Suzuki DR 800 S und Husqvarna 701 Enduro LR
Aufgeschlossenheit trifft auf Entschlossenheit

Freunde deftiger Eintöpfe und großer Tanks wurden in den 1990ern von Suzuki verköstigt. Aktuell bietet nur Husqvarna  ein solches Gericht an. Wir verkosten beide im Rahmen einer zwanglosen Ausfahrt.

Suzuki DR 800 S und Husqvarna 701 Enduro LR
Foto: Jörg Künstle

Auf den ersten Blick erscheint es wenig seriös, die beiden hier gezeigten Motorräder ernsthaft miteinander vergleichen zu wollen, schließlich liegen konzeptionell satte 30 Jahre zwischen den beiden. Und genau deshalb ist dies auch kein ernsthafter Vergleich, sondern eine zwanglose gemeinsame Ausfahrt, um aufzuzeigen, wie sehr sich das Rad des Fortschritts weitergedreht hat und ob und wo die Alte noch mithalten kann.

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Suzuki DR 800 S und Husqvarna 701 Enduro LR
Für Freunde deftiger Eintöpfe
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Gemeinsamkeiten von DR 800 und 701 Enduro

Es gibt einige Gemeinsamkeiten, die die beiden Protagonistinnen verbinden. Zum einen waren bzw. sind sie in ihrer Zeit die größten erhältlichen Einzylinder. Wobei die Suzuki mit ihren 779 cm³ die ewige Bestenliste anführt. Dagegen wirken die 693 cm³ der Husky zumindest auf dem Papier fast schon, nun ja, kleinlich. Zum anderen sind die Tankinhalte mit 24 Litern (Suzuki) und 25 Litern (Husky) ebenso dicht beieinander wie die luftigen Sitzhöhen von je gut 92 Zentimetern. Nämliches gilt für die Verkaufspreise. Die gezeigte DR kostete 1995 neu 11.090 Geldeinheiten, die LR gibt es derzeit für gut 11.100. Allerdings in einer anderen Währung. Und last, but not least haben beide Bikes ein Design, das vorsichtig formuliert polarisierend wirkt.

Angesichts der allgegenwärtigen GS mag man es kaum glauben, deshalb sei es an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich erwähnt: Es waren nicht die Bayern, die den Entenschnabel erfanden, es war die anfangs noch Big genannte DR 750, die nach zweijährigem Gastspiel 1988 bis 89 von der optisch etwas gefälligeren 800er abgelöst wurde. Das Foto-Fahrzeug ist Bau- und Modelljahr 95 und muss schon ohne den Beinamen "Big" durchs Leben gehen. Sehr weit ist sie dabei nicht gekommen, denn der Zähler des mechanischen Tachos zeigte zu Beginn der Foto- und Vergleichsfahrten keine 6.000 Kilometer an. Die sich quasi im Neuzustand befindliche Enduro stellte uns MOTORRAD-Classic-Mastermind Uli Holzwarth zur Verfügung. Er nahm es gelassen hin, dass sich innerhalb von zwei Tagen die Gesamtlaufleistung um gut fünf Prozent erhöhte, und hatte auch gegen den Besuch des Prüfstands keine Einwände. Besten Dank an dieser Stelle dafür. Im Gegensatz dazu verzichteten wir auf eine Überprüfung der Offroad-Qualitäten. Kleiner Scherz am Rande. Auch die Mess- und Verbrauchswerte stammen aus zeitgenössischen Tests.

Und wie fährt sich dat Dingen nu?

Und wie fährt sich dat Dingen nu? Wie immer kommt es darauf an. In diesem Fall auf die Beinlänge. Denn beim gefahrenen Exemplar wurde die Telegabel mit Federn samt angepasstem Öl von Wirth gepimpt, was die Sitzhöhe auf gemessene 920 mm hievt. Lange Haxen gleich sicherer Bodenkontakt gleich freie Birne gleich Let’s go! Die DR ist wunderbar ausbalanciert, und trotz des bei vollem 24-Liter-Tank sich gefühlt auf Ohrhöhe befindlichen Schwerpunkts wendest du die DR beim Fotofahren nach dem dritten Mal locker am Lenkanschlag in einem Zug auf der schmalen Straße. Kollege Schmieder auf der Husky hat da schon mehr zu tun. Aber er hat ja auch deutlich kürzere Haxen. Und einen größeren Wendekreis. Nämlich 5,15 statt 4,79 Meter. Trotz des überraschend bequemen Fauteuils in der Beletage sitzt man eher in als auf der DR. Der simple Stahlrohrlenker liegt recht hoch, was einerseits eine sehr aufrechte Sitzposition ergibt, andererseits das Fahren im Stehen ermöglicht, sollten der Untergrund oder der früher oder später doch einsetzende Pain in the Ass dies erfordern.

Der von gleich zwei kettengetriebenen Ausgleichswellen kultivierte Big-Bore- Single zieht zumindest in den unteren Einheiten der nicht übermäßig präzise agierenden Fünfgang-Schaltbox quasi ab Leerlaufdrehzahl tapfer an, wobei im letzten Gang 3.500, besser 4.000/min anliegen sollten, soll die Fuhre wirklich rundlaufen. Ab 4.000/min kommt auch richtig Leben in die Bude. Zumindest solange man die Husky nicht kennt, doch davon später mehr. Bis rund 6.000/min hält der Spaß an, danach wird es zäher. Wobei der Drehzahlmesser motorschonend wirkt. Bei Nenndrehzahl 6.600/min zeigt er gut 7.500/min an. Wenn der Begrenzer bei 7.400/min eingreift, ist die Nadel, Uli du musst jetzt sehr tapfer sein, aus dem roten Bereich fast schon wieder heraus. Diesseits des Prüfstands bewegt man sich meist zwischen 3.500 und 5.500/min nach Anzeige und ist durchaus souverän unterwegs. Was die modifizierte Gabel an Straffheit zu viel hat, fehlt dem nur in der Vorspannung justierbaren Federbein. Fährste flott, passt’s vorn und hinten gautscht’s, wenn’s hinten passt, dann stuckert’s vorn. Aber irgendwas is ja immer. Zum Beispiel die Bremse. Auch hier hat der Fortschritt gnadenlos zugeschlagen. Auf der DR, obwohl mit optisch sehr dezenter Stahlflex-Leitung von Hel gepimpt, laufen Bremsmanöver überspitzt formuliert ab wie folgt: tief einatmen, rechte Hand zur Faust ballen, langsam 21, 22 zählen und dann gucken, ob sich die Tachonadel gegen den Uhrzeigersinn bewegt hat. Hat sie. Im Gegensatz dazu ist die hintere Bremse recht bissig und hilft tatkräftig mit, den gewünschten Anhaltepunkt zu treffen.

Der zweiradgewordene Kulturschock

Dort steht schon die Husqvarna 701 Enduro LR bereit. In dieser Situation der zweiradgewordene Kulturschock. Wo eben noch lockere Gemütlichkeit herrschte und Aufgeschlossenheit gegenüber Mitfahrern und Gepäck, da regiert nun ernsthafte Entschlossenheit. Ballast ist nicht vorgesehen. Der Mitfahrer muss selber fahren, dein Gepäck hast du im Rucksack, fertig. Aber wer will hier schon mitfahren? Das Sitzmöbel ist zwar deutlich kürzer, dafür etwas breiter als eine Eisenbahnschiene, deren Härte trifft sie aber ganz gut. De facto sind aktuelle Husqvarnas ja nichts anderes als in der Wolle, Pardon, im Plastik gefärbte KTMs und somit per Definition auch "ready to race". Womit einiges erklärt wäre. Zum Beispiel das stramme Setup. Man muss auf der Straße schon arg zügig unterwegs sein, um dem voll einstellbaren Fahrwerk fühlbare Regungen zu entlocken. Dafür dürfte die Landung nach dem 20-Meter-Table keine Probleme bereiten. Also, dem Motorrad. Oder das spartanische Cockpit. Wenn es einen Stringtanga unter den Cockpits gäbe, dann wäre es dieses. Oder sogar nur der String.

Doch das alles tritt in den Hintergrund, wenn der aus diversen 690e-KTMs bekannte Eintopf seine Arbeit aufnimmt. Im real kaum zu vermeidenden Stadt-, Alltags- und Berufsschleichverkehr benimmt sich der ebenso doppelt gezündete wie ausgleichsgewellte Eintopf beinahe so brav wie weiland die Yamaha SR 500. Die Einfinger-Anti-Hopping-Kupplung braucht es dank Schaltautomat und Blipper eigentlich nur zum Anfahren. Und dann bist du da. Draußen aus der Stadt, vor dir das Einzylinderland. Auf den kleinen, gewundenen, oft auch räudig asphaltierten Straßen bist du mit der Husky ganz vorne mit dabei. Okay, die montierten Continental TKC 80 sind jetzt auch auf schlechtem Asphalt nicht die allererste Wahl, können aber deutlich mehr, als man ihnen zutraut. Die elektronischen Helferlein in Form von ABS und TC zeigen alsbald die Grenzen des Machbaren auf. Und innerhalb derer macht die 701 keine Gefangenen. Binnen kürzester Zeit ist die DR aus dem Rückspiegel verschwunden. Was nicht beabsichtigt war, sich aber bei einem Blick auf die Kurven der Hinterradleistung schnell erklärt. Im auf der Landstraße oft genutzten vierten Gang liegen bei der Husky bei gleichem Tempo bis zu 25 PS mehr am Hinterrad an. So machst du bei gleichem Einsatz am Gasgriff an jedem Kurvenausgang mehr Meter. Ob du willst oder nicht.

Zudem scheint der Motor der 701 bei rund 5.500/min förmlich zu explodieren und dreht gierig und überraschend kultiviert in Richtung 9.000 Touren. Er fühlt sich rumpeliger an, als er ist. Und dass die Ex-Schwedin mit 173 Kilogramm fast einen Zentner weniger wiegt, macht es aus der Sicht der Japanerin auch nicht gerade leichter. Wenn der Husky-Mann einmal am Kabel zieht, dann ist er für den Rest der Tour außer Sichtweite. Eine Erkenntnis, die keinen der Beteiligten wirklich überrascht. Eher, wie frisch die DR nach 25 Jahren noch wirkt. Mit ABS, gepimptem Fahrwerk, ein paar Pferden mehr und etlichen Kilos weniger könnte sie heute all jene ansprechen, die verreisen und nicht verrasen wollen.