Nach 4 Jahren Bauzeit und rund 45.000 verkauften Einheiten, davon gut 2.500 in Deutschland, hat sich Triumph die Tiger-900-Modellfamilie zur Brust genommen und ihr eine Modellpflege verpasst, auf dass sie auch weiterhin erfolgreich auf Kundenfang gehen kann. Um zu checken, inwieweit das gelungen ist, haben wir der neuen Triumph Tiger 900 GT Pro 2024 ein 2023er-Modell, hier in der wunderschönen Triumph 900 GT Aragón Edition, zur Seite gestellt, um beide im Vergleich zu testen. Sämtliche Änderungen gelten natürlich auch für die mit 21/17 statt 19/17 Zoll und Kreuzspeichen- statt Gussrädern bestückten Rally-Modelle.
Motorseitige Änderungen 2024er-Triumph Tiger 900
Die wichtigsten Änderungen freilich, die sieht man bei der Triumph Tiger 900 GT Pro nicht: Der Zylinderkopf wurde stark überarbeitet. Neu geformte Kanäle für Ver- und Entsorgung samt Nockenwellen mit mehr Hub erlauben nebst viel Detailarbeit schnellere Gaswechsel. Eine Ebene tiefer sorgen neue Kolben und eine höhere Verdichtung für mehr Wumms. Ein Plus von 13 PS und drei Nm bei gleichzeitiger Verbrauchsminderung von neun Prozent ist die Ansage. Das Powerplus wurde sogar übererfüllt, den Verbrauchsrückgang können wir nicht bestätigen, wobei die jeweils gemessenen 4,5 Liter jetzt auch kein Grund zum Schämen sind. Eine komplett neu gestaltete Auspuffanlage mit etwas schlankerem Endschalldämpfer rundet die motorseitigen Änderungen ab und senkt nebenbei das Standgeräusch um zwei auf 92 dB(A). Da sich die Mehrleistung erst ab rund 6.000/min bemerkbar macht, spielt sie im realen Fahrbetrieb bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Der neue Triple wirkt jetzt aber insgesamt etwas drehfreudiger.
Mehr Bremsstabilität und verbessertes Display
Weitere Änderungen der Triumph 900 GT Aragón Edition dienen der aktiven und passiven Sicherheit. Anders geformte Rückspiegel sollen die Sicht nach hinten verbessern. Traktionskontrolle und Continental-Kurven-ABS wurden nicht näher konkretisiert optimiert. Jedenfalls wird jetzt für mehr Bremsstabilität beim Betätigen der vorderen Bremse stets die hintere mit aktiviert, was man am wandernden Druckpunkt im Bremspedal fühlen kann. Zudem wird beim scharfen Bremsen der Warnblinker aktiviert. Dessen Eingriffsschwelle liegt zwar deutlich höher als bei diversen Honda-Modellen, dennoch mutiert die Triumph Tiger 900 GT Pro beim ambitionierten Kurvenswing gerne zur Lichtorgel. Die vorderen Blinker leuchten der besseren Wahrnehmbarkeit halber nun dauerhaft.
Bislang konnte bei der Tiger mittels Schalter das Tagfahrlicht (TFL) manuell ein- bzw. ausgeschaltet werden. Diesen Schalter gibt es nach wie vor, nur bestimmt die Triumph Tiger 900 GT Pro nun selbst, wann es ihr zu dunkel wird. Dies hat mitunter zur Folge, dass zum Beispiel in halbschattigen Waldstücken trotz bester Sicht ständig zwischen TFL und einäugigem Abblendlicht hin- und hergeschaltet wird, nervige Anzeige im ebenfalls neuen Sieben-Zoll-TFT-Display inklusive.
Dieses Display ist bereits aus der 1200er-Tiger sowie der aktuellen Speed Triple bekannt und überzeugt mit deutlich verbesserter Ablesbarkeit dank klarerer Grafik. Die Logik ist schnell durchdrungen, und mittels hinterleuchtetem Joystick lässt sich weitgehend intuitiv durch die reichlich vorhandenen Menüs surfen. Das war bei der Alten auch schon so. Die neu geschnittene Sitzbank trägt 20 Millimeter weniger auf und ist im vorderen Bereich etwas schmaler geschnitten, sodass nun auch weniger groß gewachsene Fahrerinnen und Fahrer sicher auf den Boden kommen. Nach wie vor ist das vordere Polster durch simples Umstecken der Halterungen in zwei Positionen (820/840 mm) justierbar. Da von der Sitzbank abgesehen sämtliche ergonomierelevanten Komponenten wie Lenker, Schalter, Hebel, Rasten, Windschild etc. identisch sind, ist es die tourentauglich aufrechte Sitzposition natürlich auch.
Stärkere Dämpfung trotz identischen Fahrwerks
Ebenso das Startprozedere. Hier wie dort dauert es eine kleine Ewigkeit, bis die Displays hochgefahren sind, die Triples lassen sich da weniger lange bitten und kommen sofort zur Sache. Beim gemeinsamen Einrollen der mit identischen Metzeler-Tourance-Next-Pneus bestückten Tiger kann man, wenig überraschend, eigentlich nur anhand des Cockpits bestimmen, auf welcher man gerade sitzt. Die Unterschiede der Sitzbank sind marginal, diagnostiziert das Popometer. Bei flotter Fahrt über derbe Straßen fühlt sich die neue Triumph Tiger 900 GT Pro trotz identischer Fahrwerkseinstellung etwas straffer gedämpft an, obwohl die Fahrwerke laut Triumph absolut identisch sind. Einbildung, Berufskrankheit oder Flöhe-Husten-Hörer, wer weiß? Definitiv keine Einbildung ist die etwas bessere Bremswirkung der Neuen, bei gleichzeitig etwas feinerer Dosierbarkeit. Unterschiede, die freilich nur im direkten Vergleich auffallen. Wie oben bereits erwähnt, bremst die Neue beim Zug am selbstverständlich einstellbaren Handhebel hinten stets ein wenig mit. Das bringt Extrastabilität beim harten Ankern.
Die Tiger 900 GT Pro profitiert von Überarbeitung
Die in dieser Fahrzeuggattung eher zweitrangige Vmax der neuen Triumph Tiger 900 GT Pro profitiert nicht von den 13 PS Mehrleistung. Die jeweils angegebenen 193 km/h werden nur ein wenig eher erreicht. Wenig überraschend ist die Erkenntnis der gemeinsamen Ausfahrt: Die Tiger hat von der Überarbeitung durchaus profitiert und ist dennoch ganz die Alte geblieben: ein großes, eher dem Reisen als dem Rasen zugetanes Motorrad mit viel Platz vorn wie hinten. Das eine Gelassenheit ausstrahlt, die sich alsbald auch auf den Fahrer überträgt. Mit gehobener Ausstattung einschließlich Tempomat, Griff- und Sitzheizung, Konnektivität, Navigation und elektronisch während der Fahrt in Zugstufen-Dämpfung und Vorspannung verstellbarem Federbein. Halt eine echte HochwerTiger. Eine NutzwerTiger war sie immer schon. Und eine GutmüTiger noch dazu.