Vergleichstest 400er-Sport-Enduros
Meisterjäger

Mit der 400 EXC holte KTM im vergangenen Jahr den Enduro-WM-Titel. Damit steht der Euro-Fighter für 2000 im Visier der ebenfalls brandneuen Suzuki DR-Z 400 und der modellgepflegten Yamaha WR 400 F.

Den Österreichern gelang ein Einstand nach Maß. Bereits vor der Markteinführung durfte sich die KTM EXC 400 mit dem Weltmeister- und Vizemeistertitel schmücken. Dafür hatten die Enduro-Sunnyboys Giovanni Sala und Mario Rinaldi gesorgt, die mit ihren Werksrennern im vergangenen Herbst die Plätze eins und zwei der Enduro-WM belegten. Inzwischen ist die erste EXC-Serie in Deutschland bereits ausverkauft – die Sportenduristen haben das elektrogestartete Alpenkrad sofort ins Herz geschlossen.
Nun drängt auch Suzuki mit der neuen DR-Z 400 in die Nische, in der Yamaha erstmals vor zwei Jahren mit der WR 400 F für Furore gesorgt hatte. Der Suzuki-Renner, Jahrgang 2000, tritt mit der schlankeren Tank-Sitzbank-Kombination der Cross-Version YZ sowie einem überarbeiteten Vergaser und einer strafferen Fahrwerksabstimmung noch durchtrainierter als bislang auf. Konzeptionell herrscht also Einigkeit im 400er-Lager: Im Fahrwerk mit 250er-Moto-Crosser-Layout schuftet ein kompakter, kurzhubiger 400-cm3-Viertakter, versorgt von einem 39er-Keihin-Vergaser mit Lastsensor für Vortrieb.
Unterschiede gibt’s jedoch im Bohrung-Hub-Verhältnis: Von der KTM mit 89 mal 64 Millimetern bis zur ultrakurzhubigen Yamaha mit 92 mal 60,1 Millimetern reicht die Bandbreite. Und auch in den Zylinderköpfen herrschen unterschiedliche Philosophien. KTM treibt vier Ventile mit einer Nockenwelle über Rollenkipphebel an, Suzuki setzt auf einen noch drehzahlfesteren dohc-Vierventiler, während bei der Yamaha fünf Ventile für den Gaswechsel sorgen. Auf der Prüfstandsrolle ergab das in der ungedrosselten und damit nicht straßenzugelassenen Version 46 PS für die Suzuki, je 48 PS für die KTM und die Yamaha.
Trotz des E-Starters wiegt die KTM vollgetankt lediglich 123 Kilogramm, ein Kilo mehr als die WR und fünf weniger als die Suzuki. Doch genug der grauen Theorie. Nachdem alle Probanden der Chancengleichheit wegen auf Michelin Enduro Competition III/IV umbereift sind, dürfen die drei Heißblüter nun endlich zeigen, was in ihnen steckt. Schnelle Schotterstrecke
Am Start hat die EXC dank E-Starter das Schutzblech vorn, und auch das Ankicken ist bei ihr mit Auto-Deko nur eine Sache von Sekunden. Bei DR-Z und WR muss zum Deko-Hebel gegriffen werden – das kostet Zeit. Die WR verlangt zudem fast immer nach mehreren Tritten, die DR-Z bollert stets nach dem ersten los. Von Anfang an begeistert die traktormäßige Power des KTM-Triebwerks. Seine relativ langhubige Auslegung verhilft ihm zu einem fast schon großvolumigen Charakter mit breit nutzbarem Leistungsband. Nur auf den allerletzten Sprossen der Drehzahlleiter geht dem Vierventiler ein wenig die Puste aus. Was soll’s, die gut gestufte Sechsgangbox sorgt immer für Anschluss.
Da will Suzukis 400er-Powerblock freilich nicht zurückstehen. Vor allem im mittleren Drehzahlbereich steppt der Bär. Ein kurzer Dreh am Gasgriff, und die DR-Z schnalzt brüllend voran. Spitze! Obenraus, Richtung Begrenzer, lässt das Trommelfell-mordende (siehe Kasten) gelbe Tier subjektiv in seinem Eifer etwas nach, was die Messwerte aber nicht bestätigen.
Ganz anders die »Singende Säge aus Iwata«, wie sämtliche Testfahrer die WR 400 F tauften. Unten etwas mau, dreht der Fünfventiler ultragierig oben raus. Dem etwas brustschwachen, spät anliegenden Drehmoment steht das enorme Leistungsplateau zwischen 8500 und 11000/min gegenüber, auf dem ständig satte 47 PS bereit stehen. Gelernte Dreher können unter dem Helm mit der WR um die Wette jubeln, so rasant reißt die blaue Rakete an. Trotz des dezenten Schallpegels (siehe Kasten) geben sich Motor und Getriebe nicht nur mechanisch härter als die Konkurrenz, sondern auch als das Vormodell. Vibrationen sind übrigens bei allen dreien wegen der Kombination aus kleinem Hubraum und schwingungstilgender Ausgleichswelle kein Thema – lediglich bei Dauervollgas erreichen sie störendes Niveau.
Der Sandparcours ist erreicht. Noch sind keine Spurrillen rausgefahren, doch das wird sich gleich ändern:
Die WR 400 F lauert schon, das jungfräuliche Terrain umzupflügen. Ungestüm produziert sie meterhohe Fontänen, zumindest, sofern die Drehzahl stimmt. Denn speziell im Sand verlangt die Yamaha nach einer Extraportion Umdrehungen. KTM und Suzuki macht der kräftezehrende Untergrund ebenfalls kaum zu schaffen. Sattes Midrange-Drehmoment plus kurze Übersetzung bei der Suzuki und die eng gestufte Sechsgangbox der KTM lassen die beiden 400er pfeilschnell über den Sand fliegen.
Einziges Problem der extrem handlichen Suzuki ist die softe, nervöse Frontpartie. Je ausgefahrener die Piste, desto schwieriger wird es, den angepeilten Kurs einzuhalten – die Konkurrenz manövriert zielgenauer durch Rillen und Anlieger, wobei die Yamaha trotz straffer Abstimmung ihrem Piloten einen Tick mehr Konzentration abverlangt als die KTM. Immerhin kann der WR-Treiber dank neu gestalteter Tank-Sitzbank-Einheit besser als bislang nach vorn rutschen, um Druck aufs Vorderrad zu bringen.
Zu guter Letzt steht die Königsetappe an, ein abwechslungsreiches, technisch schwieriges Enduroparadies: Topspeed-trächtige Wellenpisten mit Sprungeinlagen, ein felsiges Flussbett, enge Slaloms, schlüpfige Spitzkehren samt überraschenden Auf- und Abfahrten versprechen eine spannende Jagd.
Und auch hier macht es der Euro-Fighter EXC 400 den Häschern Nippons schwer. Seine Ergonomie mit dem relativ hohen, zudem verstellbaren Magura-Lenker ermöglicht im Stehen wie im Sitzen eine aktive Fahrerposition. Spielerisch, aber dennoch spurstabil wieselt die KTM übers Geläuf. Das schafft Vertrauen und schont die Kondition. Die traumhaft sanft ansprechende 43er-Gabel von White Power steckt kurze Wellen genauso gut weg wie harte Landungen nach weiten Sprüngen. Das direkt angelenkte Federbein aus gleichem Hause sorgt stets für ausreichende Traktion an der Hinterhand, ohne auf Buckeln gemein auszukeilen. Nach weiten Sprüngen geht das Federbein zwar spürbar in die Progression, jedoch längst nicht so heftig wie bei den vorhergehenden Generationen dieser umlenkungsfreien Aufhängung. Fein, dass die Österreicherin auch für Trialeinlagen taugt. Beim Felsenkraxeln hilft trotz des gutmütigen Motors die hydraulisch betätigte Kupplung mit einstellbarem Handhebel, die nicht besonders leichtgängig, dafür sehr exakt zu dosieren ist.
Auf der Suzuki DR-Z geht es ebenfalls recht komfortabel zu, der billige Stahlrohrlenker ist jedoch zu tief angebracht, was das Fahren im Stehen erschwert. Dafür saugt die soft abgestimmte, konventionelle 49er-Showa-Gabel Schläge aller Art förmlich rückstandsfrei in sich hinein, Rückmeldung und Zielgenauigkeit fallen dagegen etwas ab. Außerdem pumpt die ansonsten sensibel agierende Hinterhand beim druckvollen Rausbeschleunigen aus schnellen Ecken spürbar. Und vor allzu großen Sprüngen sollte der ambitionierte Sportfahrer das Fahrwerk auf straff trimmen, sonst droht hie und da Kontakt mit den Anschlagpuffern der Federelemente.
Im unüberwindlich scheinenden Felsenmeer des engen, ausgetrockneten Flussbetts ist die sanfte Abstimmung der Suzuki jedoch goldrichtig. Geschmeidig kraxelt die gelbe Gemse über die Wackersteine, sie scheint förmlich am Boden zu kleben. Bodenfreiheit ist auch bei ihr kein Thema, wenn überhaupt geben die Rahmenrohre kurz laut. Der sauber am Gas hängende Motor benötigt nur selten die Hilfe der – leider etwas matschigen – Kupplung und schiebt die DR-Z Meter für Meter voran.
Auch der Akteur im Yamaha-Sattel muss, sobald es knifflig wird, zur Kupplung greifen. Deren Hebel glänzt mit einer Schnellverstellung, doch selbst die traumhaft exakte Betätigung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Fünfventiler untenrum einfach etwas schlapp und unwirsch ist, ja bisweilen sogar abstirbt. Überhaupt nicht schlapp ist das 2000er-WR-Fahrwerk. Mit dem Sänftencharakter hat man bei Yamaha abgeschlossen, rasant und messerscharf kommt die blaue Rakete auf den Punkt. Ihre 46er-Upside-down-Gabel funktioniert auf ebenem Grund zielgenau, kurz aufeinander folgende Löcher oder Wellen lassen sie jedoch unruhig zappeln und fordern eine harte Hand.
Dafür schreckt die Kayaba-Gabel im aktuellen Modell auch vor rabiaten Sprüngen nicht mehr zurück, genau wie das hintere Federbein, bei dem nunmehr die Druckstufe in High- und Low-Speed-Bereich separat justiert werden kann. Vor allem in schnellen Passagen, in denen der Gasschieber auf Volllast steht und die WR sich im oberen Drittel des Drehzahlbandes einnisten kann, ist das blaue Wunder in seinem Element. Üngestüm stürmt die Yamaha los und zeigt der Konkurrenz den Auspuff.
Auf die Bremsen ist selbst bei verschärfter Gangart bei allen drei Enduros Verlass. Zwar setzt die Brembo-Anlage der KTM mit ihren modisch gezackten Scheiben in puncto Wirkung und Dosierbarkeit den Maßstab, doch bis auf den stumpfen DR-Z Hinterradstopper verzögern auch die Nissin-Beißer der beiden Japanerinnen vorzüglich.
Am Abend steht der obligatorische kleine Service an. Nachdem auch der WR-Pilot die sechs Schrauben zum Luftfiltercheck gelöst und wieder befestigt hat – die Kollegen können dank Schnellverschlüssen schon vorher die Abendsonne genießen –, ist die Runde vollständig und das Ergebnis klar: Die KTM EXC 400 Racing ist nicht nur in der Enduro-WM die Nummer eins – obwohl auch die Konkurrenz scharfe Schotter-Waffen in petto hat.

Unsere Highlights

Das ist der Brüller!

Spätestens bei der ersten technischen Abnahme könnte DR-Z 400-Piloten eine böse Überraschung bevorstehen. Was schmerzende Trommelfelle bei den Testfahrten ankündigten, bestätigte eine Geräuschmessung, durchgeführt entsprechend den technischen Richtlinien des Deutschen Motor Sport Bunds, Stand 1999: Die Suzi ist viel zu laut. Mit offener Leistung entwickelte das Testexemplar bei Messdrehzahl 5200/min im Stand 109 dB (A) – erlaubt sind bei Enduro-Veranstaltungen maximal 94 dB (A). Selbst im Motocross dürfen mittlerweile 98 dB (A) nicht mehr überschritten werden.Yamaha zeigt, wie es besser geht: Mit nur 89 dB (A) unterschritt die Test-WR das Geräuschlimit deutlich.Außerdem ist sie als einzige sinnvoll zulassungsfähig. Im Gegensatz zu den eher symbolischen 14 PS der Konkurrenz darf die WR legal mit 37 PS im Straßenverkehr bewegt werden.

Fazit: KTM 400 EXC Racing

Die glückliche Siegerin aus Mattighofen: Die EXC 400 zeigt den Söhnen Nippons auch im richtigen Leben, was eine Harke ist. KTM ist auf Anhieb ein spielerisch zu fahrender und zudem extrem schneller Allround-Sportler gelungen, der sich in keinem Revier eine Blöße gibt. Wenn auch noch die Zuverlässigkeit stimmt, dürfte die Konkurrenz wenig zu lachen haben.

Fazit: Yamaha WR 400 F

Die singende Säge aus Iwata: Drehzahlgierig, wendig und hyperexakt, so gibt sich Yamahas Trendsetter WR 400 F im schlanken 2000er-Trimm. Mit ihrem nun straffer abgestimmten Fahrwerk zischt die Yamaha messerscharf über die Piste und entfaltet speziell bei hohem Tempo ihr volles Potenzial. Das gefällt nicht nur ambitionierten Schnellfahrern.

Fazit: Suzuki DR-Z 400

Der Hammer aus Hamamatsu: Suzukis Donnerschlag trifft nicht hundertprozentig ins Schwarze. Auch wenn der Motor mit fettem Beat begeistert, besteht in puncto Fahrwerk und manchen Details noch Handlungsbedarf, soll die DR-Z ein echtes Siegerbike werden. Hobbyfahrer können mit der handlichen Suzuki trotzdem Jagderfolge erzielen.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023