Leicht und handlich soll sie sein, die kleine Enduro, geländegängig und straßenflitzrig - dann machts wirklich Sinn.
Leicht und handlich soll sie sein, die kleine Enduro, geländegängig und straßenflitzrig - dann machts wirklich Sinn.
Die DR 350 hatte ziemlich leichtes Spiel: Seit ihrem Erscheinen 1990 lederte sie ihre geländegängigen Konkurrentinnen in den verschiedenen Vergleichstests einfach ab. Die ausschlaggebenden Gründe: Der Motor ist ebenso kräftig wie laufruhig, und das spurstabile Fahrwerk mit seinen guten Bremsen macht auf engen Landstraßen manch großkalibriger Maschine das Leben zur Hölle. Vor allem aber bietet die DR 350 eine sehr gute Geländetauglichkeit - bei modernen Enduros nicht immer eine Selbstverständlichkeit.
Für 6900 Mark bot die DR 350 S, wie die erste Variante noch hieß, eine ganze Menge Technik fürs Geld. Die Telegabel protzte mit vergleichsweise dicken 43-Millimeter-Standrohren, Druckstufenverstellung und stufenlos einstellbarer Federvorspannung. An der Schwinge wurde es dann so richtig neumodisch: Um Gewicht zu sparen, ohne Einbußen an der Stabilität zu erleiden, wendete Suzuki ein neues Verfahren an. Die beiden geschmiedeten, innen offenen Schwingarme waren mit dem Leichtmetallgußteil der Schwingenlagerung nämlich mittels eines Epoxyd-Klebstoffs miteinander verbunden - und vorsichtshalber zusätzlich noch verschraubt. Die Druckstufendämpfung am Zentralfederbein ließ sich komfortabel am Ausgleichsreservoir verstellen, der Dämpfer verfügte über ein getrenntes System von Öl und Stickstoff.
Das niedrige Gewicht von 141 Kilogramm und die perfekte Sitzposition erlaubten mit der DR 350 Gelände-Einlagen, wie sie sonst eigentlich nur mit reinrassigen Crossern möglich sind. Allerdings blieb dieser Spaß zunächst kleinwüchsigen Menschen wegen der gewaltigen Sitzhöhe von 910 Millimetern verwehrt. Das änderte sich 1992 mit der Einführung der DR 350 SH (»Seat Height«), die die DR 350 S ablöste. Mittels eines Stellrads am linken Lenkerende ließ sich die Sitzhöhe von nunmehr 890 auf für eine Enduro kommode 850 Millimeter absenken. Brachte man im Erdgeschoß das Stellrad in die Position »High«, pumpten sich die Federelemente durch das Ein- und Ausfedern beim Fahren wieder selbsttätig in den ersten Stock hoch. Übrigens eine Aktion, die vor dem Abstellen auf den kurzen Seitenständer durchaus empfehlenswert ist, da die DR in der abgesenkten Stellung fatalerweise zum Umkippen neigt.
Als technisches Schmankerl hatte die DR 350 SH sogar eine Upside-down-Gabel zu bieten.1994 bot Suzuki die DR 350 noch wahlweise mit E-Starter an - der Typenzusatz lautete jetzt »SE« -, ab 1995 war es mit der Wahlmöglichkeit vorbei, fortan wurde nur noch per Knopfdruck gestartet.
Puristen trauern dem Wegfall des Kickstarters zwar nach, schließlich springt die DR im täglichen Betrieb auf den ersten Kick an, doch Tatsache ist: Nach einer Woche Standzeit ist Hängen im Schacht, von Startwilligkeit keine Spur - hier ist also der E-Starter eindeutig eine Lebenshilfe. Um übrigens diese nervenzermürbende Trampelei von vornherein zu unterbinden, hat es sich bewährt, den Sprithahn bereits kurz vor Erreichen der heimischen Garage zu schließen, denn Schuld am schlechten Startverhalten ist meist abgestandener, quasi »schaler« Sprit. Und wenn man das mal vergessen haben sollte, kann man vor dem Starten immer noch die Schwimmerkammer über die Ablaßschraube leeren - der Inhalt kann dann gleich wieder in den Tank.
Stichwort Tank: Das serienmäßige Neun-Liter-Fingerhütchen ist zwar niedlich anzusehen, taugt aber nicht unbedingt zum Herausfahren eines guten Schnitts, da bei einem Durchschnittsverbrauch von 5,8 Litern bereits nach 150 Kilometern das große Zittern beginnt - kommt sie, oder kommt sie nicht, die nächste Tankstelle? Hier empfiehlt sich die Montage eines Tanks aus dem Zubehör, der von Acerbis (bei Götz, Telefon 0 74 76/93 31 50) erhöht mit seinem Volumen von 15,5 Litern nicht nur deutlich die Reichweite, sondern verbessert durch seine Form auch noch den Knieschluß.
Allerdings wird der Reisende trotz des größeren Tanks immer noch häufig eine kleine Pause einlegen müssen, denn die Sitzpolsterung ist spartanisch hart ausgefallen. Und Reisepläne zu zweit auf der DR 350 sollte man besser gleich wieder vergessen, denn durch die deutlich zu kurze Bank will keine Freude aufkommen.
Die kommt dagegen bei der Zuverlässigkeit des kleinen Triebwerks auf, denn mechanische Schwächen des drehfreudigen Viertakters sind nicht bekannt, er gilt im allgemeinen als standfest - da sind sich Besitzer und Werkstätten einig. Allerdings war auffällig, daß es unter den Leser-Zuschriften auch keine Kilometer-Reißer gab, die höchsten Laufleistungen bewegten sich um die 30 000 Kilometer - die DR 350 ist eben doch kein reinrassiger Reisetourer.
Die Oberflächengüte hingegen kann nicht unbedingt als widerstandsfähig bezeichnet werden, vor allem die unteren Kanten des Tanks, die Schweißnähte des Rahmens und der Auspuff zeigen sich Rostbildung gegenüber nur allzu aufgeschlossen. Leser Christian Rieger aus Bietigheim formulierte diesen Sachverhalt sehr malerisch: »Der Auspuff ändert mit jedem feuchten Tag seine Farbe.« Dieses Übel ist übrigens hoffentlich seit dem Modelljahrgang 1996 aus der Welt, da der Auspuff seitdem aus Edelstahl gefertigt wird.
Ein erstaunliches Phänomen an der DR 350 S und SH sind Kickstarter, die sich während der Fahrt ohne Ankündigung verflüchtigen - Schuld ist die Halteschraube, die sich gern löst. Wer sich die überflüssige Ausgabe von rund 200 Mark sparen möchte, sollte sich gelegentlich vom festen Sitz dieser Schraube überzeugen, oder noch besser, die Schraube gleich mit Loctite sichern.
Ein ähnliches Problem findet sich im Inneren des Motors, denn die Schraube des Schaltarm-Anschlags hat ebenfalls die unheilvolle Neigung, sich zu lösen und im schlimmsten Fall ihren zerstörerischen Weg durch das Getriebe anzutreten - und eine Schraube zwischen den Getrieberädern hört sich gar nicht gut an. Wenn also die Schaltung hakelig wird oder auf einmal die Gänge herausspringen, ist das ein Alarmzeichen. Kontrolliert wird folgendermaßen: Motorrad auf die linke Seite legen, rechten Gehäusedeckel demontieren - besagter Bolzen sitzt unten links über dem Schaltwellenende.
Das Angebot an gebrauchten DR 350 ist nicht gewaltig, aber immerhin: Von der S-Version verkaufte Suzuki 1700, von der SH zirka 3500 und von der SE ungefähr 1400 Stück - macht in Summe rund 6700 DR 350. Die DR 350 S kostet, je nach Zustand und Laufleistung, dabei noch zwischen 3500 und 4500 Mark, die jüngere SH ist rund einen Tausender teurer.
Ein letztes Wort noch für Leistungsfetischisten: Alle DR 350-Varianten lassen sich zwar recht einfach durch Austausch des Vergaserdeckels und legal (Suzuki-Gutachten TÜH 1) auf nominell 30 PS entfesseln. Doch diese Ausgabe ist in den meisten Fällen überflüssig, da schon die angeblich 27 PS starke Version 29 Pferdchen bereithält, die offene Version dagegen mit tatsächlich 30 PS sehr wahrheitsliebend ist.