In der neuen Reiseenduro Aprilia Caponord 1200 schlägt das kräftige Sportherz aus der Dorsoduro. Es poltert schaurig schön und hat einen geilen Sound. Hält der, was er verspricht?
In der neuen Reiseenduro Aprilia Caponord 1200 schlägt das kräftige Sportherz aus der Dorsoduro. Es poltert schaurig schön und hat einen geilen Sound. Hält der, was er verspricht?
Feuer frei! Nachdem sie bereits auf den Motorradmessen im letzten Jahr zu bewundern war, darf die neue Aprilia Caponord 1200 endlich von der Leine. PS fuhr die 16190 Euro teure Travel-Pack-Variante mit dem semiaktiven Fahrwerk, hat die Brötchenkisten am Heck allerdings abgeschraubt. Die Basisversion ohne elektronisches Fahrwerk, Hauptständer, Tempomat und Koffer kostet 13790 Euro.
Gleich nach dem Druck aufs Knöpfchen grummelt der V2 kernig vor sich hin. Für den Einsatz in der Aprilia Caponord 1200 hat man den aus der Dorsoduro bekannten Antrieb etwas domestiziert. Gleich vier Einspritzdüsen und verkleinerte Drosselklappen sollen dafür sorgen, dass das Aggregat nicht nur mehr Drehmoment bei niedrigen und mittleren Drehzahlen produziert, sondern auch weniger verbraucht.
War auch dringend nötig. Die Dorsoduro genehmigte sich, wenn man’s eilig hatte, schon mal über 10 Liter auf 100 Kilometer. Kraft kommt von Kraftstoff - alte Weisheit. Leider agiert der domestizierte V2 in der Aprilia Caponord 1200 deshalb nicht so spritzig, wie man es von der Dorsoduro gewöhnt war.
Der Sound jedoch ist bestialisch: Aus der Airbox hämmert und grollt es fantastisch, und auch das, was der Schalldämpfer freigibt, kann sich durchaus hören lassen. 125 PS bei 8000/min hauen heutzutage wirklich keinen mehr um. Die Konkurrenz aus Österreich und Italien schiebt da gleich 25 PS mehr über die Kette. Für eine sportliche Runde reicht es jedoch allemal, wie die etwa gleich starke direkte Konkurrenz aus England - siehe die Tiger - beweist.
Das elektronische Fahrwerk der Aprilia Caponord 1200 mit Sachs-Federelementen markiert auf jeden Fall einen Meilenstein. Während man bei anderen Marken vor Antritt der Fahrt noch wählen muss, ob Gepäck oder eine Sozia mitreisen, stellt sich die Federung der Aprilia Caponord 1200 im Automatikmodus selbst ein. Gewichtsabhängig werden Dämpfung und Federbasis eingestellt. Und nachgeregelt.
Wie bitte, "nachgeregelt"? Genau: Wenn die Sozia oder das Gepäck während der Fahrt von der Aprilia Caponord 1200 runterfallen oder der 24-Liter-Tank fast leer ist, passt sich das Fahrwerk den veränderten Umständen an. Die Anpassung an die aktuellen Fahrzustände durch Dämpfungsverstellung in Millisekunden bieten andere Mitbewerber auch. Die automatische Veränderung der Federbasis am Federbein ist jedoch neu, diese Niveauregulierung gibt es derzeit sonst nur im Automobilbereich.
Das funktioniert im Fahrbetrieb so hervorragend, dass man sich ernsthaft fragt, warum nicht schon eher jemand drauf gekommen ist. Allerdings ist die Grundabstimmung der Aprilia Caponord 1200 immer noch komfortabel. Wer’s solo richtig rocken lassen will, wählt per Knopfdruck die Einstellung „Zwei Personen plus Gepäck“. Dann ist das Setting straff genug fürs Lustbrennen über die Hausstrecke. Hierzu passen auch die super funktionierende, einstellbare Traktionskontrolle (ATC) und das „Sport“-Mapping. Nur die ABS-unterstützten Bremsen könnten noch etwas mehr Biss vertragen.
Soul und Sound sind super, die Verarbeitung top, die Leistung okay und das Fahrwerk ist für Faule eine Offenbarung: Nix mehr einstellen, nur noch brennen oder touren. Mit rund 7,3 Litern auf 100 km ist der Verbrauch im Bezug auf die Leistung recht hoch, das bekommt die Konkurrenz besser hin. Die neue Aprilia Caponord 1200 ist gelungen, wird aber wohl leider ein Exot bleiben.
Antrieb
Wassergekühlter 90-Grad-V2-Motor, 4 Ventile/Zylinder, 92 kW (125 PS) bei 8000/min*, 115 Nm bei 6800/min*, 1197 cm3, Bohrung/Hub: 106/67,8 mm, Verdichtung: 12:1, elektronische Einspritzanlage, 52-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Kupplung, Sechsganggetriebe, Kettenantrieb
Fahrwerk
Stahl-Gitterrohrrahmen mit Alu-Profilen, Lenkkopfwinkel: 66 Grad, Nachlauf: 125 mm, Radstand: 1555 mm, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, Federweg v./h.: 167/150 mm
Räder und Bremsen
Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/6.00 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 180/55 ZR 17, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Monobremssätteln vorn, 240-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten, ABS, Traktionskontrolle
Gewicht (vollgetankt)
265 kg (Travel), 247 kg (Basisversion)* Tankinhalt: 24 Liter Super
Grundpreis
16 190 Euro (Travel), 13 790 Euro (Basisversion)