R 1250 GS, Multistrada, Super Adventure im Vergleich

Reiseenduros von BMW, Ducati und KTM im Vergleich R 1250 GS, Multistrada V4 und Adventure im Test

In diesem Vergleichstest zeigen BMW R 1250 GS, Ducati Multistrada V4 S und KTM 1290 Super Adventure S, was sie offroad draufhaben. Einmal Fango für alle.

BMW R 1250 GS/Ducati Multistrada V4 S/KTM 1290 Super Adventure S Vergleichstest Markus Jahn
BMW R 1250 GS/Ducati Multistrada V4 S/KTM 1290 Super Adventure S Vergleichstest
BMW R 1250 GS/Ducati Multistrada V4 S/KTM 1290 Super Adventure S Vergleichstest
BMW R 1250 GS/Ducati Multistrada V4 S/KTM 1290 Super Adventure S Vergleichstest
BMW R 1250 GS/Ducati Multistrada V4 S/KTM 1290 Super Adventure S Vergleichstest 19 Bilder

Verdammt, fühlt sich das komisch an. Auf den Felgen von BMWs R 1250 GS, Ducatis Multistrada V4 S und KTMs 1290 Super Adventure S kämpft Pirellis Scorpion Rally um Grip und Stabilität. Der grob profilierte Pneu steht für gute Traktion im Gelände, aber bis er und die Fahrer auf den Motorrädern da ankommen, muss er etliche Kilometer Asphalt meistern. Flogen zuvor alle drei Bikes noch auf ihren serienmäßigen Straßenpneus – siehe Heft 9/2021 – freudenspendend um jedes Eck, biegen sie mit den Grobstöllern so geschmeidig ab, wie ein voll beladener 40-Tonner einen einspurigen Kreisverkehr umschifft. Und kommt dann noch Schräglage ins Spiel, fehlt Kurvenstabilität, rubbelt das grobe Profil gautschig um die Kurven. Anfangs ein merkwürdiges Fahrverhalten, aber nach ein paar Kilometern gewöhnt man sich dran. Auch, weil es einen guten Grund gibt, warum für diesen Test der Holper-Pneu die Felgen der Bikes ziert: Er soll mit ihnen ins Gelände gehen, schließlich preisen sich alle drei als Adventure-Mobile, geeignet für Straße und offroad. Mal schauen, wie gut die fünf Zentner und mehr schweren Zweiräder dieses Versprechen einhalten.

Umgängliche BMW R 1250 GS

BMW R 1250 GS/Ducati Multistrada V4 S/KTM 1290 Super Adventure S Vergleichstest
Markus Jahn
BMW R 1250 GS

Das öde vor uns liegende Ziel für den Adventure-Ausflug entpuppt sich als nahezu trockenes Flussbett. Dessen Grund formen Steine in jeder Konfektionsgröße und deren Vorfahren – mittlerweile an vielen Stellen durch Erosion und andere Einflüsse zu tiefem Sand zermahlen. Wie vom jugendlichen Spieltrieb gepackt, fliegen die drei Reiseenduros samt ihrer Fahrer im nächsten Moment durch das nahezu trockene Flussbett. Fast von selbst folgt die BMW dabei den Wünschen ihres Piloten. Mit viel Platz hinterm hohen und breiten Lenker erlaubt sie nahezu müheloses, entspanntes Fahren im Stehen. Dazu pulst ihr Boxer seine Kraft schon knapp über Standgas so lässig Richtung Hinterrad, dass viel Konzentration für den Weg bleibt, so, als ob die GS dir heimlich zuflüstert: "Genieß den Ausflug, entspann’ dich, ich kümmere mich um den Rest." Richtig lässig gestaltet sich der Umgang mit der BMW zwar nicht, weil ihre 259 Kilogramm vollgetankt – bei allen Motorrädern mit Speichenrädern und Einheitsbereifung ermittelt – schon ein zupackendes Wesen einfordern, um die Balance nicht zu verlieren. Dennoch: Es ist immer wieder erstaunlich, wie umgänglich sich eine 1250er-GS beim Endurowandern gibt.

Harmonische Ducati Multistrada V4 S

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Ducati Multistrada V4 S

Fast noch eine Spur harmonischer wirbt die Multistrada V4 S um die Gunst ihres Fahrers. Ihrem Motor fehlt zwar der beruhigende, perfekt nutzbare Drehmoment-Druck der BMW ganz untenraus, dafür hängt der V4 klasse am Gas, lässt sich auch im Flussbett-Schotter der Vortrieb für Profis wie Novizen fein dosieren. Das gelungene Zusammenspiel aus Motor, Kupplung und Bremse schenkt beim Umgang mit der 258 Kilogramm wiegenden Ducati auf diesem Terrain einfach eine Menge Vertrauen. Nur beim Fahren im Stehen, da muss sie sich leicht hinter der GS einsortieren. Zu versammelt, kompakt fällt ihre Fahrerintegration aus. Nichts, was man nicht mit einfachen Hilfsmitteln wie einem anderen Lenker oder einer Lenkererhöhung beheben könnte – im Serienzustand liegt die GS unter diesem Aspekt aber leicht vorne.

Fordende KTM 1290 Super Adventure S

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KTM 1290 Super Adventure S

Ähnlich sieht’s bei der KTM aus. Ihr relativ schmaler Lenker erleichtert das Fahren im Stehen nicht unbedingt, zudem verlangt sie beim genüsslichen Treiben durchs geschwungene, feine Schotterbett mehr Aufmerksamkeit. Ihr V2 hängt untenrum rauer am Gas, seine Laufkultur in diesem Drehzahlbereich verlangt vom Fahrer einfach mehr Bedacht und Aufmerksamkeit beim Abrufen der Leistung. Daher erweist sie sich vor allem bei niedrigen Geschwindigkeiten als anstrengender. So ganz automatisch wie bei der Ducati und bei der BMW läuft es bei ihr nicht. Sie stellt mit jeder Zündung ihrer beiden um 75 Grad gespreizten Zylinder klar, dass sie für mehr geschaffen wurde. Die 1290er erträgt das Gleiten übers Unbefestigte zwar willig, vermittelt aber mit jeder Faser ihres 246 Kilogramm schweren Athletenkörpers, dass sie nur mit Ruhepuls mitschwimmt und es noch etwas anderes geben muss. Wenn sie dann mehr darf, Geschwindigkeit und Motorpower steigen, sie mit einer meterlangen Staubwolke eindrucksvoll ihr Revier markiert, ist die KTM in ihrem Element. Allerdings muss man einiges an Bereitschaft und Können mitbringen, um es mit der Super Adventure S so fliegen zu lassen.

Elektronischen Helferlein

Damit das überhaupt gelingt, verfügen alle Motorräder über eine Vielzahl an Fahrmodi und Einstelloptionen für die elektronischen Helferlein – vom semiaktiven Fahrwerk bis zur Traktionskontrolle. Unter anderem ausgerüstet mit dem Dynamik-Paket, rockt und rollt die GS mit der Einstellung Enduro fürs semiaktive Fahrwerk sowie im Fahrmodus Enduro Pro, der sich frei konfigurieren lässt (ABS nur vorne aktiv, TC aus). Extrapakete für den Offroad-Fahrspaß sind bei der Ducati nicht nötig, da sie mit dem Fahrmodus Offroad schon ab Werk eine sinnvolle Abstimmung für Geländeausflüge bietet. Per Feintuning (ABS Offroad, Leistung high, TC aus) lässt sich dieser noch an persönliche Vorlieben anpassen – was wir dankend annehmen. Bei der KTM braucht’s wie bei der BMW wieder Extras für eine komplett individuelle Konfiguration. Das 1290er Super Adventure S-Testmotorrad wurde mit dem Tech Pack veredelt, der auch das Rally Pack als Feature umfasst. Damit verfügt die KTM neben dem Offroad-Fahrmodus (reduzierte Leistung) auch über den Rally-Fahrmodus (offene Leistung), der sich wieder frei programmieren lässt (ABS und Ansprechverhalten Offroad, Traktionskontrolle aus). Ebenfalls mit zum Paket gehört der semiaktive Offroad-Fahrwerks-Modus, der hier darüber hinaus Anwendung findet.

BMW R 1250 GS/Ducati Multistrada V4 S/KTM 1290 Super Adventure S Vergleichstest
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Die Multistrada V4 S muss mit 170 Millimetern Arbeitsweg an der Gabel und 180 beim Dämpfer auskommen. Dadurch setzt die Ducati beim zügigen Galopp schon einmal zart auf. Bei der BMW und der KTM passiert das aufgrund längerer und gegen Ende des Federwegs auch straffer abgestimmter Fahrwerke seltener.

Das Flussbett verengt sich, von jetzt an geht’s steiler und steiniger nach oben. In engen Kehren windet sich ein kleines Offroad-Sträßchen gen Himmel, stellen sich mehr oder weniger große Brocken in den Weg der drei Motorräder. Mit Schmackes reißt die KTM die Höhenmeter unter ihren Pneus durch, nutzt jede kleine Welle, um lustvoll und gewollt die Bodenhaftung zu verlieren. Das Hinterrad blockierend angestellt und rein ins Eck, mit durchdrehendem Pneu achtern wieder raus: Wer es auf diese Art krachen lassen will und kann, ist mit der Austria-Enduro bestens bedient. Mehr Reserven fürs forsche Pflügen bietet hier keine.

Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihr Fahrwerk – vor allem die Gabel – bei weniger Zug an der Kette mau anspricht. Wie es besser geht, zeigt die BMW. Vor allem deshalb, weil sie auch mit geringem Speed über Steine und durch Kehren klettert, was unerfahreneren Abenteurern entgegen kommt. Wenn der Hafer sticht, fliegt die Kuh trotzdem fast ebenso forsch im Offroad wie die Orange. Nur wer es ganz eilig hat, muss mit weniger Fahwerksreserven als bei der KTM leben.

Begriff "Enduro" tragen alle rechtmäßig

Einen dritten Weg geht die Ducati, was ein Stück weit ihrem Fahrwerk zuzuschreiben ist. Während die BMW mit 190 Millimetern Federweg vorne und 200 hinten den Boden glattbügelt – bei der KTM sind’s jeweils 200 Millimeter –, muss die Multistrada V4 S mit 170 Millimetern Arbeitsweg an der Gabel und 180 beim Dämpfer auskommen. Dadurch setzt die Ducati beim zügigen Galopp schon einmal zart auf, schützt ihre statisch und unbelastet ermittelte Bodenfreiheit von 210 Millimetern nicht vor dem Touchdown. Bei der BMW (210 Millimeter Bodenfreiheit) und der KTM (220 Millimeter Bodenfreiheit) passiert das seltener, verhindern längere und gegen Ende des Federwegs auch straffer abgestimmten Fahrwerke eher Kratzer an der "Rüttelplatte" unterm Motor.

BMW R 1250 GS/Ducati Multistrada V4 S/KTM 1290 Super Adventure S Vergleichstest
Markus Jahn
Trotz aller Technik und Fahrhilfen bleibt das Gewicht das größte, herausforderndste, sie alle einende Handicap beim Offroadeln.

So kann die Ducati der BMW und vor allem der KTM beim richtig flotten Tanz den Berg hinauf nicht immer ganz folgen. Ihr gutmütiger Charakter und das sensibel ansprechende Fahrwerk rauben groben Kanten und mancher Furche dagegen den Schrecken. Stress gibt die Ducati keine Chance. Den Schotter spritzen lassen oder kommod-entspannt auch trickreiche Geländepassagen meistern: Die Ducati kann beides. Nur wenn die Tendenz eher Richtung Airtime geht, das Tempo einen Könner an Lenker und Gasgriff erfordert, streicht sie als Erste die Segel.

Das macht aber nichts. Am Ende der Etappe stehen alle oben auf dem Berg, haben den Anstieg locker, aber eben auf unterschiedliche Arten absolviert und gezeigt, dass sie den Begriff Enduro rechtmäßig tragen. Neben den knisternden Bikes ruhen drei glückliche, dampfende, rotgesichtige Fahrer. Das Gewicht: Trotz aller Technik und Fahrhilfen bleibt es das größte, herausforderndste, sie einende Handicap beim Offroadeln.

Fazit

1. Platz: KTM 1290 Super Adventure S. Offroad macht der KTM so schnell niemand etwas vor. Sie kommt überall durch und hoch. Um ihr Potenzial freizusetzen, braucht’s aber einen Könner. Langsam kraxeln mag sie nicht so gern. Damit ein tolles Motorrad – vor allem für Offroad-Experten.

2. Platz: BMW R 1250 GS. Die BMW lässt bei Bedarf die Steine fliegen, erledigt aber auch langsame Passagen ebenso lässig. In ihrem Sattel bestimmt der Fahrer das Tempo. Sie richtet sich nach ihm, vermeidet Extreme. Bei ihr ist Wohlfühlen für alle angesagt.

3. Platz: Ducati Multistrada V4 S. Mit ihren kürzeren Federwegen, dem nicht ganz so druckvollen Motorantritt gerät die Ducati leicht ins Hintertreffen. Dafür sprechen Gabel und Federbein fein an, glänzt sie mit besten Umgangsformen. Ein tolles Bike für ambitionierte Offroad-Wanderer.

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