Die beiden V2-Reiseenduros Suzuki V-Strom 650 und Suzuki V-Strom 1000 stehen sich konzeptionell und technisch nahe. Was das Duo trennt, ist neben Hubraum und Leistung vor allem der Preis. Lohnen sich über 5000 Euro Aufschlag für die große V-Strom?
Die beiden V2-Reiseenduros Suzuki V-Strom 650 und Suzuki V-Strom 1000 stehen sich konzeptionell und technisch nahe. Was das Duo trennt, ist neben Hubraum und Leistung vor allem der Preis. Lohnen sich über 5000 Euro Aufschlag für die große V-Strom?
Seit längerer Zeit mussten sich Reiseenduro-Enthusiasten beim Blick in den Suzuki-Prospekt bescheiden. Ein einziges Modell, die Suzuki V-Strom 650, widmeten die Japaner noch diesem Segment. Immerhin: Mit gefälligeren Formen sowie Feinschliff an Motor und ABS wurde die populäre kleine V-Strom technisch und optisch zur Saison 2011 in die Moderne transferiert. In der großen Hubraumklasse herrschte dagegen Funkstille.
Zu extrem tobte das technische Wettrüsten im Lager der angesagten 1200-cm³-Multi-Tools. Semiaktive Fahrwerke, elektronisch einstellbare Federelemente, Spitzenleistungen bis zu 150 PS – damit hat die zu Beginn dieses Jahres vorgestellte Suzuki V-Strom 1000 nichts am Hut. Stattdessen proklamieren die Suzuki-Modellplaner für die neue Große kurzerhand eine eigene Klasse.
Mit einem Liter Hubraum, 100 PS Spitzenleistung und einem Tarif von 12.540 Euro liegt die Suzuki V-Strom 1000 technisch und preislich denn auch ziemlich genau auf halbem Weg zwischen den 800er- und 1200er-Reiseenduros. Die Distanz zu ihrer kleinen Schwester fällt allerdings größer aus. Gut 30 PS liegen zwischen der gemessene 71 PS starken 650er und der 102 PS kräftigen 1000er – und nach der jüngsten Preissenkung der Suzuki V-Strom 650 von 8390 auf 6990 Euro eine Preisdifferenz von immerhin 5300 Euro.
Unterschiede, die beim ersten Rendezvous mit dem Duo zunächst in den Hintergrund treten. Denn beide Maschinen wirken – unüblich in dieser Kategorie – relativ zierlich, kommen sich in der Ergonomie recht nahe. Etwas komfortabler die Sitzbank der 1000er, etwas schlanker der Knieschluss der 650er und beide mit genügend Abstand zwischen Lenker, Sitz und Fußrasten, um das für Reiseenduros typische großzügige Raumgefühl zu vermitteln. Selbst der Gewichtsunterschied zwischen der 216 Kilogramm schweren Suzuki V-Strom 650 und der Suzuki V-Strom 1000 (229 kg) hält sich in Grenzen.
Auch auf den ersten Metern bleibt die Ähnlichkeit frappant. Die beiden wassergekühlten 90-Grad-Vau-Zwei der Suzuki V-Strom 650 und der Suzuki V-Strom 1000 brillieren mit erstklassiger Laufruhe, überlassen Kettenpeitschen oder Hacken im Drehzahlkeller der europäischen Konkurrenz. Logisch, dass sich der 650er-Motor in dieser Beziehung mit seinen geringeren bewegten Massen noch etwas leichter tut. Dafür revanchiert sich der dicke Vau-Zwo mit der Macht seines Hubraums. Druckvoll legt er kurz über Standgasdrehzahl los, schiebt mit seiner sich bereits bei 3500/min zu voller Höhe aufbäumenden Drehmomentwelle vehement voran. Intuitiv schaltet man bei 4000 Touren hoch, nützt den Druck des unaufgeregten Zweizylinders – und wird auch deshalb keine Sekunde weder die zusätzlichen Pferde der Konkurrenz bei höheren Drehzahlen noch die in diesen Kreisen derzeit hippen verschiedenen Motormappings vermissen.
Und wieder ist es logisch, dass der Motor der Suzuki V-Strom 650 sich auch in dieser Beziehung anders aufstellt. Statt mit souveräner Wucht setzt sich der Kurzhuber mit einer erfrischenden Quirligkeit in Szene, schnalzt leichtfüßig durch die Drehzahlleiter und benimmt sich in jedem Drehzahlbereich so unangestrengt, dass der Leistungsunterschied zwischen den beiden Motoren subjektiv deutlich geringer erscheint, als es die Leistungskurven suggerieren mögen. Natürlich, mit Beladung und im Passagierbetrieb spielt die Suzuki V-Strom 1000 das Potenzial ihrer großen Pötte aus – und das ihres Fahrwerks.
Denn mit vollständig einstellbaren, straff abgestimmten Federelementen setzt sich die Suzuki V-Strom 1000 klar von der 650er ab. Auch wenn die Upside-down-Gabel der Großen auf unkultiviertem Terrain etwas überdämpft umherpoltert, bleibt sie dem konventionellen Pendant der kleinen Suzuki V-Strom 650 überlegen und bietet – wie auch das Federbein – deutlich mehr Reserven. Allerdings: Wer sich auf den Solobetrieb beschränkt, findet mit der 650er den komfortableren Partner.
Wer allerdings mal kräftig in die Eisen greifen muss, der wird den erheblich definierteren Druckpunkt der radial angeschlagenen Festsattelbremsen der großen V-Strom gegenüber der profanen Schwimmsattelanlage in der Kleinen goutieren – und sie doch nicht aus dem Rückspiegel verlieren. Denn selbst ohne Gewichtsvorteil flutscht die Suzuki V-Strom 650 spürbar flinker durch die Kurven, lässt sich einfacher abklappen als die Suzuki V-Strom 1000 – und sich in diesem Umfeld mit der Summe ihrer Eigenschaften von ihrer großen Schwester letztlich kaum distanzieren. Wohl auch ein Grund, weshalb Suzuki die im Vergleich überlegenen Reisequalitäten der 1000er-Version derzeit mit einer mit Koffern, Topcase, Sturzbügel und Hauptständer aufgerüsteten und preislich interessanten sogenannten Big-Ausgabe (13.240 Euro) betont.
Suzuki V-Strom 650
Plus
• kultivierter und drehfreudiger Motor
• geringer Verbrauch (3,6 Liter/100 km)
• sehr neutrales Lenkverhalten
• gegenüber dem Vorgängermodell modernere Optik
• moderater Preis
Minus
• kurze Inspektionsintervalle (6000 km)
• bescheidene, aber ausreichende Ausstattung
Suzuki V-Strom 1000
Plus
• drehmomentstarker Motor
• relativ geringes Gewicht (229 kg)
• erstklassiger Sitzkomfort
• unkompliziertes Fahrverhalten
• gute Soziustauglichkeit
Minus
• im Klassenvergleich wenig elektronische Einstellmöglichkeiten (Motormapping, Federelemente)
• im Klassenvergleich moderate Spitzenleistung
MOTORRAD-Messwerte
Suzuki V-Strom 650 | Suzuki V-Strom 1000 | |
Höchstgeschwindigkeit¹ | 185 km/h | 205 km/h |
Beschleunigung 0–100 km/h | 4,2 sek | 4,0 sek |
0–140 km/h | 8,6 sek | 6,8 sek |
0–200 km/h | - | 19,4 sek |
Durchzug 60–100 km/h | 5,4 sek | 3,7 sek |
100–140 km/h | 6,8 sek | 4,2 sek |
140–180 km/h | - | 6,4 sek |
Mit einem bereits bei 3500/min beginnenden Drehmomentplateau demonstriert auch der Prüfstand den im Fahreindruck dominanten Punch der Suzuki V-Strom 1000 im Drehzahlkeller. Die vom Leistungsdiagramm suggerierte Unterlegenheit der Suzuki V-Strom 650 wirkt sich in der Praxis nicht dramatisch aus. Die 650er überspielt ihren Hubraumnachteil mit Drehfreude und guten Manieren.
Mit dem kräftigeren Punch des 1000er-Motors, dem hochwertigen Fahrwerk und der sehr guten Reise- und Soziustauglichkeit besitzt die Suzuki V-Strom 1000 gute Argumente. Allerdings: Der eklatante Preisunterschied von über 5000 Euro relativiert die Unterschiede zwischen den beiden Schwestern. Denn die Suzuki V-Strom 650 brilliert nach wie vor mit einem höchst kultivierten, drehfreudigen Motor und gutem Handling. Solisten und Landstraßen-Räuber sind mit der Kleinen kaum schlechter bedient.
Welche der beiden Suzuki V-Strom einem fahrtechnisch besser gefällt, muss man selbst entscheiden. Doch wenn der Preisunterschied von 5000 € der entscheidende Punkt ist, dann sollte man in der Gebraucht-Motorradbörse nachsehen. Dort schwindet die Preislücke und es finden sich sowohl günstige Suzuki V-Strom 650 als auch Suzuki V-Strom 1000 in gutem Zustand: Gebrauchte Suzuki V-strom 650 und V-Strom 1000 in Deutschland