Alle Reiseenduros sind zu schwer, eine aber ist deutlich zu schwer. Für das 2016er-Modell der Triumph Tiger Explorer in XCa-Vollausstattung (mit Hauptständer, ohne Koffer) meldete die MOTORRAD-Redaktionswaage mit vollem 20-Liter-Tank heftige 286 Kilogramm. Nicht, dass man mit dem Motorrad nicht glücklich werden konnte; ein seidig-kraftvoller Reihendreizylinder, bester Wind- und Wetterschutz, Vollausstattung sowie Kardan und Koffersystem machen die Tiger Explorer zu einer schönen, nur eben etwas beleibten Alternative für all jene LangstreckenAsphalt-Abenteurer, denen die üblichen Verdächtigen zu üblich sind. Trotzdem beschied nun auch Hinckley, dass es Zeit sei für eine kleine Katzendiät. Und im Rahmen derer ändert die Triumph Tiger Explorer ihren Namen, heißt jetzt Triumph Tiger 1200.
Was ist neu?
Grundsätzlich unterscheiden sich weiterhin zwei Reihen: XR mit Gussrädern für den Straßeneinsatz, XC mit Speichenrädern und Motorschutz für den Offroad-Look. Erstere ist in drei Ausstattungsniveaus verfügbar (von denen die Mittlere noch als sitzhöhenreduzierte LRH angeboten wird), Letztere in zwei, da schenkt man sich die Einstiegsvariante. Zudem lassen sich einzelne Posten extra ordern. Während bei den einfacheren Varianten gerade einmal zwei bzw. fünf Kilo wegfallen, sind es bei den Top-Modellen Triumph Tiger 1200 XRt und Triumph Tiger 1200 XCa immerhin rund zehn. Bedeutend leichter sind neben einigen Anbauteilen wie Motorschutzplatte und Bügel sowie Zusatzscheinwerfern folgende Komponenten: Arrow-Titanschalldämpfer, Batterie, Kurbelwelle und Schwungrad. Die Motorinnereien allein wiegen rund drei Kilo (!) weniger. Was sich, wie man sehen wird, erheblich bei den Fahreigenschaften bemerkbar macht.
Video zur neuen Triumph Tiger 1200
Üppige Ausstattung
Nicht gespart haben die Entwickler hingegen bei der Ausstattung. Schon die Explorer verfügte in den Spitzenmodellen über ein elektronisches Fahrwerk mit automatischer Niveauregulierung hinten, eine elektrisch verstellbare Scheibe, allerlei Fahrmodi und Tempomat, und, natürlich, Griff- und Sitzheizung. Ab 2018 ergänzen eine komplette LED-Lichtmaske nebst adaptivem Kurvenlicht, Quickshifter mit Blipper, schlüssellose Zündung sowie das aus der neuen Street Triple bekannte hervorragende TFT-Display die lange Liste. Eine komplette Auflistung käme einem Sonderheft gleich. Weiter unten folgt ein Überblick mit den zentralen Ausstattungsmerkmalen der neuen Triumph Tiger 1200-Modelle. Alles klar? Dann los.
Auf der Straße Triumph Tiger 1200 XRt
Rauchig, dezent fauchend wie eh und je springt der 1.215-Kubik-Reihendreizylinder an, das altbekannte Sirren aus dem Motorinneren aber fällt nun wesentlich dezenter aus. Die hydraulisch betätigte Kupplung der Triumph Tiger 1200 XRt ist recht leichtgängig, das Getriebe schaltet weich und präzise, der Blipper funktioniert – in den unteren Gängen nicht völlig ruckfrei, aber rundum zufriedenstellend. Zwar blieb der Motor prinzipiell unverändert, neben der deutlich geringeren Schwungmasse aber sollen weitere Detailoptimierungen mehr Kraft im unteren Drehzahlbereich sowie eine um zwei auf 141 PS gesteigerte Spitzenleistung bewirken. Der Erfolg dieser Maßnahme wäre nur im direkten Vergleich oder auf dem Rollenprüfstand zu beurteilen, klar aber ist: Der große Drilling war und bleibt ein exzellenter Reisemotor. Schnurrige Laufkultur vom tiefsten Drehzahlkeller bis zum Begrenzer, feine Gasannahme, höchst lineare Leistungsentfaltung – Tourenfahrer werden diesen Antrieb als stressfrei-kultivierten Gefährten schätzen, den Kardan sowieso.

Nur ganz unten drückt ein gewisser Zweizylinder noch besser, ab der unteren Mitte aber ist reichlich Kraft vorhanden. Drehfreude und Spitzenleistung, Sekundärtugenden einer Reiseenduro, genügen auch sehr sportlichen Ansprüchen. Entsprechend den Fahrmodi (Triumph Tiger 1200 XRt: Rain, Road, Sport, Off Road sowie der frei programmierbare Rider Mode) sind Gasannahme, ABS, TC und das elektronische Fahrwerk hinterlegt – und das stimmig. Viel Umhergezappe braucht es dann auch nicht (Road oder Sport passen eigentlich immer), da sich die Dämpfungscharakteristik des Fahrwerks direkt und während der Fahrt in neun Stufen nachjustieren lässt. Die Menüstruktur im neuen, gut ablesbaren TFT-Display ist ein riesiger Fortschritt zum in dieser Hinsicht unnötig komplizierten Vorgängermodell. Etwas Übung erfordert die Steuerung des Rechners per (hintergrundbeleuchtetem) Joystick am linken Lenkerende, besonders mit dicken Winterhandschuhen. Doch das Bedienkonzept an sich gefällt.
Große Verbesserung auch beim Fahrverhalten
Noch immer lenkt die Tiger recht handlich ein (66,8 Grad Lenkkopfwinkel und 100 mm Nachlauf), die ausgeprägte Kopflastigkeit der Vorgängerin aber ist Geschichte. Der Grund hierfür dürfte in erster Linie nicht beim gesunkenen Gesamtgewicht liegen (zehn Kilo sind schön, absolut betrachtet aber nicht die Welt), sondern hauptsächlich in den eingangs erwähnten erheblich verringerten rotierenden Massen im Motor. Das Fahrwerk selbst bietet noch immer guten Komfort, besonders vom hinteren Federbein her, und einen weiten Einstellbereich ins Straffe. Anders als die Systeme der Konkurrenz passt die Triumph Tiger 1200 die Dämpfung nicht dynamisch der Fahrsituation an, sondern verwendet statische Dämpferwerte – ob man also von einem semiaktiven System sprechen kann, bleibt streitbar. Vorteil: ein analogeres, natürlicheres, nicht so entkoppeltes Fahrgefühl. Nachteil: Beim Ballern bieten die im eigentlichen Sinn semiaktiven Fahrwerke mehr Stabilität. Die Optimierungen enden mit der Bremsanlage: Weiterentwickelte Brembo-Zangen sowie neue Beläge verbessern Bremsgefühl und Verzögerung.
Abseits der Straße: Triumph Tiger 1200 XCa
Natürlich bleibt das bevorzugte Einsatzgebiet auch einer Triumph Tiger 1200 XCa der Asphalt. Mit Pirelli Scorpion Rallye bereift (Triumphs Empfehlung für solche Einsätze) schlägt sich die Tiger 1200 mit ihren 190 Millimeter Federweg im Terrain aber souverän. Auch hier verbessert die Kurbelwellen-Diät das Fahrverhalten sehr deutlich. War ambitioniertes Schottern mit der Tiger Explorer eher Kampf, swingt die Triumph Tiger 1200 jetzt fluffiger, balancierter durch leichtes Gelände. Der Fahrmodus Offroad lockert die elektronischen Zügel in angemessener Weise: Vorne etwas ABS, hinten keines, die TC lässt mehr Schlupf zu. Für Fortgeschrittene empfiehlt sich Offroad Pro (nur XCa): ABS komplett deaktiviert, keine TC. Allerdings lassen sich die gleichen Einstellungen beispielsweise auch im normalen Offroad-Modus oder im Rider Mode sichern. Wer also eine Voreinstellung ohne Fahrhilfen mag, muss deshalb nicht zwingend zur XCa greifen. Die Gelände-Anbauteile (Unterfahrschutz und seitliche Bügel) der XC-Reihe wirken robust, die an allen Modellen verbauten Handguards ebenfalls.

In puncto Ergonomie gleichen sich alle Triumph Tiger 1200. Der Lenker liegt nun etwas näher beim Piloten, was nicht nur das Fahren im Stehen erleichtert, sondern auch dem Langstreckenkomfort zugutekommt. Der bleibt dann auch die große Stärke der Tiger: toller Wind- und Wetterschutz von der großen, weiterhin elektrisch verstellbaren Tourenscheibe (die allerdings etwas spiegelt), ausgezeichnet gepolsterte Sitzbank, schön offener Kniewinkel, Platz auch für Hünen. Enorm behaglich bleibt es auf der Großkatze also auch nach der Minidiät. Preislich bewegt man sich in etwa auf Vorgängerniveau, freilich bei deutlich verbesserter Ausstattung besonders der mittleren Modelle. Macht man das große Kreuz und addiert Koffer, fängt der Kaufpreis auch dieser Reiseenduro mit einer Zwei an.
Modell- und Ausstattungsvarianten Triumph Tiger 1200
Triumph Tiger 1200 | XR | XRx | XRx LRH | XRt | XCx | XCa |
Display | LCD | TFT | TFT | TFT | TFT | TFT |
Licht | H7 | LED | LED | LED | LED | LED |
Kurvenlicht | - | - | - | LED | - | LED |
Quickshifter | - | - | - | + | - | + |
Keyless Ignition | - | + | + | + | + | + |
Elektronisches Fahrwerk TSAS | - | + | + | + | + | + |
Kurven-ABS/schräglagenabhängige TC | - | + | + | + | + | + |
Integralbremse | + | + | + | + | + | + |
Berganfahrhilfe | - | - | - | + | - | + |
Fahrmodi | 3 | 4 | 4 | 5 | 5 | 6 |
Griffheizung | optional | + | + | + | + | + |
Sitzheizung | optional | optional | optional | + | optional | + |
Preis | 14.700 Euro | 16.650 Euro | 16.650 Euro | 18.750 Euro | 17.650 Euro | 19.950 Euro |
Technische Daten
Triumph Tiger 1200 XRt [XCa]
Motor
Wassergekühlter Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, 3 x Ø 46 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 950 W, Batterie 12 V/18 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, Kardan, Sekundärübersetzung 2,557.
Bohrung x Hub: 85,0 x 71,4 mm
Hubraum: 1.215 cm³
Verdichtungsverhältnis: 11,0:1
Nennleistung: 104,0 kW (141 PS) bei 9.350/min
Max. Drehmoment: 122 Nm bei 7.600/min
Fahrwerk
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Ø 48 mm, elektronisch verstellbare Zug- und Druckstufendämpfung, Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, elektronisch verstellbare Federbasis und Zug-Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 305 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 282 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, Traktionskontrolle, ABS.
Alu-Gussräder [Speichenräder mit Alufelgen]: 3.00 x 19; 4.50 x 17
Reifen: 120/70 R 19; 170/60 R 17
Maße und Gewichte
Radstand 1.520 mm, Lenkkopfwinkel 66,8 Grad, Nachlauf 100 mm, Federweg v/h 190/193 mm, Sitzhöhe 835–855 mm, Trockengewicht 248 [243] kg, zul. Gesamtgewicht k. A., Tankinhalt 20,0 Liter.
Garantie: zwei Jahre
Farben: Rot, Weiß [Blau, Weiß]
Preis: 18.750 Euro [19.950 Euro]
Nebenkosten: 450 Euro
Preisvergleich gebrauchter Triumph Tiger XCa und XRT

Große Reiseenduros sind echte Allroundtalente und für ihre Kompetenzen muss man auch Gebrauchtmarkt tief in die Tasche greifen. Die Triumph Tiger 1200 XRT und XCa sind preislich hoch angesetzt, bieten aber auch viel Motorrad für das Geld: hier ein Preisvergleich: gebrauchte Triumph Tiger 1200 XRT und XCa in Deutschland.