Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, Leistung kann man gar nicht genug haben - altbekannte Biker-Weisheiten. In Anbetracht des derzeitigen Wettrüstens bei Straßenmaschinen kann man jedoch ins Grübeln kommen. Machen 164 PS in einem Vierzylinder oder 125 PS in einem Zweizylinder im dichten Verkehr bundesdeutscher Landstraßen überhaupt irgendeinen Sinn? Der Verstand sagt: wohl kaum. Leichter, besser, sicherer und im Zweifelsfall auch schneller fahren die kleineren, schwächeren Motorräder. Trotzdem verkaufen sich hochgezüchtete Sportbikes besser denn je - offensichtlich muß es jenseits aller Vernunft noch etwas anderes geben.
Im OffRoad-Bereich sieht es ähnlich aus, auch dort liegen leistungsstarke Einzylinder voll im Trend. Besonders KTM mit der LC 4-Baureihe und Husqvarna haben von dem Drang zu mehr sportlicher Power in den letzten Jahren profitiert. Über den praktischen Wert der Highpower-Enduros läßt sich freilich streiten. Abgesehen davon, daß beide erfrischend unvernünftig sind, gibt es zwischen einer 600er Husaberg und einer Suzuki TL 1000 noch weitere Parallelen. Zum Beispiel der bärenstarke Motor, der das Vorderrad bei harter Beschleunigung in der Luft zappeln läßt. Das heftige Lenkerschlagen, das ab und zu den Adrenalin-Ausstoß multipliziert. Und was gibt es für den Enduro-Fan Schöneres, als eine lange Steilauffahrt mit einer starken 600er hinaufzuhämmern? Oder über geschwungene Schotterwege in langen Drifts Paßhöhen zu erklimmen? 60 Pferden mal richtig die Sporen zu geben? Soviel zum Thema Unvernunft.
Verstand hin, Vernunft her, nachdenklich stimmt, daß im Rennsport die Zeichen auf Abrüstung stehen. Man kann es nicht leugnen, der Trend geht zu eindeutig kleineren Motoren. Selbst im Cross-Bereich, eigentlich eine echte Vollgas-Branche, tritt Yamaha erstmals mit dem extrem drehfreudigen 400er Viertakter gegen die übermotorisierten 600er und Halbliter-Zweitakter an. Auch im Enduro-Sport setzen immer mehr Fahrer auf Leistungsverweigerung und dampfen die Hubräume der 600er mit kleineren Kolben und/oder kurzhubigen Kurbelwellen ein. Oder wechseln vorsätzlich die Klasse, um auf die quirligeren 400er umzusatteln. Warum man mit denen im Gelände schneller sein kann, ist schwer zu erklären. Obwohl in Abmessungen und Gewicht absolut identisch, fährt sich beispielsweise eine 400er Husqvarna erheblich einfacher als die 600er Kollegin. Sie schwenkt williger in Kurven ein, läßt sich spürbar leichter manövrieren. Wüßte man es nicht besser, würde man spontan auf 10 oder 20 Kilogramm weniger Gewicht tippen. Die Maße machen also keinen Unterschied, die Masse auch nicht, eher sind es die geringeren Trägheitsmomente durch kleinere Schwungmassen im Motor. Außerdem darf man bei der ganzen Technik den Mensch nicht außer acht lassen: Aufgrund der geringeren Power läßt sich das kleinere Triebwerk schlicht und einfach leichter bändigen. Ein Tag im Gelände schlaucht deutlich weniger als mit einer 600er, die einem ständig die Arme lang zieht.
Mögen sie hier und da auch schneller sein, den ultimativen Kick einer 600er können die schwachbrüstigen 400er aber nicht bieten. Eine Woche lang ließ sich das MOTORRAD-Team in Südfrankreich von drei gnadenlosen Muscle-Bikes die Arme lang ziehen. Wie immer waren dabei die Erholungsphasen kurz, die Erschöpfungsphasen dafür um so länger. Zu 90 Prozent kam Naturboden unter die grobstollige Bereifung, vom Tiefsand bis zu steinigen Felsböden war alles dabei, was die Seealpen dem Off Road-Fan bieten können. Wie im Endurosport üblich, dienten Wege oder ein paar Kilometer Asphalt ausschließlich als Verbindungsetappen. Trotzdem sollte man die Straßentauglichkeit nicht vergessen, schließlich sind die Testmaschinen ja keine Crosser. Außerdem will man zwischendurch auch einmal ein paar Kilometer gemütlich auf der Straße fahren können, um sich von den Strapazen im Gelände zu erholen.
Daß den Herstellern aber gerade dieser Punkt größte Schwierigkeiten bereitet, auf der einen Seite kompromißlose Geländetauglichkeit zu bieten und auf der anderen Seite der Straßenverkehrsordnung gerecht zu werden, zeigt sich einmal mehr an den Test-Motorräder. Alle drei werden natürlich mit Brief und Siegel ausgeliefert und können nach dem Gang zur Zulassungsstelle umgehend in den Verkehr gebracht werden. Einziger Haken an der Sache: Mehr als 17 PS sind bei dieser Verfahrensweise nicht drin. Wer wie MOTORRAD in den Genuß der vollen Power kommen will, bewegt sich am besten auf abgesperrtem Gelände oder aber in einer Art Grauzone des Gesetzes, wo über Einzelabnahmen die ein odere andere Zulassungshürde genommen werden kann. Die Testmaschinen waren ungedrosselt und auspuffmäßig so präpariert, daß sie den Bestimmungen des Endurosports genügen.
In diesem Punkt sollten die Hersteller in der Zukunft unbedingt aktiv werden. Der Markt kann nur dann erhalten bleiben, wenn die Motorräder legal im öffentlichen Straßenverkehr bewegt werden können, was auch für den Endurosport hierzulande auf Dauer eine gesunde Existenzgrundlage schaffen und die Zahl der interessierten Enduristen wieder erhöhen würde. Die Ausstattung der Testmaschinen folgt ebenfalls nicht ganz den Buchstaben des Gesetzes. An der KTM fehlen zum Beispiel Blinker und Spiegel völlig, der praktische und robuste Fahrrad-Tacho ist mangels Beleuchtung nicht gesetzeskonform. Die SXC präsentiert sich eben im knappen Sportdreß, wobei anzumerken wäre, daß bei nationalen Enduro-Veranstaltungen in aller Regel sogar Blinker vorgeschrieben sind. Zumindest ist die KTM leise genug, um die technische Abnahme sicher zu passieren. Der Aluminium-Schalldämpfer stammt von der Super Competition, mit dem Stahlblech-Auspuff der Enduro wären vielleicht sogar die Geräuschvorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung zu absolvieren.
An der Husaberg sind die formal nötigen Teile für die Straße inklusive Blinkanlage zwar dran, aber es hapert ebenfalls am leichten, doch ziemlich lauten Schalldämpfer. Es gibt zwar die Möglichkeit, statt der 17-PS-Variante auch eine offene mit 55 PS im Brief zu bekommen, mit dem lauten Sound der Testmaschine würde das allerdings nicht gelingen. Ähnlich liegt der Fall bei Husqvarna, die ebenfalls in zwei Varianten lieferbar ist, mit 27 oder 48 PS. Für die stärkere Version sind 180 Mark Aufpreis fällig, dazu müssen Lochbleche in die Schalldämpfer eingeschweißt werden.
Im Vergleich zu japanischen Soft-Enduros müssen bei der Alltagstauglichkeit weitere Abstriche gemacht werden. Daß das Licht mäßig ist und die Blinker mangels stabiler Bordelektrik bei Standgas-Drehzahl kaum funktionstüchtig sind, wird die Fans kaum interessieren. Ebenso, daß der Gummi der im Gelände guten Bereifung mit Michelin Enduro Competition auf Asphalt schon nach ein paar herzhaften Drifts weggerubbelt ist. Ungemütlich ist auf Dauer auch die Sitzposition, die Sitzbänke sind für Soft-Enduro-Maßstäbe schmal und knallhart.
Im Gelände sieht das alles natürlich anders aus, Bestnoten für optimale Ergonomie gab es allerdings nur für die Husqvarna. Draufsitzen und wohlfühlen gilt für große wie kleine Zeitgenossen. Die kompakte Husaberg ist eher auf kürzere Fahrer zugeschneidert, der stark gekröpfte Lenker ist auch nicht jedermanns Sache. Durch die abfallende Sitzbank hat man immer das Gefühl, es geht leicht bergab. Die KTM favorisiert eher die Langen, dank neuer Tank/Sitzbank-Kombination ist sie schmal, aber auch ausgesprochen hochbeinig geraten. Gefühlsmäßig sitzt man auf der KTM, während man in der Husqvarna sitzt.
Die unterschiedlichen Zielgruppen kristallisieren sich im Laufe des Test schnell heraus: Die KTM SXC ist schwer zu fahren, für Hobbyfahrer zu extrem, zu hart, zu derb. Sie ist erste Wahl für Enduro-Sportler oder Freizeitfahrer, die sich am Wochenende in der Kieskuhle oder auf der nahegelegenen Cross-Piste vergnügen wollen. Eindeutige Absichten in Richtung Sport hat auch die Husaberg. Wer per Transporter in die Alpen oder Pyrenäen fahren will und dort Herausforderungen extremer Art im Gelände sucht, liegt mit der Schwedin richtig. Die Husqvarna wird noch am ehesten den Bedürfnissen von Gelegenheits-Enduristen wie straßenorientierten Hobby-Fahrern gerecht.
Ihre sportlichen Fähigkeiten und ihr Potential haben die Testkandidatinnen in der Vergangenheit unter Beweis gestellt, internationale Titel sind auf allen drei Fabrikaten eingefahren worden. Während in fast allen anderen Sparten des Motorrad-Sports eher das Material über Sieg und Niederlage entscheidet, zählt im Endurosport mehr der Fahrer. Bleibt also zum Schluß noch eine Frage offen. Gibt es das nun doch, zuviel Power? Diese Frage kann nur mit einem entschiedenen Jein beantwortet werden.
Husaberg FE 600
Leistungssport und sonst gar nichts, das war schon von Beginn an das Credo bei Husaberg. So gibt sich auch die diesjährige Version entsprechend kompromißlos, ist nur notdürfig für den Straßenbetrieb ausgerüstet. Auf den ersten Blick hat sich gegenüber dem Vorjahres-Modell nicht allzu viel getan, die Neuigkeiten stecken eher im Detail. Vor allem das Innenleben des Einzylinders wurde kräftig renoviert, um die Standfestigkeit zu verbessern. Hervorzuheben wäre da in erster Linie die Ölpumpe, die Kurbelwelle und Zylinderkopf nun zuverlässiger mit Schmierstoff versorgt, als das bei der bisherigen Schleuderöl-Schmierung der Fall war. Über einen Hauptstrom-Filter wird das Öl zu drei Schmierstellen gepumpt: zum Hubzapfen, der weiterhin von außen angespritzt wird, außerdem zum Kolbenboden und ans Getriebe. Beim Ankicken wird nun gleich doppelt dekomprimiert: einmal durch einen Fliehkraftmechanismus auf der Nockenwelle, zum anderen per Bowdenzug vom Kickstarter aus. Auf Wunsch gibt es ab Werk den kleineren Tank des Cross-Modells, der aber wegen anderer Aufhängungspunkte nicht nachträglich mit dem Enduro-Tank getauscht werden kann. Die Federelemente wurden turnusgemäß aktualisiert: Vorn setzen die Schweden nun statt der bisher verbauten Upside-down-Gabel auf die 50 Millimeter dicke, konventionelle WP-Gabel.
Husqvarna TE 610
Als mehrfache Siegerin vergangener Vergleichstests war bei Husqvarna kein Handlungsbedarf da, die TE 610 von Grund auf zu revidieren. Trotzdem kommt die Husky allmählich in die Jahre, nachdem sie nun schon seit einger Zeit ohne tiefgreifende Modellpflege auskommen mußte. Die Pläne für eine Neukonstruktion mußten wegen der schlechten Finanzlage jedoch auf Eis gelegt werden. Nach dem Verkauf von Ducati soll sich im Cagiva-Konzern in Zukunft vieles bessern. Die straßentauglichere E-Start-Version TE 610 E mit neuem Motor wird im Sommer präsentiert und ab 1998 parallel zur TE ausgeliefert, deren Motort im wesentlichen unverändert bleiben wird. Im kommenden Jahr soll auch die Kickstart-TE den neuen Rahmen erhalten, der bereits in der Cross-WM ausprobiert wird. Vorerst muß sich die TE 610 also mit neuen Farben und Dekors begnügen. Selbst die Umstellung auf die im Herbst versprochene 50-Millimeter-Gabel von Marzocchi wurde aus Kostengründen zunächst verschoben, die Testmaschine hatte noch die bereits im Vorjahr verwendete, dünnere 45-Millimeter-Version. Im Vergleich zu den Testkonkurrentinnen ist die Ausstattung der Husky noch am ehesten straßentauglich: ein großer Tacho, Spiegel, Blinker, dazu ein gerade noch tolerabler Auspuffsound. Trotzdem bleibt sie ihrem Wesen nach eine OffRoad-Enduro.
KTM LC 4 620 SXC
KTM splittet das LC 4-Angebot immer weiter auf, um die einzelnen Typen noch stärker auf die Wünsche der entsprechenden Zielgruppe auszurichten. Die SXC ist dabei das kompromißloseste Modell, allein für ernsthaften Endurosport vorgesehen. Nur in limitierter Kleinserie von 50 Exemplaren gebaut, ist sie eine Mischung aus der Super Competition SC und der Moto Cross-Version SX. Auf Tachometer, Spiegel, Blinker und weiteren unnötigen Ballast wird von vornherein verzichtet, dafür gibt es praktische Features für den Enduro-Rennsport: Ein leichter Seitenständer ersetzt den KTM-typischen Hauptständer, der kleine Fahrradtacho genügt den Sport-Gesetzen. Massive Handprotektoren schützen Lenker, Hebel und Hände. Beim Motor setzt sich die sportliche Ausrichtung fort. Aus Gewichtsgründen wird das Öl nicht durch den Rahmen geleitet, selbstverständlich fiel auch die Ausgleichswelle der Diät zum Opfer. Zusammen mit Magnesium-Teilen wurden am Motor allein 1,5 Kilogramm eingespart, das ganze Motoorad ist gegenüber der SC 4,5 Kilogramm leichtert. Praktisch: Die Sitzbank wird wie bei der Husky mit einem Schnellverschluß gesichert, der Luftfilter ist blitzschnell zugänglich. In der SXC steckt ebenfalls die neue Extreme-Gabel von WP, hinten federte bei der Testmaschine ein WP-Dämpfer. Trost für den, der keine der heißumkämpften SXC ergattern konnte: Im kommenden Jahr werden einige Änderungen bei der SC übernommen.
Fahrwerke
Wichtiger als der Antrieb - über die Leistung kann ja bestimmt keiner meckern - dürfte das Fahrwerk sein. Wer den ganzen Tag auf solchen Mördergeräten im Gelände unterwegs ist, lernt ein sanft ansprechendes Fahrwerk mit Reserven für Notfälle schätzen. Federung und Dämpfung: Geht es um Komfort, hat die Husky die Nase vorn. Ihre Marzocchi-Gabel hatte zwar bisher in puncto Abdichtung nicht den besten Ruf, konnte im Test aber ohne Abstriche überzeugen. Butterweich planiert sie kleine Unebenheiten, trotzdem sind gewisse Reserven für tiefe Wellen da. Auf holprigen, harten Pisten klebt das Vorderrad förmlich am Boden. Das schafft viel Vertrauen, gerade beim Freizeit-Enduristen. Positives ist auch über die hintere Federung zu berichten, die Husky ist nicht crossmäßig, sondern endurotypisch soft und ausgewogen abgestimmt. Nur Spitzensportler werden vielleicht beanstanden, daß die Husky-Federung in ausgefahrenen Bodenwellen etwas tief in den Seilen hängt. Härte vermißt man beim reinrassigen Leistungssportler von KTM nicht. Wenngleich die Federung gar nicht einmal so straff und hinten auch nicht sehr progressiv ist, unterbindet die Druckdämpfung der WP-Gabel auch in der offenen Einstellung das Durchschlagen der Federung wirksam. Der Preis: Wer locker sitzend dahinrollt, bekommt gnadenlose Schläge ins Kreuz, die KTM will immer unter Zug und oft im Stehen gefahren werden. Eben eine sehr sportliche Einstellung. Auch in der Husaberg reagiert die WP-Gabel wenig sensibel, wenn auch nicht ganz so störrisch. Das schwedische Leichtgewicht überzeugt in erster Linie dann, wenn kräftig Gas gegeben wird. Ist allein das Hinterrad belastet, bügelt der Öhlins-Dämpfer alle Bodenunebenheiten wirklich hervorragend weg. An steinigen, mit rechtwinkligen Kanten gespickten Bergauf-Passagen drückt er das Hinterrad förmlich an den Boden, was guten Grip bringt. Berg runter ist es nicht ganz so spaßig: Sobald die Gabel belastet wird, kommt Unruhe ins Fahrwerk.Lenkverhalten: Zeit wird in den Enduro-Sonderprüfungen hauptsächlich in Kurven gewonnen, und dort ist die Husaberg unschlagbar. Willig und präzise folgt die handliche Schwedin den Wünschen des Fahrers, der somit auch ganz enge Linien wählen kann. Auch kann er rechtwinklig aus einem Anlieger heraus nach innen abbiegen, was mit der ansonsten neutralen Husqvarna nicht so leicht ist, die bei Kurskorrekturen mehr Körpereinsatz verlangt. Mit viel Konzentation und noch mehr Gewichtsverlagerung nach vorn kriegt auch der KTM-Fahrer zügig die Kurve. Die SXC tendiert aber etwas dazu, übers Vorderrad aus dem Anlieger zu schieben. Diffizil wird es dann, wenn ein Anlieger fehlt, der Untergrund glatt und rutschig ist.Geradeauslauf: Diesbezüglich läßt sich die KTM durch nicht beirren und zieht stur ihre Bahn, nur beim Bremsen kommt von der schlecht ansprechenden Gabel auf harten Kanten manchmal ein Anflug von Unruhe in den Lenker. Absolut tadellos verhält sich hier die Husky, mit lockerer Hand läßt sie sich kräfteschonend selbst über total zerfurchte Pisten dirigieren. Richtig unangenehm, manchmal sogar gemeingefährlich kann es auf der Husaberg werden, wenn die Kräfte nach langen Tagesetappen allmählich schwinden. Sobald man nicht unter Zug fährt, muß sie mit eisenhartem Griff auf Kurs gehalten werden. Beim Anbremsen tut sie ihr möglichstes, den Fahrer durch hinterhältiges Lenkerschlagen abzuwerfen.Handling: Beim Endurofahren ist der Geradeauslauf nur ein Aspekt, oft wird trialmäßige Fortbewegung durch schwierigste Sektionern gefordert. Hier ist die Husaberg unumstrittene Königin, hier kann sie ihre Leichtigkeit und den niedrigen Schwerpunkt ausspielen. Die Husky und vor allem auch die KTM tun sich mit ihrem Gewichtshandicap von fast zehn Kilogramm schwerer. Bremsen: Guter Brembo-Standard bei allen dreien. Trotzdem sind geringe Unterschiede zu vermelden. So neigt die KTM hinten stark zum Stempeln, auch wenn die Kupplung gezogen wird.
Die Motoren - Wer hat hier Tränen in den Augen?
Mit um die 60 PS Spitzenleistung verfügen alle drei Motoren über ausreichend Power. Damit hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf. Startverhalten: Starthilfen wie Fliehkraft-Deko-Einrichtungen sind Standard, aber nur die der Husky bricht den Widerstand des Verdichtungstakts. Auf die TE kann man gedankenlos eintreten, fast immer springt sie nach ein, zwei Tritten an. Und falls man den Motor im Eifer des Gefechts mal abgewürgt hat, lspringt die TE beim Ausrollen am leichtesten wieder an. Bei Husaberg und KTM gibt der Totpunkt noch deutliche Lebenszeichen, da muß systematischer gekickt werden. Leider fehlt der hilfreiche Hand-Dekohebel an der Husaberg, nach einem Sturz kann man den Brennraum nicht so leicht »freipumpen«. Zumal die Hebelverhältnisse des hoch sitzenden Kickstarters ungünstig sind. Leistung und Drehmoment: Das Leistungsdiagramm verrät auf einen Blick: Die KTM ist der Hammer. Brutale Power in allen Lebenslagen. Oben herum ähnlich stark, geben sich die beiden anderen im unteren und mittleren Bereich deutlich zahmer. Aber der Prüfstand ist Theorie, das praktische Leben anders. Die Leistung der SXC umzusetzen fordert einen Fahrer von der Sorte Kinigadner. Von zarter Dosierbarkeit auf glitschigen Hängen keine Spur, für die KTM gilt nur volle Pulle. Jeder Millimeter am Gasgriff wird spontan in heftigen Vortrieb umgewandelt. Unter solchen Umständen eine Husky über den Berg zu bringen ist erheblich leichter. Der TE-Motor hängt weich dosierbar am Gas. Auch die Husaberg ist laut Prüfstands-Prokoll kein Durchzugs-Wunder. Trotzdem beschleunigt sie aus den Kurven heraus wegen bestem Leistungsgewichts und wenig Schwungmasse wie die Kanonenkugel. Laufruhe: Den Sportfahrer stört es im allgemeinen wenig, wenn der Motor sich mit kernigen Vibrationen zu Wort meldet. Die LC 4 ist allerdings ein Grenzfall. Im Gelände noch gerade eben tolerierbar, hört der Spaß bei schneller Straßenfahrt auf. Das sind nicht nur Vibrationen, die SCX bebt zermürbend und zerbröselnd. Nur kräftiges Zupacken verhindert, daß sich der Gasgriff von selbst im Handschuh zurückdreht. Ein Tester beklagte gar Sichtprobleme, da sogar die Augen manchmal im Drehzahltakt schwingen. Getriebe: Vorteile bieten die Sechsganggetriebe von Husaberg und Husky, damit ist eine größere Spreizung für On- und OffRoad-Betrieb möglich. Im Gelände reicht aber auch das Fünfganggetriebe der SXC, dessen zweiter Gang nun besser anschließt als bei früheren Modellen. Leider schaltet es nicht ganz so zuverlässig, ab und zu erwischt man zwischen allen möglichen Gängen einen Leerlauf. Die Husaberg muß zwar mit Nachdruck geschaltet werden, dafür rasten die Gänge exakt. Das Husky-Getriebe geht entschieden weicher, auch bei ihr sind Fehlschaltungen praktisch ausgeschlossen.
Ausfälle und Defekte
Personenschäden waren diesmal nicht zu beklagen, hier ein kurzer Überblick über Materialschäden.Husaberg: Zunächst gab die dubiose Befestigung der Kühlerverkleidungen ihren Geist auf. Die Tachowelle knickte beim Einfedern immer weit aus, bis sie an der Kühlerverkleidung hängenblieb und abriß. Der Tacho, dessen Beleuchtungseinsatz ständig herausfiel, funktionierte ohnhin nicht, da der Mitnehmer am Antrieb verbog. Nervig: Der Kickstarter klemmte oft auf halbem Weg. Husqvarna: Von Haus aus sind bereits seit Jahren die Lenkkopflager zu stramm eingestellt, was sich offensichtlich bisher nicht bis ins Werk herumgesprochen hat. Schon beim ersten Ankicken verbog die Feder des Seitenständers, weil die Husky auf dem Ständer stehend angetreten wurde - selber schuld. Ungleich gefährlicher: Die Sicherungssplinte am Bremsbelagbolzen wurden offensichtlich von Gestrüpp oder Ästen herausgezogen, so daß der Bolzen in die Speichen wanderte. Der umsichtige Endurist sollte gelegentlich ein Auge auf diese Stelle werfen. Das gilt übrigens auch für die gleichen Brembo-Zangen von Husaberg oder KTM. Der bei einem leichten Ausrutscher verbogene, weiche Lenker konnte mit einem Rohr wieder gerichtet werden. Gefährdet sind die hinteren Blinker, die bei Sprüngen auf den Auspuff schlagen.KTM: Die weiche Seitenständer-Halterung verbog bereits am ersten Tag. Durch Vibrationen zerbröselte die Hupe und verschmorte auf den Krümmern. Die vorbildlich verstaute Werkzeugtasche fiel aus der Halterung, da das Haltegummi riß. Ansonsten macht die sauber verarbeitete SXC einen sehr robusten Eindruck.
Platz eins: Husqvarna TE 610
Sensationell ist die Husky nun wirklich nicht. Daß sie trotzdem wieder einmal eindeutig vorn liegt, verdankt sie ihrer Geschmeidigkeit: Alles an ihr arbeitet soft, leicht, easy. Der Motor, der weich einsetzt und sich auch in brenzligen Situationen gut dosieren läßt. Die zuverlässige Schaltung, ebenso die leicht zu betätigende Kupplung. Oder die sensibel ansprechende Federung, die kleine Kanten wie große Wellen einfach plattbügelt. Oder das neutrale und stabile Fahrwerk, das Vertrauen aufbaut. All das trägt dazu bei, daß die TE nicht nur vom Enduro-Rennfahrer, sondern auch vom Anfänger zu beherrschen ist, Kraft sparend und Kondition schonend. Einen etwas härteren Punch beim Beschleunigen werden nur Profis vermissen, Perfektionisten könnten der Husky eine etwas schlampige Verarbeitung im Detail ankreiden.
Platz zwei: Husaberg FE 600
Die Husaberg ist eine von Grund auf ehrliche Maschine, die hält, was ihr rauher Charme verspricht. Sie wirkt nicht so gefällig wie die beiden Konkurrentinnen, viele Details erscheinen sogar ziemlich rustikal. Man könnte es positiv mit zweck- oder funktionsorientiert umschreiben. In schwierigem Gelände ist die wendige 600er dank niedrigen Gewichts und messerscharfen Handlings in dieser Klasse unschlagbar, mühelos lassen sich diffizile Trial-Passagen überbrücken. Aber die extravagante Schwedin kann auch extrem zickig werden. Auf schnellen Strecken tendiert sie zu beängstigendem Lenkerschlagen, das sich nur mit entschlossenem Krafteinsatz bändigen läßt. Wer die Kombination aus Aggressivität, Handlichkeit und Nervösität in schnelle Zeiten umsetzen will, braucht Kraft und Mut. Nichts für Anfänger ist auch der kernig-kräftige, blitzschnell hochdrehende Motor, der jede Beschleunigung zum heißen Ritt auf der Kanonenkugel macht.
Platz drei: KTM LC 4 620 SXC
Kein Wunder, daß die SXC keine Chance in diesem Test hatte, sie ist einfach zu extrem. Einzig und allein dafür gebaut, in der Hand des Profis Punkte und Siege einzufahren, muß der Hobby-Endurist deutliche Abstriche machen. Das Fahrwerk schüttelt einen bei weniger engagierter Fahrweise gnadenlos durch. Dazu kommen Vibrationen, die im Straßenbetrieb die Grenze des Zumutbaren überschreiten. Die Motorleistung ist ein Fall für die freiwillige Selbstkontrolle: So viel Power müßte wegen Gewalt-Verherrlichung zensiert werden. Kein einziger Enduro-Motor packt derzeit so brutal zu und bietet solch ein breites Leistungsband. Wer es drauf anlegt, kann selbst im letzten Gang noch zum Wheelie ansetzen. Mit dieser ungeheuren Kraft im Gelände fertig zu werden, wird nur gelingen. Maßstäbe setzt die KTM hinsichtlich Verarbeitung: Sie ist nicht nur die schönste, sondern auch die am besten verarbeitete Sport-Enduro.