Top-Test Aprilia Caponord 1200 ABS Travel Pack
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Das Reiseenduro-Segment wächst weiter: Mit druckvollem V2-Motor, semiaktivem Fahrwerk und Traktionskontrolle will die neue Aprilia Caponord vom Stand weg auf Augenhöhe mit der Konkurrenz sein. Gelingt ihr ein Einstand nach Maß?

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Top-Test Aprilia Caponord 1200 Teil 1

Nein! Wir reden hier nicht über erotische Vorlieben. Auch nicht über irgendwelche Angewohnheiten. Es geht einzig um die fabrikfrische Aprilia Caponord 1200 ABS Travel Pack, die zweierlei Tugenden beinahe perfekt beherrscht: über Stock und Stein zu gleiten und von Kurve zu Kurve zu swingen. Ob das jedoch genügt, um eine ernsthafte Rivalin von Ducati Multistrada, KTM 1190 Adventure und Konsorten zu werden?

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Der Markt der Reiseenduros ist hart umkämpft, das zeigte bereits der diesjährige, dreiteilige Vergleichstest. Fast alle Hersteller haben in diesem Segment die Taktfrequenz erhöht, sind mit neuen Modellen oder deutlich überarbeiteten Konzepten an den Start gegangen.

Der Motor ist praxiserprobt und stammt aus der Dorsoduro 1200

Mit leichter zeitlicher Verzögerung prescht nun Aprilia mitten hinein in die geballte Konkurrenz, präsentiert mit der Caponord 1200 ABS Travel Pack die erste Reiseenduro des Herstellers seit dem Jahr 2007. Geschlafen haben sie in Noale derweil jedoch nicht. Die Liste der technischen und elektronischen Ausstattung ist lang: ADD, ATC, ACC, ABS, Ride-by-Wire, Multimapping, Bluetooth, USB - willkommen in der modernen Welt der Zweirad-Elektronik.

Das Herzstück der Caponord ist bekannt und bereits praxiserprobt. Der 90-Grad-Vau-Zwo mit 1197 Kubikzentimetern Hubraum feuert bereits die große Supermoto Dorsoduro 1200 an. Zugunsten einer fülligeren Drehmomentkurve verzichtete man bei der Neuen auf sechs Pferdchen Spitzenleistung. Schwach auf der Brust ist die Aprilia Caponord 1200 deshalb aber nicht: Mit nominal 125 PS und 115 Newtonmetern steht sie für ihren Einsatzzweck gut im Futter, muss sich auf der Landstraße keineswegs hinter der Konkurrenz verstecken. Das gilt schon eher beim Blick auf die unbestechliche Prüfstandskurve: Ein paar PS und Newtonmeter weniger als versprochen sind zwar ärgerlich, aber zu verzeihen.

Respektable Reichweite: 436 Kilometer mit einer Tankfüllung

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Ärgerlich: Das Cockpit hat keine Restreichweiten- oder Temperaturanzeige.

Warum aber die Drehmomentkurve gerade zwischen 4000 und 6000 Touren schwächelt, also genau dort, wo man sich im Fahrbetrieb die meiste Zeit aufhält, ist verwunderlich. Ein Vergleich mit der Prüfstandskurve des 1200er-Pendants aus der Dorsoduro zeigt, dass diese gegenüber der Caponord in jener Drehzahlregion sogar bis zu zehn Newtonmeter mehr drückt. Ob hier vielleicht die Leistung eher zugunsten eines besseren Spritverbrauchs vermindert wurde? Schließlich kippt sich die Dorsoduro gerne mal zwischen 7,5 und zehn Liter hinter die Binde. Mit gerade mal 5,5 Litern nippt die Caponord 1200 ABS im Vergleich ja nur noch am Gläschen, kommt auf eine respektable Reichweite von 436 Kilometern. Verbuchen wir das schon mal als Teilerfolg.

Ein kurzer Druck aufs Knöpfchen und der zwischen Gitterrohrrahmen und Aluminiumprofilen platzierte Vau-Zwo mit Doppelzündung erwacht zum Leben. Trotz einstelliger Temperaturen dreht er im Stand relativ gleichmäßig mit 1500 Touren.

Doch Moment: Wer ohne intensives Studium des Bordhandbuchs losfahren will, wird schnell wieder absteigen und nacharbeiten. Mit welchem Knopf man welches Setup beeinflusst und was sich hinter den Abkürzungen der Assistenzsysteme verbirgt, sollte vorab verinnerlicht sein. Dann geht alles ruck, zuck: Links vom LCD-Panel sind zwei Druckknöpfe platziert. Mit dem unteren kann man durch das Menü klicken, mit dem oberen Knopf die Auswahl verändern. Damit kommt selbst der größte Technikverweigerer klar. Zunächst wird eine der drei Stufen der Traktionskontrolle (ATC) ausgewählt.

Ein kräftiger Stellmotor passt die Vorspannung des Federbeins an

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Schade: In die Koffer passt kein Integralhelm, sie fassen nur je 27 Liter.

Die Funktionsweise der ATC ist so simpel wie effektiv: Über die Hallsensoren des ABS wird stetig die Raddrehzahl von Vorderund Hinterrad abgeglichen. Wird hinten Schlupf registriert, wird die Zündung kurzzeitig unterbrochen und somit ein weiteres, potenzielles Durchdrehen der Hinterhand unterbunden. In Stufe eins lässt die ATC sehr viel Schlupf zu, in Stufe drei regelt sie deutlich früher. Das alltagstauglichste Regelniveau bietet Stufe zwei mit der goldenen Mitte.

Neben der Traktionskontrolle und dem für den Solo-Betrieb famos abgestimmten, abschaltbaren Zwei-Kanal-ABS von Continental hat die getestete Travel Pack-Version der Aprilia Caponord 1200 zusätzlich zur Basisvariante ein semiaktives Fahrwerk. Deshalb darf man dem Moped vor Fahrtantritt mitteilen, ob man allein, mit Sozia, mit oder ohne Gepäck unterwegs ist. Ein kräftiger Stellmotor, der sich unterhalb der Sitzbank befindet, passt daraufhin die Vorspannung des Federbeins elektrisch an. Doch damit nicht genug: Die Auswahl des Beladungszustands definiert zusätzlich die Kennlinien der semiaktiven Dämpfungsanpassung des Fahrwerks. Soll heißen: Sagt man dem Motorrad, dass man alleine auf ihm hockt, ist damit gleichzeitig eine Kennlinie für die Zug- und Druckstufenverstellung aktiv, die tendenziell auf mehr Komfort ausgelegt ist.

Aprilia
Für den automatischen Niveauausgleich ist ein großer elektrohydraulischer Servoantrieb zuständig, der im Heck verbaut ist.

Ist man zwar weiterhin als Solist auf der Caponord 1200 ABS unterwegs, will aber auf der Hausstrecke gepflegt Furchen in den Asphalt ziehen, stellt man den Beladungszustand auf zwei Personen inklusive Gepäck ein und erntet damit nicht nur die am stärksten vorgespannte Federbasis des Monoshocks, sondern auch das straffste Dämpfungsniveau.

Neben den vier vordefinierten Beladungszuständen hat Aprilia als erster Hersteller eine automatische Niveauregulierung für die Federbasis des hinteren Dämpfers entwickelt. Wählt man diesen aus, misst das Motorrad über ein verbautes Potenziometer das aufgesattelte Gewicht und passt die Federvorspannung entsprechend an (Abtastintervall etwa einmal pro Minute). Das Erfreuliche: Das System arbeitet in der Caponord 1200 ABS Travel Pack tadellos. Wer häufiger mal die Freundin oder den Kasten Bier auflädt, muss zukünftig nicht mehr manuell am Federbein rumschrauben, sondern kann getrost auf die pfiffige Sensorik vertrauen und dem Stellmotor die Plackerei überantworten.

Die Sachs-Gabel wird noch klassisch von Hand vorgespannt

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n der Sachs-Gabel, die noch klassisch per Hand vorgespannt werden muss, ist ein Drucksensor verbaut.

Ein willkommener Bedienungskomfort also. Das Potenziometer funktioniert überdies wie eine Art Federwegsensor, der über die Veränderung des Abstands zwischen unterem Rahmenprofil und Schwinge die Ein- beziehungsweise Ausfedergeschwindigkeit und den zurückgelegten Federweg des Monoshocks errechnet. Die hieraus ermittelten Daten sind einer von fünf Parametern, die für die Steuerung des semiaktiven Fahrwerks verantwortlich sind. In der Sachs-Gabel, die noch klassisch per Hand vorgespannt werden muss, ist ein Drucksensor verbaut, der ebenfalls Informationen über das Ein- und Ausfederungsniveau ermittelt. Daneben speisen das Ride-by-Wire-System über die Gasgriffstellung und der ABS-Sensor über den Bremsdruck ein separates Steuergerät (genannt Vehicel Control Unit = VCU) mit weiteren Parametern.

Die VCU errechnet so mithilfe eines Algorithmus den aktuellen Fahrzeugzustand und passt entsprechend die Dämpfung von Zug- und Druckstufe innerhalb von maximal 10 Millisekunden daran an. So kompliziert das klingen mag: Merken tut der Fahrer davon nichts. Gut so. Alles eingestellt und verstanden? Dann kann es endlich losgehen.

Top-Test Aprilia Caponord 1200 Teil 2

Nur ein paar Minuten eingerollt, schon ist man verblüfft: Die mit 23 Litern Sprit befüllte, samt Koffern 264 Kilogramm schwere Aprilia Caponord 1200 ABS lässt sich extrem einfach dirigieren. Fühlt sich eher nach leichtem Salat als fettigem Cheeseburger an. Ergonomisch steht sie der Konkurrenz in nichts nach. Alles ist an seinem Platz, die Sitzbank in 86 Zentimetern Höhe ist komfortabel, bettet den Fahrer weder zu passiv noch zu vorderradorientiert. Der Lenker ist in optimaler Höhe positioniert, mit knappen 90 Zentimetern aber relativ breit.

Nach den ersten engagiert genommenen Kurven grinst der Fahrer wie ein Honigkuchenpferd. Fast ungläubig nimmt man das tolle Handling der Caponord 1200 zur Kenntnis, fragt sich, wie die Fahrwerkskonstrukteure es hinbekommen haben, dass sie zudem wie an der Schnur gezogen durch die Kurven eilt. Wechselkurven nimmt die Aprilia so engagiert, als wenn sie Deutscher Meister im Swingtanz wäre. Mit ganz wenig Körpereinsatz lässt sie sich präzise umlegen, bleibt dabei stets neutral und satt mit dem Asphalt verzahnt. Dabei sind mit den Dunlop Qualifier II, hinten in 180er-Breite, nicht mal die handlichsten und modernsten Gummis montiert.

Der V2 der Caponord 1200 geht sauber und direkt ans Gas

fact
Die Caponord macht sich auch auf dem Slalomparcours eine gute Figur

Ganz easy und definiert lenkt die 1200er in die Kurve ein. Erst sehr spät wird das Motorrad etwas kippelig, stempelt dann leicht über den Hinterreifen nach außen. Das semiaktive Fahrwerk leistet dabei prächtige Arbeit, dämpft einerseits stets mit dem gebotenen Tourenkomfort, reagiert bei flotter Hatz über den Asphalt andererseits mit der nötigen Straffheit, ohne Härte zu demonstrieren. So gleitet man über lange wie kurze Bodenwellen hinweg, als wenn die Straßen frisch geteert wären.

Sauber und direkt geht der Zweizylinder ans Gas. Drei Mappings stehen zur Auswahl. Im Sport-Modus reagiert das Ride-by-Wire-System auf leichtes Zucken in der rechten Hand mit hastigem Vortrieb. Wer es etwas milder mag, zappt während der Fahrt einfach über den Anlasserknopf in das Touring-Mapping oder bemüht den leistungsreduzierten Regen-Modus, schon zeigt sich bei der Caponord 1200 ein deutlich zahmeres Ansprechverhalten. Damit kann man ganz entspannt durch den Harz oder Schwarzwald gurken, ohne den Gasgriff mit Fingerspitzengefühl dosieren zu müssen.

Eines steht fest: Die Akustiker aus Noale verstehen ihren Job

Und wo wir schon bei der Leistungsentfaltung sind: Im Fahrbetrieb ist das Drehmomentloch nicht so deutlich spürbar, wie es die Prüfstandskurve vermuten lässt. Das liegt auch daran, dass der Motor, wie von einer feurigen Italienierin gewohnt, beim überzeugten Dreh am Ride-by-Wire-Kabel eine fette Portion Emotionen erzeugt und mangelnde Power durch ein feist pulsierendes Herz überspielt. Die Akustik-Verantwortlichen aus Noale verstehen ihren Job, das steht fest. Ab 4000 Umdrehungen ist V2-Geboller in feinsten Zügen zu vernehmen, das obenheraus schließlich zu heftigem Amboss-Gehämmer mutiert. Ein klasse Ohrenschmaus. Zumal die Caponord 1200 ABS, sofern man denn will, auch ganz sachte und nachbarschaftsverträglich vom Hofgefahren werden kann. So soll es sein.

Bärig schiebt der Zweizylinder aus dem Drehzahlkeller los, hackt unterhalb von 3000 Touren noch ein wenig auf der Kette rum. Nach einer leichten Verschnaufpause kennt das Triebwerk ab 6000 Umdrehungen kein Halten mehr, dreht kernig und mit tollem Punch bis 9000 Touren, wo die Caponord 1200 ABS in den Begrenzer läuft. Das Schalten durch das Getriebe ist beinahe ein Hochgenuss. Kurze Schaltwege, exakte Rastung, wenig Fußkraft, alltagstaugliche Übersetzung. Nur die schwergängige Kupplung nervt auf Dauer.

Dafür kann man sich am Griff in die Brembo-Bremsanlage erfreuen. Sie benötigt zwar etwas Handkraft, belohnt den Fahrer dafür aber mit feiner Dosierbarkeit und vehementer Bremswirkung.

So fängt man die Caponord gerne wieder ein. Schließlich möchte man mit der 16190 Euro teuren Reiseenduro gern noch länger über die Straßen dieser Welt gleiten und swingen.

Ursprünge der Caponord

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In der Dorsoduro werkelt der gleiche 90-Grad-V2-Motor wie in der neuen Caponord 1200.

Als BMW um die Jahrtausendwende mit der R 1150 GS immer mehr Motorräder verkaufte und sich um die Reise- beziehungsweise Großenduros ein stetig wachsender Kreis von Interessenten tummelte, wollte man in Italien nicht länger nur zuschauen. Doch was auf den ersten Blick absurd klang, verfolgte man in Noale mit dem nötigen Selbstbewusstsein: den robusten und drehmomentstarken 60-Grad-V2-Motor aus dem Supersportler RSV Mille so zu modifizieren, dass er für eine Reiseenduro taugt.

Das Vorhaben gelang mit kleineren Drosselklappen, anderen Kolben und Nockenwellen. Mit stattlichen 98 PS und 92 Newtonmetern stieß die Aprilia ETV 1000 Caponord im Jahr 2001 auf den Markt, trug als Erste in ihrer Klasse einen Aluminium-Brückenrahmen.

Trotz guter Fahrleistungen, feiner Verarbeitung und hoher Zuverlässigkeit ließ ein Verkaufserfolg vergeblich auf sich warten. Weder eine Endurovariante namens Rally Raid mit grobstolligen Reifen und voll einstellbaren Federelementen (die deutlich besser als das Basismaterial dämpften) noch eine ab 2006 erhältliche ABS-Version sollten gute Zulassungszahlen nach sich ziehen. Da der Motor nur die Euro-2-Abgasnorm erfüllte, musste Aprilia die Produktion zu Beginn des Jahres 2007 einstellen.

Danach blieb man in Noale im Segment der Reiseenduros lange untätig. Da der Motorradmarkt sich aber bis heute immer stärker auf die hochbeinigen Allrounder konzentriert, präsentiert Aprilia nun die Caponord, die antriebsseitig wiederum von der seit 2011 auf der Bühne befindlichen Dorsoduro 1200 profitiert.

Der Dorsoduro eilt seit jeher ein Lausbuben-Ruf voraus. Schließlich ist sie bis heute die stärkste Supermoto der Welt. Mit satten 131 PS und 115 Newtonmetern wuselt sie - eine artgerechte Handhabung vorausgesetzt - mit heftigen Drifts und abhebendem Vorderrad außen an Otto Normalmotorradfahrer vorbei. Doch einen Wermutstropfen hat der starke Antritt des 90-Grad-V2-Motors der Supermoto: Der Spritverbrauch pendelte sich bei zahlreichen Testfahrten zwischen durchschnittlich acht bis zehn Litern ein. Nur zahme Gashände schafften geringere Verbräuche. Viel zu viel also. Gut zu wissen, dass Aprilia dieses Defizit bei der Caponord ausgemerzt hat.

Messungen

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Bei Bremsungen mit Sozius hebt das Hinterrad ab und keilt aus, die Bremse muss manuell gelöst werden.

Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit*
240 km/h

Beschleunigung
0-100 km/h 3,7 sek
0-140 km/h 6,0 sek
0-200 km/h 13,1 sek

Durchzug
60-100 km/h 4,3 sek
100-140 km/h 5,1 sek
140-180 km/h 6,2 sek
Tachometerabweichung
effektiv (Anzeige 50/100) 47/97 km/h
Drehzahlmesserabweichung
Anzeige roter Bereich 9000/min
effektiv 9100/min

Verbrauch
bei 130 km/h 6,0 l/100 km
Landstraße 5,5 l/100 km
theor. Reichweite Landstraße 436 km
Kraftstoffart Super

Maße+Gewichte
L/B/H 2230/995/1420 mm
Sitzhöhe 855 mm
Lenkerhöhe 1170 mm
Wendekreis 5440 mm
Gewicht vollgetankt 255 kg
Zuladung 205 kg
Radlastverteilung v/h 47/53 %

Ordentlich Druck mit Druckabfall: Stellt man die Drosselklappen knapp unterhalb von 3000 Umdrehungen auf Durchzug, erntet man einen vehementen Antritt des Vau-Zwo. Ruht sich der Motor dann zwischen 4000 und 6000 ein wenig aus, ist der Vortrieb oberhalb davon fulminant. Damit kann man sich fabelhaft aus dem Eck herauskatapultieren.

Fahrdynamik
Handling-Parcours I (schneller Slalom)
Rundenzeit 20,3 sek
Referenz Ducati Multistrada 1200 S 19,9
vmax am Messpunkt 106,8 km/h
Referenz Ducati Multistrada 1200 S108,0

Handling-Parcours II (langsamer Slalom)
Rundenzeit 28,5 sek
Referenz Ducati Multistrada 1200 S 28,7
vmax am Messpunkt 51,6 km/h
Referenz Ducati Multistrada 1200 S53,5

Kreisbahn (Ø 46 Meter)
Rundenzeit 11,0 sek
Referenz Ducati Multistrada 1200 S 10,6
vmax am Messpunkt 49,8 km/h
Referenz Ducati Multistrada 1200 S52,4

Fazit

Der Aprilia Caponord gelingt tatsächlich ein Einstand nach Maß. Mit ihrem toll ausbalancierten, semiaktiven Fahrwerk und einem famosen Handling begeistert sie auf Anhieb. Verbesserungsbedarf besteht dennoch: Gepäckbrücke, Verzurrmöglichkeiten, ein umfangreicherer Bordcomputer sowie ein auch im Soziusbetrieb sicher verzögerndes ABS sollten gerade bei einer Reiseenduro selbstverständlich sein.

MOTOR Maximale Punktzahl Aprilia Caponord 1200 ABS Travel Pack
Durchzug 40 26
Beschleunigung 40 26
Topspeed 30 21
Motorcharakteristik 30 23
Ansprechverhalten 20 13
Lastwechsel 20 13
Laufruhe 20 13
Kupplung 10 7
Schaltung 20 14
Getriebeabstufung 10 9
Starten 10 8
Summe 250 173

Der V2-Motor brilliert mit hoher Laufkultur. Ab 3000 Umdrehungen läuft das Triebwerk sehr ruhig, fällt auch im Bereich hoher Drehzahlen nicht mit unangenehmen Vibrationen auf. Das Schaltwerk funktioniert tadellos, überzeugt auf ganzer Linie mit knackiger Ras­tung und kurzen Wegen. Störend wirkt dabei die etwas schwergängige Kupplung, die sich darüber hinaus auch nicht sonderlich gut dosieren lässt. Springt der Motor beim Starten grundsätzlich nach wenigen Kurbelwellen­umdrehungen an, braucht er ab und zu etwas länger, bis er die Arbeit selbsttätig aufnimmt.

FAHRWERK Maximale Punktzahl Aprilia Caponord 1200 ABS Travel Pack
Handlichkeit 40 28
Stabilität in Kurven 40 28
Lenkverhalten 40 27
Rückmeldung 10 6
Schräglage 20 14
Geradeauslaufstabilität 20 15
Fahrwerksabstimmung vorn 20 14
Fahrwerksabstimmung hinten 20 14
Einstellmöglichkeiten Fahrwerk 10 10
Federungskomfort 10 6
Fahrverhalten mit Sozius 20 16
Summe 250 178

Das Kapitel Fahrwerk meistert die Caponord mit Bravour. Trotz der recht hohen Gesamtmasse sind ­sowohl Handlichkeit als auch Lenkverhalten auf sehr ­hohem Niveau. Das semiaktive Fahrwerk mit elektronischer Dämpfungsverstellung hinterlässt einen exzellenten Eindruck. Ob Schlaglöcher oder welliger Fahrbahnbelag: Die Dämpfung agiert stets mit der richtigen Portion Druck- beziehungsweise Zugstufe, ohne dabei unkomfortabel zu werden. Die Federbasis der Gabel muss als einziger Einstellmechanismus noch per Hand bedient werden.

ALLTAG Maximale Punktzahl Aprilia Caponord 1200 ABS Travel Pack
Ergonomie Fahrer 40 32
Ergonomie Sozius 20 14
Windschutz 20 12
Sicht 20 12
Licht 20 13
Ausstattung 30 20
Handhabung/Wartung 30 17
Gepäckunterbringung 10 3
Zuladung 10 7
Reichweite 30 28
Verarbeitung 20 14
Summe 250 172

Mit einfachen Modifikationen könnte die Aprilia den Mitbewerbern im Alltagsvergleich och näher auf den Pelz rücken. Leider fehlen Selbstverständlichkeiten wie eine Restreichweiten- und Temperaturanzeige im Cockpit ebenso wie Verzurrmöglichkeiten und eine Gepäckbrücke in der Heckpartie des Zweirads. Die Verarbeitung ist – wie von Aprilia gewohnt – gut, was vom Fernlicht allerdings nicht behauptet werden kann. Das befindet sich eher auf Taschenlampen-Niveau. Mit dem 23 Liter großen Treibstofftank sind hohe Entfernungen ohne Tankstopp zurückzulegen.

SICHERHEIT Maximale Punktzahl Aprilia Caponord 1200 ABS Travel Pack
Bremswirkung 40 30
Bremsdosierung 30 22
Bremsen mit Sozius/Fading 20 12
Aufstellmoment beim Bremsen 10 6
ABS-Funktion 20 15
Lenkerschlagen 20 16
Bodenfreiheit 10 9
Summe 150 110

In Sachen Sicherheit offenbart sich Licht und Schatten zugleich. Die Brembo-Monoblocks sind sehr fein zu dosieren, allerdings benötigen sie für harsche Verzögerungen eine hohe Handkraft. Das Conti-ABS ist für den Solisten perfekt abgestimmt und ermöglicht kurze Bremswege. Im Soziusbetrieb droht durch Auskeilen des Hecks ein Sturz, sofern die Bremse nicht manuell gelöst wird.

KOSTEN Maximale Punktzahl Aprilia Caponord 1200 ABS Travel Pack
Garantie 30 15
Verbrauch (Landstraße) 30 17
Inspektionskosten 20 17
Unterhaltskosten 20 8
Summe 100 57

Thema Kosten: Den Benzindurst der Dorsoduro hat die Caponord glücklicherweise nicht geerbt. Mit 5,5 Litern auf 100 Kilometer und 10 000er-Inspektionsintervallen bewegt sich die Aprilia im Mittelfeld der Reiseenduros.

Technische Daten

fact
Die Federelemente sind semiaktiv und elektronisch einstellbar.

Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, je zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 57 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 690 W, Batterie 12 V/12 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Kette, Sekundärübersetzung 42:17.
Bohrung x Hub 106,0 x 67,8 mm
Hubraum 1197 cm³
Verdichtungsverhältnis 12,0:1
Nennleistung
92,0 kW (125 PS) bei 8000/min
Max. Drehmoment
115 Nm bei 6800/min

Fahrwerk
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, mechanisch verstellbare Federbasis, elektronisch verstellbare Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Federbein, direkt angelenkt, elektronisch verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm, Einkolben-Schwimmsattel, ABS, Traktionskontrolle.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17
Bereifung im Test Dunlop Sportmax Qualifier II, hinten „MT“

Maße + Gewicht
Radstand 1555 mm, Lenkkopfwinkel 63,0 Grad, Nachlauf 127 mm, Federweg v/h 170/150 mm, zulässiges -Gesamtgewicht 460 kg, Tankinhalt/Reserve 24,0/5,0 Liter.
Service-Daten
Service-Intervalle 10000 km
Öl- und Filterwechsel
alle 20000 km 3,1 Liter
Motoröl SAE 10 W 40
Telegabelöl
OJ Racing Fork Oil Type 01
Zündkerzen NGK CR8EKB
Leerlaufdrehzahl 1450 ± 100/min
Reifenluftdruck (solo/mit Sozius)
vorn/hinten 2,4/2,5 (2,6/2,8) bar
Garantie zwei Jahre
Farben Grau, Rot, Weiß
Preis Testmotorrad 15903 Euro
Nebenkosten zirka 287 Euro

Konkurrenz

Ducati Multistrada 1200 S Touring
Zweizylinder-V-Motor,
Sechsganggetriebe, 148 PS,
Gewicht: 245 kg, 0-100
km/h: 3,3 sek,
vmax : 245 km/h,
Verbrauch: 5,4 Liter
19135 Euro*

Kawasaki Versys 1000 Grand Tourer
Vierzylinder-Reihenmotor,
Sechsganggetriebe, 118 PS,
Gewicht: 252 kg, 0-100
km/h: 3,5 sek,
vmax: 226 km/h,
Verbrauch: 5,2 Liter
13175 Euro*

Triumph Tiger 1050 Sport
Dreizylinder-Reihenmotor, Sechsganggetriebe, 125 PS,
Gewicht: 250 kg,
0-100 km/h: 3,4 sek,
vmax: 220 km/h,
Verbrauch: 5,2 Liter
12585 Euro*

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023