Kein Handy-Halter, kein Online-Anschluss, kein Bordcomputer. Die beste Transalp aller Zeiten bleibt ganz einfach, was sie immer war: ein Motorrad zum Abhauen.
Kein Handy-Halter, kein Online-Anschluss, kein Bordcomputer. Die beste Transalp aller Zeiten bleibt ganz einfach, was sie immer war: ein Motorrad zum Abhauen.
Transalp renovieren — das erinnert irgendwie an Goethe umschreiben oder Picasso verbessern. Bangen Herzens werden sich die Honda-Techniker der Aufgabe gestellt haben, ihren Enduro-Klassiker erstmals in seiner über 13-jährigen Karriere rundum aktualisieren zu müssen. Mehr Leistung, mehr Fahrstabilität, mehr Sitzkomfort waren gefordert. Leicht gesagt und schwer getan bei einem Motorrad, das im kleinen, aber feinen Segment der Mittelklasse-Reiseenduros in all diesen Disziplinen sowieso schon ganz vorn rangierte.
Außerdem sollte der charakteristische V-Zweizylinder natürlich neu eingekleidet werden. Ebenfalls eine delikater Job, denn just die Transalp trat seinerzeit die Welle der verschalten Enduros los. Zog Hohn und Spott auf sich, weil die beinharten Stollenritter weiterhin im Wind flattern wollten, erntete dann doch Lob allerorten, weil vernunftbegabte Langstreckler bald das segensreiche Wirken ihrer Dreiviertel-Verkleidung erkannten. Schwankend zwischen Zeitgeist und ewigen Werten, präsentiert sich die Neue nunmehr zwar im Varadero-Look, aber noch lange nicht in Plastikschwelgereien.
Gut so, die mittelgroße Schale mit dem kräftigen Freiflächen-Scheinwerfer im Bug reicht nämlich locker aus, um selbst lange Fahrer in Schutz zu nehmen. Lediglich an den Schultern zaust der Fahrtwind, Kopf und Brust aber liegen in einer glatten Strömung, und wen das stört, dem sei auf die höhere Scheibe im Honda-Zubehör empfohlen. Der um einen auf 19 Liter Fassungsvermögen gewachsene und — endlich — mit bündigem Deckel versehene Tank bietet jetzt auch Langbeinigen guten Knieschluss, das Ensemble aus straffer, wohl konturierter Sitzbank und ausreichend tief montierten Fußrasten lädt zu stundenlangem Verweilen ein.
Vor den Augen des Fahrers breitet sich hübsch übersichtlich das um eine recht exakte Tankanzeige erweiterte Instrumentarium aus, wobei eben diese Ergänzung darauf verweist, dass auch die Transalp neuerdings ohne Reservehahn auskommen muss. Die Armaturen zählen zu den wenigen unverändert übernommenen Teilen: nicht mehr ganz taufrisch, aber solide und funktional. Unter der Sitzbank dagegen haben die Techniker kräftig aufgeräumt, den von 4,5 auf 5,3 Liter gewachsenen Luftfilter direkt über den Vergasern platziert und so ein Werkzeugfach bajuwarischen Ausmaßes geschaffen. Darin verschwindet sogar eine kleine Regenkombi. Fürs Reisegepäck reicht’s nicht ganz, aber dafür hält Honda jetzt in Gestalt formschöner Koffer und eines riesigen Topcases Systemlösungen parat.
All diese Bemühungen verraten, mit welcher Sorgfalt die anspruchsvollen Wünsche der Vielfahrer und Reiselustigen verfolgt wurden. So wundert nicht, dass sogar die Rufe nach Mehrleistung Gehör fanden. Der Baukasten macht’s möglich: Nachdem der ursprünglich für die Transalp konstruierte Doppelzündungs-Dreiventiler ausschwärmte, um in diversen Modifikationen alle möglichen Honda-Mittelklässler zu befeuern, kehrt er jetzt quasi zurück. Aus der Deauville, erstarkt um fünf PS, aufgestockt um exakt .... cm3. Was natürlich niemals ausreicht, um die alte Transalp in Grund und Boden zu fahren, aber immerhin für ein mess- und spürbar höheres Drehmomentniveau über den gesamten Drehzahlbereich.
Von den versprochenen 55 PS versammeln sich exakt 54 zur Leistungsmessung, just drei mehr als die letzte 600er-Transalp bei MOTORRAD (siehe Heft 8/1997) auf die Rolle stemmte. Der 60 PS starke 750er aus der Africa Twin übrigens hätte ein größer dimensioniertes Fahrzeug verlangt. Pressetextet Honda. Und vermeldet weiter, dass deshalb diese prima Idee wieder verworfen wurde. Einerseits wissen Transalp-Fans, dass 54 PS für gediegenen Spaß reichen, andererseits: Auch diese Leute haben so ihre Träume. Sei’s drum, der mit vibrationsminderndem Hubzapfenversatz agierende V-Twin marschiert tatendurstig aus dem Drehzahlkeller, nimmt schon da Gas an, wo sich die allermeisten Einzylinder noch verärgert schütteln, und prescht nach oben raus sehr agil bis in den roten Bereich bei 8500/min hinein. Ein souveränes Aggregat, das — ganz nach Fahrers Gusto — mal fordern und dann wieder in Ruhe lassen kann, das beweist, wie viel ein guter Motor zum Wohlfühlen beiträgt. Und immer wieder und so auch jetzt die Frage aufwirft, warum andere so stur auf Einzylinder setzen. Wegen der paar Kilogramm? Oder wegen der paar Märker Herstellungskosten?
Wie gewohnt, setzt auch das Fünfganggetriebe auf den Wohlfühlfaktor. Schnell, exakt und weich zu schalten. Aus geänderten Übersetzungsverhältnissen bei Gangrädern sowie Sekundärantrieb resultieren in allen Gängen etwas »längere« Gesamtübersetzungen, die prima mit der Mehrleistung des Motors korrespondieren. Und die ihren Teil beitragen zum nochmals geringfügig niedrigeren Verbrauch. Da fügt sich ins positive Gesamtbild, dass Sekundärluftsystem und ungeregelter Kat für beinahe zeitgemäße Abgasreinugung bürgen.
Fahrwerksseitig verspricht Honda einen um zehn Prozent steiferen Rahmen. Wer auch immer das beweisen soll: Fakt ist, dass die Neue selbst im Soziusbetrieb schnelle, wellige Kurven ohne jenes - freilich harmlose - Verwinden durcheilt, mit dem die Alte Leben in die Bude brachte. Größere Rohrquerschnitte der unteren Partien der Stahlschleife und ihrer Unterzüge sollen’s gebracht haben.
Zudem unterdrückt ein neues, in der Zugstufe deutlich strafferes Federbein irritierendes Nachwippen beinahe komplett und trägt so - ohne den guten Federungskomfort zu beeinträchtigen - sein Teil zur vorbildlichen Fahrstabilität bei. Es wird übrigens von einer neu konstruierten, aus Aluminium statt Stahl gefertigten Umlenkhebelei angesteuert. Dieser geometrische Umbau war nötig, weil unter der Schwingenaufnahme jetzt ein Vorschalldämpfer Platz genommen hat. Der Endschalldämpfer mit seinen markantem Doppelauslass fällt deshalb viel leichter aus. Schwerpunkt gesenkt - prima. Auch gut: Das Federbein nehmen nicht billige Plastikbuchsen, sondern Wälzlager auf.
An der fein ansprechenden Telegabel war nie viel auszusetzen. Im 2000er-Jahrgang eine Idee straffer abgestimmt, führt sie ein weiterhin 21 Zoll großes Vorderrad. Und das bringt’s: Zielsicherer als die meisten ihrer auf 19 Zoll fußenden Konkurrentinnen durcheilt die Transalp Kurven aller Art. Lässt sich dabei wunderbar weich einlenken, bleibt absolut linientreu und operiert mit völlig ausreichender Schräglagenfreiheit. Auf Schotter - soll ja mal vorkommen - spielt der vergleichsweise schmale 90er-Vorderreifen natürlich ebenfalls besser mit als die sonst üblichen 100er. Und überhaupt: Von Staub bis Nässe fährt die ........-Erstbereifung gute Noten ein.
Die Bremsen - zum guten Schluss - spielen immer und überall mit, die vordere Doppelscheibe gehört gar zum Besten in dieser Klasse. Fein zu dosieren, sehr wirkungsvoll. Allenfalls der etwas schwammige Druckpunkt bliebe zu monieren. Auf jeden Fall hat diese Anlage nicht mal bei voller Beladung Angst vor langen Passabfahrten. Dann also, wenn die Transalp ihren schönsten Trumpf ausspielt: Platz für das Leben zu zweit.
Wer mag, kann dabei Musik hören. Aus dem aufpreispflichtigen Radio oder CD-Spieler. Aber das ist fast schon wie Handy-Halter.