunsten der FIM-Enduro-Geräuschregelements ein. Statt 98 wie beim Moto Cross sind maximal 94 dB (A) erlaubt. Mit geänderten Nockenwellen, einem leistungsstärkeren, größeren Kühler, einer anderen CDI-Einheit und einem Endschalldämpfer aus Stahl statt Aluminium soll das kompakte und leichte WR-Triebwerk aber immer noch satte 45 PS leisten. Für den Enduristen wichtig: Die Leistung setzt im mittleren Drehzahlbereich weicher und nicht so brachial ein wie bei der 55 PS starken YZ 400 F, was auf technisch anspruchsvollen Strecken sicherlich von Vorteil ist. Geändert wurde auch das Getriebe. Die ersten beiden Gänge fallen kürzer, der vierte und fünfte Gang länger aus als bei der Cross-Variante. Mit ebenfalls längerer Endübersetzung soll die WR 400 F bis zu 150 km/h schnell sein.
Um die Straßenzulassung zu erlangen, muß die Wettbewerbs-Enduro nochmals etwas Federn lassen. Zwar sind die Homologationsarbeiten noch nicht ganz abgeschlossen, doch eines ist sicher: Knapp über 40 PS wird die WR 400 F laut Yamaha in der per Einzelabnahme straßenzulassungsfähigen Version leisten. Auf eine extrem zugestopfte 17-PS-Version, wie man sie von einigen anderen Herstellern reinrassiger Enduros kennt, will sich Yamaha nicht einlassen.
Genug der Vorrede. Startvorbereitungen für den ersten Proberitt: Choke ziehen, Kickstarter ausklappen, Ventilausheber betätigen, um mit dem Kickstarter den Kolben gegen die hohe Verdichtung von 12,5 über den oberen Totpunkt zu hieven. Und, ganz wichtig: Finger weg vom Gas. Eine unvorsichtige Handbewegung hat nämlich katastrophale Folgen. Die Beschleunigerpumpe am Vergaser spritzt zusätzlich soviel Kraftstoff ein, daß der Motor unweigerlich absäuft. Da hilft dann nur noch der Ausbau der Zündkerze, wozu allerdings erst der Tank demontiert werden muß. Hält man sich an die Spielregeln der Startzeremonie, springt die WR 400 F stets auf den ersten beherzten Tritt an. Der Einzylinder grummelt dumpf vor sich hin, faucht bei jedem Gastoß blitzschnell auf.
In heißem Betriebszustand hilft ein zusätzlicher Heißstartknopf am Vergaser, der eine Bypass-Leitung freimacht. Dadurch gelangt kühle Luft direkt in den Anssaugtrakt, was das Starten des Fünfventilers erleichtert. Und der geht in der Hektik sportlicher Fahrweise gelegentlich schon mal aus. Etwa wenn die WR vor einer Spitzkehre mit dem hinteren Stopper heftig runtergebremst wird und die geringen Schwungmassen nicht ausreichen, den Motor am Leben zu halten. Dann ist schlagartig Ruhe.
Damit sind die unangehmen Seiten der WR 400 F bereits aufgezählt. Der ultra kurzhubige Einzylinder nämlich ist an Drehfreude – sie hält bis zum Einsetzen des Drehzahlbegrenzers bei 11500/min an – und an spontaner Gasanahme kaum mehr zu überbieten. Getoppt allerhöchsten vom noch aggressiveren Antritt des Cross-Motors der YZ 400 F, der im mittleren Drehzahlbereich ungeheuer zupackt. Im Gegenzug verwöhnt die WR mit weichem Leistungseinsatz und einem breiten, nutzbaren Leistungsband, was den ein oder anderen Gangwechsel erübrigt. Apropos Gangwechsel. Diese gehen einem selbst unter Last so leicht von der Fußspitze, daß man geneigt ist, nur noch beim Anfahren die nicht ganz leichtgängige Kupplung zu betätigen.
Fahrwerksseitig ist die WR 400 F nicht minder agil wie ihr Motor. Auf der schmalen Sitzbank kann der Fahrer ungehindert in engen Kurven und Anliegern weit nach vorn rücken oder sich auf welligen Passagen ganz nach hinten strecken. Die WR läßt sich narrensicher und zielgenau lenken oder einfach mit dem Gasgriff steuern. Kein auskeilendes Heck beim Beschleunigen, keine unkontrolliert steigende Frontpartie, kein Gezappel oder Lenkerschlagen auf Waschbrettpisten. Wie ein Luftkissenboot schwebt die WR 400 F mit ihren knapp 130 Kilogramm Lebendgewicht über schweres Gelände. Auch ein Verdienst der weich abgestimmten Federelemente, die für einen 75 Kilogramm schweren Fahrer keine Wünsche offen lassen und selbst bei Gewaltsprüngen und plötzlich auftauchenden Schläglöchern nicht gnadenlos in die Knie gehen.
Ein schwerlich überwindbares Hindernis stellt sich Yamaha jedoch selbst in den Weg: Zur Zeit kann die WR 400 F nicht in großen Stückzahlen angeboten werden. Ein Desaster angesichts der großen Nachfrage. Yamaha begründet diesen Engpaß mit mangelnde Produktionskapazititäten. Die erste Lieferung, die Ende März ausschließlich bei Yamaha-Cross-Stützpunkten zu haben sein wird, ist bereits verkauft. Mehr Glück könnten WR-Fans bei der zweiten Lieferung haben – mir der ist aber voraussichtlich erst im Juni zu rechnen.

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