Knorrig stehen ungeschälte Korkeichen und uralte Olivenbäume an der Straße, die Felsen leuchten ockergelb, kreidebleich bis rostrot. Auf ihnen stehen Pinien wie große, grüne, aufgespannte Schirme. Azurblau strahlt das Meer, schneeweiße Segelboote kreisen darauf. Südfrankreich kann eine Etappe sein auf dem Weg zur Fähre, weiter nach Afrika. Doch für uns ist die Provence bereits das Ziel der Reise, irgendwo zwischen Marseille und Toulon. Hierhin locken kleine, kurvenreiche Sträßchen mit wenig Verkehr, aber griffigem Asphalt. Ein begnadetes Fleckchen Erde ist das. Der Gott der Motorradfahrer muss hier mal gewohnt haben.
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Honda Africa Twin, KTM 1050 Adventure und Suzuki V-Strom 1000
1000er-Reiseenduros im Vergleichstest
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Ob er von oben die leuchtend rote Honda Africa Twin sieht, auf die so viele Jünger sehnsüchtig gewartet haben? Endlich wieder eine richtige Enduro von Honda, mit großem Abenteuer-Nimbus, aber nicht zu viel Gewicht. Ein Funke, der viel Leidenschaft entfacht. Lange Federwege, schmale Speichenräder, 21 und 18 Zoll im Durchmesser, sowie stabiler Alu-Motorschutz befeuern die Sehnsucht. Da wollen die bewährten Konkurrenten KTM 1050 Adventure und Suzuki V-Strom 1000 gar nicht dagegenhalten. Sie rangieren mit Gussrädern, vorne 19-, hinten 17-zöllig, zwischen Reiseenduro und Endurotourer. Während die Honda einen Reihen-Twin auffährt, befeuern KTM und Suzuki zwei unterschiedliche V2-Motoren.
In Sachen Hubraum und Leistung nah beieinander
Bei Hubraum und Leistung kommen sich die drei Modelle Honda Africa Twin, KTM 1050 Adventure und Suzuki V-Strom 1000 sehr nah: 998 cm³ und 95 PS Nennleistung fährt die nagelneue Honda auf. KTM und Suzuki schenken den Liter Hubraum großzügig aus mit 1050 und 1037 Kubik sowie offiziell 95 bzw. 100 PS.
In MOTORRAD 6/2016 musste sich die Honda Africa Twin mit den potenziellen Geländegängern BMW F 800 GS, Triumph Tiger 800 XC & Co messen. Aber jetzt heißt es erst einmal tief durchatmen auf der ersten größeren Tour des Jahres. Bilderbuch-Landschaften ziehen an uns vorbei. Das ist dein eigener Film! Würzig duftet die Luft nach wildem Thymian, Rosmarin und Oregano. Frühling.
Das sanfte Pulsieren des Honda-Motors hat gute Gründe
Unter dir pulst wohliger V2-Schlag aus dem Honda-Maschinenraum. Moment mal, das ist doch ein Reihenmotor?! Ja stimmt, aber in ihm flitzen die Kolben nicht parallel, sondern versetzt zwischen den oberen und den unteren Totpunkten hin und her. Dadurch imitieren sie mit ungleichmäßigen Zündabständen von erst 270 und dann 450 Grad Kurbelwellen-Winkel die asymmetrische Zündfolge eines 90-Grad-V2. So, wie die Suzuki V-Strom 1000 einen trägt. Technische Arithmetik: Alle drei Zweizylinder haben vier Zündkerzen, also Doppelzündung.
Doch während der echte V2 der Suzuki V-Strom 1000 dank guten Massenausgleichs ohne Ausgleichswelle auskommt, trägt der 75-Grad-V2 der KTM 1050 Adventure eine und Hondas unechter V2 gleich zwei davon – welche zudem noch Öl- und Wasserpumpe antreiben. Das sanfte Pulsieren des neuen, sehr kompakt bauenden Motors der Honda Africa Twin hat also gute Gründe. Seine einzelne obenliegende Unicam-Nockenwelle spart ebenso wie die Semi-Trockensumpfschmierung Bauhöhe, der Verzicht auf die V-Bauweise macht kürzer.
Suzuki V-Strom 1000 animiert nicht unbedingt zum Schnellfahren
Da steht die Suzuki V-Strom 1000 locker drüber. Sie offeriert kräftigstes Drehmoment von unten heraus, kommt bis 5000 Touren am besten aus den Puschen. 4000 Umdrehungen und der Tag ist dein Freund. Trotz größter Drehzahlreserven fühlt sich der einst für einen Supersportler kreierte Motor beim Ausdrehen ein wenig zäh an, lustlos. Die Suzuki animiert nicht unbedingt zum Schnellfahren. Kein Fehler. Sie stresst nicht, lässt ihren Fahrer in Ruhe. Läuft ab 2500 Touren selbst im sechsten Gang schön rund. Okay, jenseits der 6000er-Marke nehmen die Vibrationen deutlich zu. Doch dort oben hin verirrt man sich nur selten.
Noch geschmeidiger gibt sich die Honda Africa Twin, lässt sich früh ans Gas nehmen. Ein echter Wohlfühl-Motor. Elastisch, direkt und schön seidig-smooth folgt der Reihen-Twin mit den zwei separaten Wasserkühlern dem Öffnen und Schließen der konventionell mechanisch betätigten Drosselklappen. Nein, die Honda hat kein Ride-by-Wire. Nur die KTM 1050 Adventure öffnet riesige 52er-Ansaugschlünde (Honda: 44, Suzuki 45 Millimeter Durchmesser) komplett elektronisch. Auf doppelte Drosselklappen setzt die Suzuki V-Strom 1000 – eine betätigt der Fahrer, die zweite der Bordrechner. Diese Technik soll die Strömung unter allen Umständen optimieren. Allerdings reagiert die Reise-Suzi etwas indirekter auf Gasbefehle als die Honda und KTM.
Untypisch niedrige Verdichtung von zehn zu eins
Der Honda Africa Twin bringt der größte Hub (absolut und prozentual) theoretisch viel Kraft von unten. Tatsächlich bietet sie zwischen 3000 und 5000 Touren jedoch am wenigsten Punch, den lauesten Durchzug im lang übersetzten sechsten Gang. Tempo 100 bedeutet weniger als 4000 Umdrehungen. Heutzutage untypisch niedrige Verdichtung von nur zehn zu eins ist potenziell schlechter Spritqualität auf Fernreisen geschuldet.
Dies ist ein Trecker-Motor. Aber einer mit exzellenten Manieren. Wie der super kontrollierbaren, linearen Leistungsabgabe etwa. Motor an, Kopf frei. Feinen Twin-Klang gibt’s dazu: Nicht aufdringlich oder aggressiv zitiert er echten V2-Sound aus dem hochovalen Schalldämpfer mit drei Kammern und zwei unterschiedlich großen Austrittsöffnungen. Sie säuselt sich direkt ins Herz, die Honda Africa Twin. Sehen auch viele Bewunderer so: Bei jedem Stopp ist der bunte Vogel dicht umlagert. Rote Liebe!
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Auf den engen Landstraßen der Provence dreht man den Motor der KTM 1050 Adventure nie aus.
Darf man mal daran erinnern: Die epochemachende erste KTM LC8 Adventure hatte „nur“ knapp 950 Kubik und offiziell 98 PS. Also keine Bange: Trotz Downsizing ist der aus der 1190er entwickelte Motor der KTM 1050 Adventure ein feuriger V2. Unnachahmlich takten die dicksten Kolben des Trios, 103 Millimeter Bohrung, den kürzesten Hub auf die Kurbelwelle.
Sie verdichten das Gemisch am stärksten, auf heftige 13 zu eins. Der V2 wäre locker für 115 bis 120 PS gut. Doch dann fiele in Europa die Option für Fahranfänger mit Führerschein A2 weg, wie sie auch die Honda Africa Twin naturgemäß bietet.
In der KTM 1050 Adventure ist Peffer drin
Dem Entkorken auf volle Leistung oben heraus hat KTM einen dicken elektronischen Riegel vorgeschoben. Bei höherer Drehzahl öffnen die Drosselklappen einfach nicht mehr auf volle 90 Grad. Mindest-Drehzahl 3000 sollte in den oberen Gängen schon anliegen, sonst hackt es, peitscht die Antriebskette. Egal, denn mit der fetzigen Mitte ist die Kati ein echter Freudenspender. Da ist richtig Pfeffer drin! Heißspornen am Lenker gefällt eben selbst die kleine KTM 1050 Adventure.
Für ruhigere Naturelle wirkt der Raubauz fordernd. Er ist wie die Hütehunde der Ziegenhirten, will immer herumtoben, braucht viel Bewegung. Gleiche Nennleistung wie die Honda Africa Twin, aber komplett anders serviert. Auf den engen Landstraßen der Provence dreht man den Motor der KTM 1050 Adventure nie aus. Daher spürt man seine Kastration schon knapp unter 7000 Touren gar nicht. Lebendig wirkt der 75-Grad-V2 an, hämmert hart aus der Airbox, wummert kernig aus dem Auspuff.
Alle drei dienen mit Charme, Klang und Charakter
Pause am nächsten Straßencafé. Anti-Hopping-Kupplungen zum Beruhigen beim Runterschalten haben alle drei Kandidaten. Diejenigen der Honda Africa Twin wie auch der KTM 1050 Adventure lassen sich gut dosieren und leicht ziehen, bei der Africa Twin per Seilzug (mit nicht einstellbarem Handhebel!), an der Adventure hydraulisch. Merkwürdig trennt die hydraulische Kupplung der Suzuki V-Strom 1000. Sie braucht mehr Kraft, stellt erst auf dem letzten Millimeter Hebelweg Kraftschluss her und rückt fast digital ein – an oder aus. Bestmarken beim Getriebe setzt die Africa Twin, ihre Gänge klicken auf kurzen Wegen nur so rein. Noch mehr Schaltkomfort offeriert für 1120 Euro Aufpreis Hondas exklusives wie ausgeklügeltes Doppelkupplungsgetriebe.
Mit Charme, Klang und Charakter können alle drei Maschinen dienen. Nein, wir brauchen in zehn Jahren bestimmt keine Reiseenduros mit 1500 Kubik und 180 PS. Sind hier und heute den existierenden Honda Africa Twin, KTM 1050 Adventure und Suzuki V-Strom 1000 dankbar, uns an solch herrliche Plätze zu tragen.
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Bestmarken beim Getriebe setzt die Africa Twin, ihre Gänge klicken auf kurzen Wegen nur so rein.
Wir schrauben uns auf den Mont Caume hinauf, genießen tolle Fernsicht. Wie Spielzeugboote liegen dicke Pötte, große Fähren im Hafen von Toulon. Im Sattel dieser drei Maschinen fühlt man sich auf gute Weise entrückt, weit weg vom Stress daheim. Das gilt ganz besonders auf der Honda: Mit ihr verschmilzt der Fahrer regelrecht, fühlt sich von Anfang an zu Hause.
Man sitzt superlässig hinter dem hoch aufragenden und breiten Lenker. So vermittelt die Honda Africa Twin ein eingebautes Gefühl der Souveränität. Das macht an.
Klasse Ergonomie und kleiner Wendekreis
Kleinen wie großen Fahrern passt die tolle Ergonomie, als hätte Honda bei dir persönlich Maß genommen. Allen gefällt das Sitzen auf der dreifarbigen Sitzbank – die Farbvariante „CRF Rally“ zu 300 Euro Aufpreis nimmt die Farbgebung der CRF-Wüstenrenner auf. Schön schmal baut die Taille aus Tank-Flanken und dem Vorderteil der zweiteiligen Sitzbank. In 86,5 oder 88 Zentimetern Höhe rastet der Fahrersitz der Honda Africa Twin. In der niedrigeren Stufe erreichen selbst kleine Fahrer sicher den rettenden Erdboden. Doch die höhere Rastung bewirkt eine aktivere und somit angenehmere Sitzposition.
Honda ist nach seinen Ausflügen zu den „Gelände-Gold-Wings“ Varadero 1000 und Crosstourer 1200 zurückgekehrt zu alten Tugenden, zur Reduktion aufs Wesentliche. Die neue Honda Africa Twin vermittelt viel Fahrfreude, so, wie es nur eine Enduro kann. Damit tritt sie in die Fußstapfen ihres legendären Vorgängers XRV 750 (RD 07). Benutzerfreundlich und richtig gut ausbalanciert. Die Zentrierung der Massen nah am Triebwerk ist zu spüren. Bei trailartigen Passagen auf Schotterfeldwegen oder ungeteerten Parkplätzen fühlt man sich auf Anhieb gut, wohler als beim restlichen Duo. Dazu trägt auch der extrem kleine Wendekreis von nur 5,20 Metern bei. Sie wendet auf dem Handteller, die neue AT. Wie die Kolkraben über uns am Himmel. Davon kann der Fahrer der KTM 1050 Adventure nur träumen. Er muss vor- und zurücksetzen.
Tiefe Schlaglöcher meistert die Honda Africa Twin am gelassensten
Tiefe Schlaglöcher oder komplett zerfurchten, zernarbten Asphalt stecken die großen und elastischen Speichenräder der Honda Africa Twin am gelassensten weg. Da bügelt der im Gelände gut führende 21-Zöller vorn nur so drüber. Perfekt unterstützt vom langhubigen Showa-Fahrwerk mit satten 230 Millimetern Federweg vorn und 220 hinten. Fein spricht die voll einstellbare 45er-Upside-down-Gabel an.
Sie reagiert fein auf Verstellungen. Auch das per Pro Link-Hebelsystem betätigte Federbein bietet viele Reserven. Anpassen seiner Federbasis an die Zuladung? Ein Kinderspiel – wie bei der Suzuki V-Strom 1000 per praktischem Handrad. Über den breiten Hebelarm lässt sich die Honda Africa Twin spielerisch dirigieren, in Schräglage werfen – bei gemäßigtem Landstraßentempo bis 80, 90 km/h.
In schnell zu fahrenden Wechselkurven ändert sich das Bild
Der Pass Col de l’Espigoulier geleitet uns die Hügel hinauf; seine Kehren erklimmen den Berg, Kurven aller möglichen Radien geben unserem Vortrieb eine Richtung. Das könnte ewig so gehen, man möchte gar nicht mehr absteigen. Doch in schnell zu fahrenden Wechselkurven ändert sich das Bild an Bord der Honda Africa Twin. Dann versteift sich das stabil liegende, feuerrote Spielmobil plötzlich. Flott gefahren, beherzt rangenommen, braucht man nun Kraft zum Umlegen. Dies gilt ganz ähnlich auch für die Suzuki V-Strom 1000. Bei der Africa Twin wirken jetzt die großen Kreiselkräfte ihres 21-Zöllers.
In die gleiche Richtung wirken längster Radstand, flachster Lenkkopfwinkel und großer Nachlauf. Keinen Glanzpunkt setzt die Bereifung der Honda Africa Twin: Die Dunlop Trailmax D 610 geben sich tricky. Es hapert ihnen an Grip. Bei Nässe, ja schon bei Feuchtigkeit irritieren die Japan-Pneus immer wieder: Sie rutschen selbst bei vorsichtigen Schräglagen unvermittelt – also unberechenbar – weg. Das pumpt Adrenalin in die Blutbahn. So bekommt die abschaltbare Traktionskontrolle genug zu tun. Ihre drei Stufen unterscheiden sich deutlich, die defensivste Einstellung erlaubt sogar vorsichtige Drifts und kleinere Wheelies.
KTM 1050 Adventure am besten bereift
Auch die beiden anderen Kandidaten bieten gut unterscheidbare Eingriffsschwellen der Hinterradassistenz. Tendenziell spät grätscht die in drei Stufen regelnde, abschaltbare KTM-Traktionskontrolle dazwischen. So fühlt man sich wohl im mitunter uneinsehbaren Kurvendickicht. Man spürt, dass die KTM 1050 Adventure schmalere Reifen trägt als die großen Adventure-Schwestern. Dies macht sie leichtfüßiger, spürbar handlicher, wendiger. Zudem ist die potenzielle Reifenauswahl viel größer, da bei einem Drittel weniger Leistung keine hoch spezialisierten ZR-„Enduro“-Reifen vonnöten sind. Besonders gut läuft – später auf deutschen Autobahnen – die hochbeinige Honda Africa Twin geradeaus.
Von den besten Reifen des Test-Trios profitiert die KTM 1050 Adventure, Metzeler Tourance Next. Damit erlaubt sie irre Schräglagen. Richtig gut fährt die 1050. Sie animiert immer ein wenig zu „mehr“ – zu flotterer, mitunter verwegener Fahrweise. Es kickt, die höchste Zielgenauigkeit auszukosten. Und dies, obwohl das WP-Fahrwerk einem Spardiktat folgt: Die Upside-down-Gabel ist gar nicht einstellbar, das Federbein nur marginal. Lediglich Druckstufe und Federbasis lassen sich verstellen. Beides nur mit Werkzeug.
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Bridgestone Battle Wing mit Sonderkennung „J“ machen die Suzuki V-Strom 1000 etwas träge.
Man merkt der KTM 1050 Adventure ihr direkt angelenktes Federbein an. Es muss im Gegensatz zu den beiden Japanern ohne progressiv arbeitende Umlenkung auskommen: Die Hinterradaufhängung wirkt etwas knorriger, holziger als bei der Honda Africa Twin und Suzuki V-Strom 1000.
Auf kurzen, harten Kanten, den Frostaufbrüchen und Schlaglöchern, sprechen die Radaufhängungen nicht sehr elegant an, dringt doch eine Menge zum Fahrer-Popo durch. Lang gezogene Wellen fischt die KTM 1050 Adventure aber gut heraus – die Grundabstimmung ist nicht schlecht, taugt recht gut für Solo-Ritte.
Fieses Lenkerschlagen ist der V-Strom fremd
Geringste Federwege, moderate 160 Millimeter vorn wie hinten, stempeln die Suzuki eher zum hochgelegten Tourer als zu einer klassischen Enduro. Früher als bei der Honda Africa und der KTM 1050 Adventure nehmen die langen Angstnippel unter den plumpen, nicht gezackten Fußrasten Bodenproben des französischen Asphalts. Immerhin, fieses Lenkerschlagen ist der Japanerin komplett fremd. Trampelig, stuckernd verarbeitet die überdämpfte Upside-down-Gabel der Suzuki V-Strom 1000 Unebenheiten. Sie leitet auf Pustel-Asphalt heftige Störimpulse in den gummigelagerten Lenker. Bei kühlen Temperaturen empfiehlt es sich, Zug- und Druckstufe der voll einstellbaren Upside-down-Gabel ganz zu öffnen.
Bridgestone Battle Wing mit Sonderkennung „J“ machen die Suzuki V-Strom 1000 etwas träge: Auf diesen Reifen benötigt sie Nachdruck beim Einlenken. Zudem gibt sie sich nicht ganz exakt zielgenau, umrundet Kurven nicht so präzise wie die Konkurrentinnen Honda Africa Twin und KTM 1050 Adventure. Unser Dauertest-Exemplar (Bilanz über 50.000 Kilometer in MOTORRAD 8/2016) machten andere Reifen deutlich agiler, handlicher. Allen voran solche von Pirelli. Schließlich sind die Fahrwerkseckdaten der V-Strom mit kürzestem Radstand wie Nachlauf und steilstem Lenkkopfwinkel prinzipiell handlingfördernd.
Extras hieven Suzuki auf ganze 255 kg
Etwas merkwürdig geriet Suzukis Sitzposition: Der breite Stahltank spreizt die Beine am meisten. Dies ergibt eine recht inaktive Sitzposition, mit wenig Gefühl fürs subjektiv weit entfernte Vorderrad. Hier merkt man die Gummilagerung des billig wirkenden dünnen Stahllenkers mehr als auf der Honda. Ziemlich dick bauen die optional beheizten Griffe. Nein, ein kleines Motorrad ist die stattliche Suzuki V-Strom 1000 nicht. Aber sie ist leichter, als sie sich anfühlt. Ohne Extras nur 229 Kilogramm schwer, hieven zusätzlicher Hauptständer, Tank-/Motorsturzbügel, Zusatzscheinwerfer, die optionalen Handprotektoren usw. das Gewicht der Test-Suzuki auf heftige 255 Kilogramm.
Ein gutmütiges Motorrad, diese Suzuki V-Strom 1000. Als Fulldresser weckt sie Fernweh, doch ihr Original-Zubehör ist recht teuer. Exakt gleich schwer (oder leicht) sind Honda und KTM, je 233 Kilogramm. Am meisten Zuladung sattelt somit die Österreicherin, volle 207 Kilogramm. Die KTM 1050 Adventure setzt auf einen Stahl-Gitterrohrrahmen mit angeschraubtem Alu-Heck. Einen unten offenen Stahlrahmen mit eingeschweißtem Heck hat die Honda Africa Twin. Suzuki schließlich verbaut einen wuchtig wirkenden Alu-Brückenrahmen mit angeschraubtem Stahlheck. Jeder nach seiner Fasson.
Adventure-Windschutz für große Fahrer eher mies
Teilvariabel gibt sich die Ergonomie der KTM 1050 Adventure: Durch Umstecken der Lenker-Riser lässt sich der konische Alu-Lenker 20 Millimeter näher oder weiter weg vom Fahrer positionieren. Auch die Fußrasten sind verstellbar. Die Sitzposition wirkt aktiv, mit guter Vorderradorientierung. Stufenlos ohne Werkzeug lässt sich die Scheibe in der Höhe einstellen, um 25 Millimeter. Der Windschutz ist gut für kleine Leute, eher mies für große Fahrer: Sie bemängeln starke Verwirbelungen. Ganz schön weit innen steht der Schalthebel. Frech lässt sich die KTM bis weit in die Kurven hinein bremsen. Nur die Honda Africa Twin stellt sich noch weniger auf dabei.
Obacht: Ein „Kurven-ABS“, also das komplett selig machende Sensorik-Programm, trägt die KTM 1050 Adventure im Gegensatz zur 1190 und 1290 nicht. Zudem muss sie auf den Lenkungsdämpfer der großen Schwester verzichten. Auf Buckelpisten bergauf mit Sozius merkt man das, in Form eines minimal auskeilenden Vorderrads. Positiv: Bei Not- und Gewaltbremsungen bleibt die KTM am stabilsten in der Spur. Ihr ABS kann komplett deaktiviert werden, bei der Honda Africa Twin nur am Hinterrad, zum Anstellen auf losem Untergrund. Diese Option bietet bei KTM ein optional erhältlicher Offroad-Modus.
Die reinen Verzögerungswerte der V-Strom sind okay
Durch die langen Federwege wird die Honda Africa Twin bei brachialer Verzögerung mitunter etwas instabil. Dabei verliert das Hinterrad manchmal kurzfristig den Bodenkontakt. Die Bremswirkung ist gut, die Dosierung ohne exakten Druckpunkt allerdings etwas fade. Suzukis Vierkolbenstopper schnappen am Anfang ziemlich stark, fast giftig zu. Fast wie eine Sportbremse.
Doch danach legen sie mit mehr Zug am Hebel nicht entsprechend weiter zu, die Bremsleistung bleibt gefühlt konstant. „Degressive Wirkung“ heißt so etwas. Für ein ABS-gebremstes System steht das Vorderrad bei Notbremsungen gefühlt recht lange. Doch die reinen Verzögerungswerte der Suzuki V-Strom 1000 sind okay.
Adventure bietet größte Reichweite
Erstaunlich gut schirmt die vergleichsweise kleine, nicht verstellbare Honda-Scheibe vorm Mistral ab. Sie ist effektiv hinterströmt. Für einen Sozius offeriert die Honda Africa Twin den bequemsten Platz, mit den besten Haltemöglichkeiten. Allerdings ist das Auf- und Absteigen in luftiger Höhe nicht ganz einfach. Die einteilige Sitzbank der Suzuki V-Strom 1000 ist hinten härter, bietet etwas weniger Platz mit weniger guten Griffen. Doch selbst auf der am wenigsten komfortablen KTM 1050 Adventure sind mehr als nur Spritztouren für den Passagier drin. Durchdacht sind die Bordsteckdose im Cockpit der Suzuki sowie das Mini-Staufach im selbigen der Adventure.
Ein letztes Mal raus zum Tanken. Die Honda Africa Twin setzt ein gutes Signal, begnügt sich zahm bewegt mit sparsamen 4,3 Litern auf 100 Kilometer, KTM 1050 Adventure und Suzuki V-Strom 1000 verlangen volle fünf Liter. Trotzdem bietet der 23-Liter-Tank der Adventure die größte Reichweite, volle 460 Kilometer. Löblich: Lang gestreckte 15.000er-Wartungsintervalle machen selbst ausgedehnte Reisen an Bord der KTM nicht zum Service-Abenteuer. Wobei auch 12.000er-Inspektionsintervalle der Honda und Suzuki richtig lang sind. Nur die KTM hat Stahlflexummantelte Bremsschläuche, verschiedene Fahrmodi und gekröpfte Ventile an den Gussrädern. Zudem hält sie den informativsten Bordcomputer parat.
Zurück ins Tal
Es wird Abend. Die letzten Kurven, nah am Mittelmeer, geleiten uns zu Tal, bringen uns zurück ins Hotel. Das Trio erinnert uns daran, weshalb wir überhaupt einmal begonnen haben, Motorrad zu fahren: Weil es unvergleichlich ist, alle Sinne anspricht, die Dynamik des Lebens intuitiv spüren lässt. Auf der Suzuki V-Strom 1000 fühlt man sich behütet, speziell in opulenter Vollausstattung, jedoch auch ein wenig entkoppelt vom Geschehen. Auf der kantigen KTM 1050 Adventure fühlt man sich wohl und dabei auch ein wenig gefordert.
Auf der Honda Africa Twin aber fühlt man sich zu Hause. Flair, Esprit und Charisma gehen bei ihr Hand in Hand. Als einzige echte Enduro verströmt, ja suggeriert sie das Gefühl „man könnte, wenn man nur wollte“. Feine Details und stimmige Proportionen spielen hier perfekt zusammen. Wa(h)re Liebe: Diesseits wie jenseits von Afrika ist die geschmeidige, sehr ausgewogene Honda die begehrenswerteste 1000er-Reiseenduro.
Technische Daten
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Honda CRF 1000 L Africa Twin, KTM 1050 Adventure und Suzuki V-Strom 1000.
Leistungsmessungen
Archiv
Leistung an der Kurbelwelle. Messungen auf dem Dynojet-Rollenprüfstand 250, korrigiert nach 95/1/EG, maximal mögliche Abweichung ± 5%.
Viele Wege führen nach Rom; zu ähnlicher Spitzenleistung von 95 PS (Honda Africa Twin) bis 102 PS (Suzuki V-Strom 1000). Am kräftigsten steigt der 1037-Kubik-V2 der V-Strom ein, bietet zwischen 2500 und 4500 Touren das höchste Drehmoment. Erst ab der 3000er-Marke tut’s der Motor der KTM 1050 Adventure in den oberen Gängen ruckelfrei. Dann wird er quicklebendig, drückt zwischen 4500 und 7500 Touren am meisten.
Mit 101 PS und 105 Newtonmetern steht der nominell „nur“ 95 PS starke 75-Grad-V2 der KTM 1050 Adventure gut im Futter. Da stört seine elektronische Drosselung schon knapp unter 7000/min kaum. Auf den ersten Blick wirkt Hondas unechter V2 wenig füllig. Doch weiche Gasannahme und tolle Fahrbarkeit bei niedrigeren Drehzahlen machen den exakt 95 PS starken, niedrig verdichtenden Reihen-Twin charakterstark.
Messwerte
| Honda Africa Twin | KTM 1050 Adventure | Suzuki V-Strom 1000 |
Höchstgeschwindigkeit* | 199 km/h | 200 km/h | 205 km/h |
Beschleunigung |
|
|
|
0–100 km/h | 3,8 sek | 3,7 sek | 4,0 sek |
0–140 km/h | 6,9 sek | 6,3 sek | 6,8 sek |
0–200 km/h | – | 16,8 sek | 19,4 sek |
Durchzug |
|
|
|
60–100 km/h | 4,6 sek | 3,8 sek | 3,7 sek |
100–140 km/h | 6,1 sek | 4,0 sek | 4,2 sek |
140–180 km/h | 10,9 sek | 4,9 sek | 6,4 sek |
Verbrauch Landstraße/100 km | 4,3 Liter Super | 5,0 Liter Super | 5,0 Liter Normal |
Reichweite Landstraße | 437 km | 460 km | 400 km |
*Herstellerangabe
MOTORRAD-Punktewertung
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Die Provence ist das Ziel der Reise.
Motor
| Max. Punktzahl | Honda Africa Twin | KTM 1050 Adventure | Suzuki V-Strom 1000 |
Durchzug | 40 | 18 | 30 | 29 |
Beschleunigung | 40 | 19 | 24 | 19 |
Topspeed | 30 | 12 | 14 | 14 |
Motorcharakteristik | 30 | 22 | 22 | 23 |
Ansprechverhalten | 20 | 15 | 13 | 12 |
Lastwechsel | 20 | 15 | 13 | 13 |
Laufruhe | 20 | 13 | 11 | 11
|
Kupplung | 10 | 9 | 9 | 7 |
Schaltung | 20 | 15 | 13 | 13 |
Getriebeabstufung | 10 | 8 | 9 | 8 |
Starten | 10 | 9 | 8 | 9 |
Summe | 250 | 155 | 166 | 158 |
Jenseits von Afrika: Mit bester Beschleunigung und feurigstem Durchzug glänzt die KTM 1050 Adventure. Am anderen Ende des Spektrums liegt die durchzugsschwache Honda. Trotzdem setzt die Honda Africa Twin viele Glanzpunkte: Sie vibriert und lastwechselt am wenigsten, hängt schön direkt am Gas und hat Honda-typisch ein tolles Getriebe. Am bulligsten von unten kommt die Suzuki V-Strom 1000, doch ihre Kupplung ist mau dosierbar.