Der Verzicht ist vor allem beim Blick aufs Preisschild ein Gewinn: Die Honda CB 500 X kostet 7.680 Euro und die Voge 500 DS inklusive des mit 600 Euro ausgepreisten Adventure-Kits, bestehend aus Gepäckträger nebst zweier Alukoffer plus Topcase, 7.098 Euro (ohne Koffer: 6.199 Euro).
Voge-Motor ähnelt Honda-Aggregat
Um zu sehen, wo Voge 500 DS wirklich steht, haben wir die Honda CB 500 X zum Vergleich gebeten. Dieser drängt sich nicht nur des ähnlichen Konzepts wegen auf, sondern ist geradezu zwingend, da der Antrieb der Voge bis auf kosmetische Kleinigkeiten dem Honda-Aggregat wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Freilich ohne, wie sich noch zeigen wird, in Gänze mit den Qualitäten des Originals mitzuhalten. Und um das Thema Kopie abzuschließen, sei an dieser Stelle angemerkt, dass aufmerksame Beobachter im Design der DS mehr oder weniger deutliche Spuren von Yamaha MT-07, Kawasaki Z 750 und Honda Crossrunner/Crosstourer entdecken können.
Im Profil betrachtet, wirkt die Voge wesentlich mächtiger, als es die vollgetankt 24 Kilogramm Unterschied (222 zu 198 kg) glauben machen. In Kombination mit dem nicht nur optisch höheren Schwerpunkt und dem größeren Wendekreis (5,5 zu 5,1 Meter) erscheint sie, je nach Betrachtungsweise, sperriger oder eben erwachsener. Die Sitzhöhe ist mit 825 zu 835 Millimetern quasi identisch, doch ist die Bank der Honda etwas schmaler geschnitten, also ein Patt. Das Polster der Honda fällt recht straff aus, dafür erlaubt die Form, die Sitzposition zu verändern. Auf der etwas bequemeren Voge sitzt man wegen einer deutlichen Kuhle wie angenagelt.
Bevor es losgeht, noch ein Blick nach vorn: Im Fokus bei der Honda liegt dabei ein Windschild, die sich nach Lösen von insgesamt acht Schrauben in zwei Positionen verstellen lässt. Heißt im Klartext: Wenn man die für sich passende Position gefunden hat, dann bleibt das so. Bei der Voge funktioniert das ähnlich, nur ohne Werkzeug. Denn die in Fahrtrichtung nach vorn zeigende Rändelschraube muss komplett entfernt werden, um die Scheibe in einer der beiden möglichen Positionen zu fixieren. Egal in welcher Stellung, die Scheibe der Honda bietet, weil besser geformt und oben etwas breiter, besseren Windschutz bei weniger Dezibel.
Honda mit Tirol-tauglichen 91 dB, Voge mit 98 dB
Womit wir bei einem möglicherweise kaufentscheidenden Punkt angekommen wären. Die Voge ist mit 98 dB Standgeräusch homologiert, die Honda mit den Tirol-tauglichen 91 dB. Die Fahrgeräusche wiederum liegen mit 74 dB (Honda) und 76 dB (Voge) nicht nur dicht beieinander, sondern auch auf der sozialverträglichen Seite. Schon direkt nach dem Start zeigt sich, dass der Voge-Twin rauer läuft als das Honda-Aggregat. Die Kupplung der Honda arbeitet extrem leicht, fast ohne Widerstand lässt sich der nicht einstellbare Hebel ziehen. Das Getriebe schaltet sich fluffig, wenngleich die Schaltwege etwas kürzer sein dürften.
Im direkten Vergleich muss man bei der Voge richtig hinlangen, dafür sind bei ihr beide Hebel einstellbar. Auch ihr Getriebe verlangt mehr Aufmerksamkeit, was primär am reichlich vorhandenen Spiel des Schaltgestänges liegt. Primärübersetzung und Getriebeabstufung sind bei beiden identisch, ebenso das Ritzel mit 15 Zähnen. Die Honda trägt aber 41 Zähne am Kettenblatt, die Voge 45, was in der Praxis bedeutet, dass die Voge bei gleichem Tempo im sechsten Gang so hoch dreht wie die Honda im fünften. Bei 100 km/h sind das 5.700/min. Im sechsten Gang sind es bei der Honda noch 5.200/min. So kommt es, dass man auf der Voge ständig auf der Suche nach dem siebten Gang ist, auch weil der Twin ab 5.000/min anfängt, mit zumindest für den Autor sehr unangenehmer Frequenz zu vibrieren beginnt. Dieses äußerst störende Phänomen erlebte er schon einmal: bei der Kawasaki Versys 300, ebenfalls ein Gegenläufer-Reihentwin, der aber deutlich höher dreht.
Honda: 550 km Reichweite; Voge: 470 km
Positiver Effekt des höheren Drehzahlniveaus sind die besseren Fahrleistungen, die aber mit einem etwas höheren Verbrauch (3,2 zu 3,5 Liter) auf der Testrunde erkauft werden. Wer es wirklich darauf anlegt, dürfte die Honda auch unter drei Liter drücken können. Aber auch so sind trotz des optisch halb so großen, real mit 17,7, aber 1,2 Litern mehr fassenden Tanks enorme rund 550 Kilometer Reichweite drin.
Die Voge bringt es auf immer noch stattliche 470 Kilometer. Kleiner Gag am Rande: Ist die Reserve erreicht, färbt sich das sonst schwarze Zapfsäulensymbol im Voge-TFT-Display gelb. Auch sonst erfreut das etwas kleinteilig gestaltete Display mit allerlei Infos, einschließlich Außentemperatur und Batteriespannung bis hin zum Reifendruck. Was allerdings nervt, ist das teils hektische Hin-und-her-Schalten zwischen Tag- und Nachtansicht, wenn man zum Beispiel auf halbschattigen Straßen unterwegs ist. Das alles bietet das recht kleine LC-Display der Honda nicht, und es mangelt ihm generell an Ablesbarkeit, vor allem, wenn die Sonne direkt darauf scheint.
Gabel und Federbein der Honda verstellbar
Dafür lässt sich bei der Honda nicht nur am Federbein, sondern auch – was in dieser Klasse ungewöhnlich ist – an der Telegabel die Federvorspannung verstellen. Zum Test kam sie mit zwei sichtbaren Ringen. So lenkte sie sich fast schon überhandlich nervös ein und neigte dazu, in die Kurve zu kippen. Mit voller Federvorspannung und somit um 15 Millimeter angehobener Front und leicht verlängertem Nachlauf verschwand die Nervosität weitgehend – ohne Abstriche beim Handling. Die Gabel selbst macht einen soliden Job, spricht gut an und verbindet Komfort mit Straffheit. Das Federbein kann da nicht ganz mithalten, auf langen Wellen schwingt es gerne nach. Insgesamt fehlt es hinten an Dämpfkraft, besonders zu zweit ist es schnell am Ende seiner Möglichkeiten angelangt.
Besser kein Zweipersonenbetrieb
Wobei man auf dem Soziusplatz auch nicht länger als unbedingt notwendig verweilen will: Wenig Platz, hartes Polster und ein enger Kniewinkel vermiesen den Soziuskomfort. Das kann die Voge besser: In der zweiten Reihe gibt’s bei ihr mehr Platz und Komfort. Auch das grundsätzlich etwas straffer abgestimmte und weniger feinfühlig ansprechende Fahrwerk zeigt sich von der zusätzlichen Belastung unbeeindruckt. Allerdings: Mit spärlichen 126 Kilogramm Zuladung bleibt ein Zweipersonenbetrieb faktisch unmöglich.
Bremsleistungen der Einsteiger-Reiseenduros
Den Umstand, dass die Voge vorne zwei Bremsscheiben besitzt, kann sie nicht in einen Vorteil ummünzen. Zwar ist die absolute Bremswirkung etwas besser als bei der Honda, dafür wirken ihre Stopper stumpfer, benötigen mehr Handkraft und sind weniger feinfühlig zu dosieren. Und spätestens im ABS-Regelbereich macht die Honda mit feinerer und schnellerer Regelung wieder Meter gut. Die hinteren Pendants bremsen hier wie da unauffällig mit.
Während die Honda wie bereits erwähnt fast von alleine einlenkt, benötigt die Voge einen klaren Impuls, bleibt dann aber in Schräglage neutral. Bremsen in Schräglage meistert dagegen die Honda wieder ohne Aufstellmoment. Auf der Voge gibt’s dagegen einen klaren Aufstellimpuls beim Griff zum Anker in Kurven.
Beide bieten viel Schräglagenfreiheit
Die Schräglagenfreiheit ist bei beiden kein Thema. Man muss schon mächtig abwinkeln, um mit den Rasten aufzusetzen. Mit Höchstgeschwindigkeiten von 165 (Honda) bzw. 160 km/h (Voge) sind beide keine geborenen Autobahnbrenner. Die Voge läuft auch mit montiertem und leerem Adventure-Kit topstabil geradeaus und bei leichtem Rückenwind bei Tempo 170 in den ruppigen Begrenzer. Die länger übersetzte Honda schafft dies nicht und gibt sich bei Topspeed auch nervöser.
Ein Wort noch zum Alukoffer-Set der Chinesin: Sowohl Träger als auch Koffer sind grundsätzlich gut verarbeitet, die versteckten und schwergängigen Schlösser werden aber mit einem ebenso winzigen wie windigen Schlüssel betätigt. Insgesamt ist die Voge meilenweit von den teils abenteuerlich zusammengefriemelten China-Bikes vergangener Jahre entfernt und in Sachen Ausstattung der Honda sogar voraus, doch im direkten Vergleich merkt man, dass das letzte Quäntchen Entwicklungsarbeit und Feinschliff noch fehlt. Wohlgemerkt: noch!
Fazit
- Honda CB 500 X: Zu sagen, die Honda deklassiert die Voge 500 DS, wäre übertrieben, aber sie gewinnt alle Kapitel. Auch die CB versprüht jenen Reifegrad und jene Ausgewogenheit, die den meisten Hondas zu eigen ist. Dafür ist sie ausstattungsbereinigt fast 20 Prozent teurer.
- Voge 500 DS: Für sich betrachtet kann man mit der Voge 500 DS, abgesehen von den Vibrationen, gut leben. Im direkten Vergleich mit der Honda CB 500 X wirkt sie jedoch nicht im selben Maße ausgereift: Man erkennt die Talente, doch fehlt hier und da (noch) der Feinschliff.