In der Theorie ist ein Sekundärluftsystem die optimale Ergänzung zum ungeregelten Katalysator. Neben der geringeren Belastung durch die Schadstoffkomponenten Kohlenwasserstoff (HC) und Kohlenmonoxid (CO) heizt es durch die Nachoxidation die Abgase zusätzlich auf und beschleunigt so das Anspringen des Katalysators. Bereits 1991 setzte MOTORRAD diese Erkenntnisse bei einer BMW R 80 GS in die Praxis um - mit durchschlagendem Erfolg. Der Ausstoß der Komponenten HC und CO sank um 85 bis 90 Prozent, die Stickoxide (NOx) gingen um 50 Prozent zurück. Das sind Konvertierungsraten, die im Bereich eines geregelten Katalysators liegen.
Um so erfreulicher, daß mit KTM endlich ein Hersteller das preiswerte und effektive System bei den LC 4-Modellen mit E-Starter (außer bei der Adventure) auf den Markt brachte.
Doch grau ist alle Theorie. So schien es zumindest, als MOTORRAD auf dem Prüfstand eine LC 4 mit einer ohne Abgasreinigungssystem gegenüberstellte. Das Motorrad ohne Schadstoffnachbehandlung emittierte zwar geringe HC- und NOx-Konzentrationen, mit denen es selbst die zukünftige Euro I-Norm locker bewältigt hätte, doch beim Kohlenwasserstoff schaffte es die aktuelle Hürde des ECE-40 Zyklus so gerade eben. Erstaunliches dann bei der LC 4 mit Kat und SLS: Zwar waren die HC- und NOx-Konzentrationen um 50 bis 75 Prozent geringer als ohne Abgasreinigung, das Kohlenmonoxid erreichte aber Werte, die ein gut abgestimmtes Motorrad ohne Schadstoffreinigung ebenfalls erreicht.
Nachfragen bei KTM brachten Verblüffendes zutage. Der Mangel könne an einer falschen Vergaserbestückung liegen. Die Homologation absolvierte die LC 4 LSE mit einem Gasschieber mit 50er Auschnitt. Den kann Dellorto derzeit aber noch nicht liefern. Deshalb verbaut KTM entgegen der allgemeinen Betriebserlaubnis momentan Schieber mit 40er Ausschnitt.
Um der Misere auf den Grund zu gehen, beraumte MOTORRAD einen neuen Termin auf dem Abgasprüfstand an und versuchte zusammen mit dem Homologationsspezialisten Joachim Sauer von KTM, das System zu optimieren. Messungen des CO-Gehalts im Leerlauf deuteten bereits auf eine zu fette Einstellung hin. Nach Justieren der Luftregulierschraube zeigte sich dann selbst mit dem 40er Schieber eine überraschende Wende. CO und HC gingen drastisch in den Keller, und selbst das von Haus aus geringe NOx nahm noch weiter ab, alles Konzentrationen, die die Grenzwerte der in Zukunft geplanten Euro I-Norm locker unterbieten. Nochmals eine Verbesserung brachte die Montage des homologierten 50er Schiebers. Gegenüber der Ausgangsbasis sanken HC um 90 und CO um 96 Prozent, allein NOx stieg um zehn Prozent an. Alles Werte, die dem Vergleich moderner Motorräder mit geregeltem Katalysator locker standhalten.
Das Potential des preisgünstigen Systems - inklusive Einbau fallen in der Produktion insgesamt nicht mehr als zirka 200 Mark an - kann der Hersteller nur dann ausschöpfen, wenn die Grundvoraussetzungen stimmen. Der Katalysator arbeitet eben nur in seinem günstigsten Betriebsbereich um Lambda =1 optimal. Momentan erfaßt die Endkontrolle von rund 100 pro Tag gebauten Fahrzeugen bei exakt zweien das Leerlauf-CO.
Hier kann die Kluft zwischen Theorie und Praxis nur durch eine weitgehende Kontrolle mit anschließender Verplombung der Gemischregulierschraube geschlossen werden. Dann lassen sich vielleicht auch die letzten ewiggestrigen Repräsentanten japanischer Motorradhersteller überzeugen, die auf Kosten der Umwelt heute noch den Einsatz effizienter Abgasreinigungssysteme erfolgreich bekämpfen. Ihrer meinung nach bestehe kein Handlungsbedarf, erfüllen doch alle aktuellen Modelle die geltenden Schadstoffgrenzwerte. Das scheint gemessen an den laschen aktuellen Grenzwerten eine wenig praxisgerechte Theorie.