"Simplify, then add lightness." Vereinfachen, dann Leichtigkeit hinzufügen – so lautete das Motto des Lotus-Gründers Colin Chapman. Der Mann hatte recht: Nichts verbessert das Handling eines Fahrzeugs so unmittelbar und nachhaltig wie das Fehlen von Gewicht. Doch statt „Weniger ist mehr“ heißt besonders im beliebten Segment der Reiseenduros die Devise schon lange „Bigger is better“. Mehr Platz, mehr, Ausstattung, mehr Komfort, dazu Protektoren, Koffer, Scheinwerfer etc. Hersteller und Veredler liefern, was der Kunde verlangt. Dass dabei mehr Reisemotorrad, aber weniger Enduro herauskommt, wird jeder bestätigen, der auf einem Schotterparkplatz mal neben einer voll ornierten und betankten BMW R 1200 GS Adventure gelegen hat.
50 Kilogramm leichter als Serien-R 1200 GS
Doppelt schön daher, dass gerade die Hinzufüg-Experten von Touratech in Absprache mit BMW die Vision einer radikal erleichterten R 1200 GS haben Wirklichkeit werden lassen. Runde 50 Kilogramm wurden im Vergleich zur Serienmaschine eingespart. Ziel war dabei keine Wettbewerbsmaschine, sondern eine verhältnismäßig leichte, seriennahe Wanderenduro, schließlich bedeutet „Rambler“ so viel wie „Wanderer“. Anders gesagt: eine Neuinterpretation der kurzlebigen HP2 Enduro.
Basis ist aber keine GS, sondern die Telelever-lose BMW R 1200 R, die Motor und Rahmen spendet. Letzterer wurde modifiziert, versteift und mit flacherem Lenkkopfwinkel versehen. Das 21-Zoll-Vorderrad führt die Gabel einer F 800 GS Adventure (Touratech-Cartridge-Einsatz), die Kardanschwinge stammt aus der BMW R 1200 GS Adventure, bietet zusammen mit einem speziell angefertigten Federbein endurogemäßen Federweg. Weggelassen wurden Originalauspuff, Blechtank, Bleiakku und Rahmenheck, hinzugefügt Titan-Akrapovic, eine selbsttragende, im Hydroforming-Verfahren gefertigte Alutank-Heckkombination und eine kleine Lithium-Ionen-Batterie. Luftfilterkasten und Motorschutz aus Kohlefaser, feine Alu-Anbauteile sowie einige Schmankerl aus dem 3-D-Drucker komplettieren die Diätkur, veranschaulichen nebenbei das Konstrukteurs- und Fertigungs-Know-how der Niedereschacher. In Spanien konnte MOTORRAD einen der beiden Prototypen exklusiv bewegen – onroad wie offroad.
Interview zur Touratech R 1200 GS Rambler
Pilot sitzt mehr auf als im Motorrad
Schon beim Rangieren macht sich das Fehlen eines runden Zentners frappierend bemerkbar, und das gilt erst recht beim Ausflug auf losem Untergrund. Wo eine Standard-GS ob ihrer immer präsenten Masse viel Routine und jedes Mal aufs Neue kräftig Eingewöhnung abverlangt, lässt es sich mit der deutlich abgespeckten Touratech R 1200 GS Rambler ab dem ersten Meter herrlich intuitiv schottern. Sicher, aus dem Wasserboxer wird kein 450er-Sportgerät, doch gefühlt markiert der Rambler etwa die Mitte zwischen ebensolchem und der zivilen Reiseenduro-Basis.
Dazu tragen neben den heruntergefeilschten Kilos maßgeblich die langen Federwege, das große Vorderrad und nicht zuletzt echte Enduro-Ergonomie bei. Sehr hoch, mehr auf als im Motorrad und tendenziell näher am Lenkkopf, genießt der Pilot jene Bewegungsfreiheit, die es für aktives Geländefahren braucht und die einer Standard-GS weitgehend fehlt. Für eine richtige Enduro breit, für eine GS aber sensationell schmal baut die Tank-Sitzbank-Kombination der Touratech R 1200 GS Rambler, die mit ihrer einteiligen Auflage sportliche Härte praktiziert. Fast noch besser passt es im Stehen, dann fällt der hohe, nicht allzu breite Lenker perfekt zur Hand, lassen sich die Beine schön an den Tankflanken anlegen. Griffige Fußrasten sowie Brems- und Schalthebel, die sich auch mit Motocross-Stiefeln noch bedienen lassen, runden die Sache ab.
Boxer taugt zu unerwartet heftigem Antritt
Eine Offenbarung ist besonders die gefräste Magura-Radialpumpe zur Kupplungsbetätigung. Haargenaue Dosierbarkeit verbunden mit kinderleichter Einfinger-Bedienkraft wie beim kleinen Einzylinder, damit wandert die intern auch K199
getaufte Touratech R 1200 GS Rambler spielerisch durch langsame Passagen. Besonders hier spielt der Boxer seine Stärken aus: hervorragende Laufkultur, spontane Leistungsabgabe und Antrittsbereitschaft bei niedrigster Drehzahl. Bei flotterem Tempo dann macht sich eine leichte Kopflastigkeit bemerkbar, die allerdings weit weniger ausgeprägt ist als beim Serienmotorrad. Dessen Telelever bügelt zwar bekanntlich sehr komfortabel auch über gröberes Felswerk, lässt im Gegenzug aber wenig Gefühl für die Beschaffenheit des Untergrunds aufkommen. Das kann die 45-Millimeter-USD-Gabel der Touratech R 1200 GS Rambler wesentlich besser. Eher straffe Federn sind aber dem Prototypenstatus geschuldet, verhelfen der Maschine jedoch zu enormen Reserven. Das große, schmale Vorderrad rollt wesentlich ungerührter über Rillen und Löcher, baut in Kurven zudem viel mehr Führung auf als ein 19-Zöller, der auf losem Untergrund schnell einklappt. Die Rambler geht so souverän über Stock und Stein, dass ihr eine noch grobstolligere Bereifung als der Metzeler Karoo 3, der noch Straße kann, auch gut stehen würde. Apropos Straße: Dort knallt der Boxer dann mal so richtig. Der 1200er taugt zu unerwartet heftigem Antritt, wenn man ihn von einem Zentner Bremsgewicht befreit. Colin Chapman wäre sicher stolz, die Touratech-Entwickler dürfen es auch sein.
6 zerlegte Motorräder für 2 Prototypen
Falls Sie jetzt das Scheckheft gezückt haben: Kaufen kann man das Ganze derzeit nicht. Mal davon abgesehen, dass für
die beiden Prototypen insgesamt sechs Motorräder zerlegt wurden: Die Modifikationen am Rahmen bedeuten, dass eine neue Typisierung notwendig wäre. In Großserie ließe sich das vielleicht darstellen, arg viel unbezahlbares Hightech steckt nicht in der Touratech R 1200 GS Rambler. Nur ist Touratech kein Hersteller und BMW mit der hochpreisigen HP2 seinerzeit auf der Nase gelandet. Die Wirtschaftlichkeit einer Produktion hängt natürlich von der Stückzahl ab und damit letztlich an der Kundschaft. Die HP2 jedenfalls ist heute ein begehrtes Sammlerstück. Vielleicht entdeckt der Markt ja wieder den Leicht-Sinn und will eine echte Boxerenduro? Es wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Ganz sicher kein Zufall, dass der zweite K199-Prototyp weiß-blau-rotes Dekor trägt.
Touratech R 1200 GS Rambler
Motor
Luft-/wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, eine Ausgleichswelle, je zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Schlepphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, 2 x Ø 52 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 620 W, Batterie 12 V/4,6 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, Kardan, Sekundärübersetzung 2,909.
Bohrung x Hub: 101,0 x 73,0 mm
Hubraum: 1170 cm³
Verdichtungsverhältnis: 12,5:1
Nennleistung: 92,0 kW (125 PS) bei 7700/min
Max. Drehmoment: 125 Nm bei 6500/min
Fahrwerk
Brückenrahmen aus Stahlrohr, Upside-down-Gabel, Ø 45 mm, verstellbare Federbasis und Zug- und Druckstufendämpfung, Zweigelenk-Einarmschwinge aus Aluminium, verstellbare Federbasis und Zug- und Druckstufendämpfung, Scheibenbremse vorn, Ø 300 mm, Vierkolben-Festsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 276 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, ABS.
Speichenräder mit Alu-Felgen 2.15 x 21; 4.25 x 17
Reifen: 90/90 R 21; 150/70 R 17
Maße + Gewichte
Radstand: k. A.
Lenkkopfwinkel: k. A.
Nachlauf: k. A.
Federweg vorn/hinten: 200/230 mm
Gewicht vollgetankt: 199 kg
Tankinhalt: 16,2 Liter
Preis: Prototyp k. A.
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