Vergleichstest: Sieben Reiseenduros in Schweden

Vergleichstest: Reiseenduros Sieben Reiseenduros in Schweden

Es herrscht Aufbruchsstimmung bei den Reiseenduros: Die BMW ist überarbeitet, Ducati und Yamaha völlig neu konstruiert. Doch wie gut sind die Neuen? Wie ausgereift das Touring-Establishment? MOTORRAD suchte den Weg der Erleuchtung - auf Pilgerfahrt zur Mitternachtssonne. Im ersten Teil: Motor und Fahrwerk. In Teil 2 (MOTORRAD 15/2010): Alltag, Sicherheit und Kosten.

Sieben Reiseenduros in Schweden Jahn
28 Bilder

Nordkap 1500. Der Wegweiser vor einem Hotel im Provinzstädtchen Vilhelmina wirkt wie eine imaginäre Hand, die uns mit einer kräftigen Ohrfeige aus unserer Traumwelt in die Realität zurückholt. Der Tageskilometer zeigt bereits über 700 Kilometer an. Wie oft müssen wir noch tanken? Wie viele Stunden sind es noch im Sattel? Man mag es gar nicht hochrechnen. Wie war das nochmal? Stockholm-Nordkap und zurück hatte Fredrik Lundgren, Kollege der schwedischen Schwesterzeitschrift von MOTORRAD vorgeschlagen. Und wir alle waren begeistert. Pepe aus Spanien, Federico aus Italien, Matthijs aus Holland, Fredriks Kollege Axel, Jörg und Peter aus Deutschland. Wir waren es auch dann noch, als Fredrik den Zeitplan verschickte. 4000 Kilometer in fünf Tagen. Na und, ein Skandinavien-Trip war noch nie etwas für Weicheier. Und der Anlass war auch ein besonderer.

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Schließlich hat sich bei den Reiseenduros in diesem Jahr viel getan. Die BMW R 1200 GS: mit Dohc-Zylinderkopf technisch und per Auspuffklappe akustisch aufgemöbelt - dazu in Feierlaune. 30 Jahre ist es her, seit die Bayern mit der R 80 G/S dieses Motorradsegment gewissermaßen erfanden. Eine rote Sitzbank, Speichenräder, Handprotektoren, Motorschutz und ein Tankdekor mit "30 years GS" zieren das Jubiläumsmodell. Einen völlig neuen Weg geht Ducati mit der Multistrada. 148 PS Spitzenleistung, vier elektronisch einstellbare Fahrmodi und 17-Zoll-Räder bringen Superbike-Flair ins Touristen-Lager. Brandneu dabei ist auch die Yamaha Super Ténéré. Von Grund auf neu gezeichnet.

Mit 1200er-Reihen-Zweizylinder, Kardanantrieb, Traktionskontrolle - der technische Aufwand spiegelt die Verpflichtung des berühmten Namens wider. Das restliche Quartett bilden im Vergleich dazu alte Bekannte. Vor allem die seit 2003 kaum überarbeitete Honda Varadero. Ein Reise-Klassiker. KTM 990 Adventure, die österreichische Alternative zur Touristenklasse. Unübersehbar rallye-inspiriert. Moto Guzzi Stelvio, auf dieser Tour in der Abenteuer-Ausführung, der NTX-Version (Sturzbügel, Zusatzscheinwerfer, Handprotektoren, Motorschutz, Alu-Koffer, Speichenräder) dabei. Die Triumph Tiger SE. Der legendäre Dreizylinder im Reise-Outfit. Als SE (Sonderedition) tritt die Britin mit ABS, Koffern und Handschalen an.

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Anfang Juni - der Winter wehrt sich noch mit aller Macht.

Und wer fehlt? Keine. Buell (Ulysses) wurde unlängst tränenreich zu Grabe getragen, Moto Morini (Granpasso) liegt auf dem Sterbebett. Suzuki (V-Strom) führt nur noch die 650er im Programm, Kawasaki ist dem Thema Reiseenduro traditionell abhold.

Das Ortsschild von Vilhelmina verschwindet im Rückspiegel. Der endlose Birken- und Nadelwald hat uns wieder. Und die überwiegend schnurgeraden Straßen. Fredrik wusste schon, weshalb er uns bat, die Motorräder vorab auf dem Top-Test-Parcours von MOTORRAD durchzuchecken. Denn zuhause so wichtige Kriterien wie Handling, Schräglagenfreiheit oder Lenkverhalten sind in der schwedischen Weite eher nebensächlich. Meistens jedenfalls.

Wie an einer Perlenschnur aufgefädelt zieht sich unsere Siebener-Reihe auf der längsten Verbindungsstraße Schwedens, der von Göteborg zur finnischen Grenze in Karesuando führenden E 45, der so genannten Inlandsvägen entlang. Selten unterbrechen kleine Gehöfte das 110er-Dauertempo. Zeit, sich über Grundsätzliches Gedanken zu machen. Mit weniger als einem Liter Hubraum lässt sich im Reiseenduro-Segment offensichtlich kein Staat mehr machen. Nur die Honda und die KTM begnügen sich mit dieser Untergrenze, die Triumph liegt mit 1050 cm³ nur knapp darüber. Der Rest des Felds hangelt sich, angefangen bei der Guzzi (1151 cm³) über die BMW (1170 cm³) bis auf 1200 cm³ Hubraum (Ducati und Yamaha) hoch.

Nicht der Spitzenleistung wegen, die wird hier - und meist wohl auch woanders in der Welt - selten gebraucht. Doch großer Hubraum verheißt vor allem viel Drehmoment, kräftigen Durchzug und entschiedenen Antritt - für Reiseenduros ganz klar zentrale Eigenschaften. Und genau deshalb beschied man sich in Sachen Spitzenleistung. Abgesehen von der Varadero mit 94 PS pendelt die Reisegruppe um die 110-PS-Marke. Ausnahme: die Multistrada. Sage und schreibe 147 PS drückt der Ducati-Motor auf die Rolle des MOTORRAD-Leistungsprüfstands. Ein Rekord in der Tourismus-Branche.

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Wo hierzulande die Bewohner in ländlichen Gebieten ihr Auto oder Motorrad vor der Tür stehen haben, haben in Schweden viele ihr Boot.

Und - wir erinnern uns an den Top-Test-Parcours - diese Papierform bestätigt die Multistrada im wirklichen Leben. Mehr Erlebnis als auf der Italienerin geht kaum. Ab 3000 Touren schiebt der aus dem Superbike 1198 abgeleitete Motor mit einer Macht voran, die in diesem Segment Ihresgleichen sucht. Kein plötzlicher Leistungsanfall, kein nervöses Ruckeln im niedrigen Drehzahlbereich, einfach nur Druck in allen Lebenslagen. Als einziges aller Reiseenduro-Triebwerke sogar bis in den fünfstelligen Drehzahlbereich. Und obendrein so leicht und stressfrei einzusetzen, dass es an Beleidigung grenzt, diesen famosen Treibsatz im so genannten "Urban-" oder "Enduro"-Modus, der die Leistung auf 100 PS reduziert, um ein Drittel seiner Potenz zu berauben. Zumal das nach seinem 90-Grad-Zylinderwinkel ebenfalls L-Motor genannte Triebwerk sich auch auf der Tour mit anständiger Laufkultur zu benehmen weiß. Und damit letztlich einen bislang kaum machbar gehaltenen Spagat zwischen aggressiv-druckvollem Funbike-Antrieb und kultiviertem Tourenmotor schafft. Nicht zu vergessen: In der Beschleunigung hängt die Italienerin ihre Reisebegleiterinnen samt und sonders ab. Eine Ausrichtung, die auch für ihr Fahrwerk gilt. Ob Handling, Rückmeldung oder Lenkverhalten, die Multistrada spielt sofort ganz vorn mit, positioniert sich einmal mehr als kurvengieriges Funbike.

Aber trotz der vier Fahrmodi, die ebenfalls in die Dämpfungsabstimmung der Öhlins-Federelemente eingreifen, bleibt die Duc gespalten. Vorn geriet die Abstimmung einen Tick zu weich, hinten deutlich zu straff. Zur Orientierung: Ungefähr dort, wo die "Sport"-Abstimmung des ESA (Electronic Suspension Adjustment) der BMW endet, beginnt das weichste Setup ("Urban"-Modus) der Ducati. Auf Dauer wird das ausgesprochen ungemütlich. Vor allem hier, wo die auf den ersten Blick so harmlos erscheinende Inlandsvägen das Fahrwerk permanent mit einem Trommelfeuer aus groben Stoßfugen und üblen Asphaltaufwerfungen beharkt. Darüber hinaus gibt sich die Duc keine Schwäche. Logisch für ein Konzept, das sich wie keine Reiseenduro zuvor der fahraktiven Seite des Tourens verschrieben hat - und genau deshalb die Zwischenwertung anführt.

Vergleichstest Reiseenduros Teil 2

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Flüsse, Wälder, Seen und kaum Menschen - Schweden bedeutet weite Natur.

Zurück zur Inlandsvägen. Über das Geholper kann Mattijs auf Bayerns Muster-Reiseenduro nur schmunzeln. "Comfort"-Abstimmung gewählt und mit jedem Schlag, den das in dieser Justierung sehr komfortable Setup locker wegsteckt, reuen die 586 Euro Aufpreis für das ESA weniger. Und wenn die Gangart rasanter werden sollte - kein Problem. Der Einstellbereich von "Comfort" über "Standard" bis zu "Sport" geriet deutlich größer als der des Ducati-Systems (DES). Einfacher zu bedienen sowieso. Lediglich das harte Getrampel, mit dem die Vorder- und Hinterhand der BMW auf Querfugen reagiert, bleibt genauso Gewöhnungssache wie die schieren Dimensionen des Bestsellers. Kein Beinbruch, einmal in Bewegung, scheinen Größe und Gewicht förmlich wegzuschmelzen und Dinge wie die nicht zuletzt durch die schmalen Reifendimensionen und das 19-Zoll-Vorderrad erzeugte brillante Zielgenauigkeit in Kurven oder die exzellente Geradeauslaufstabilität das Kommando zu übernehmen. Dinge, die von der jahrelangen Detailarbeit an der Bayerin zeugen.

So verkörpern auch der neue Dohc-Zylinderkopf und die Auspuffklappe weniger technische Revolution, sondern eher ein wenig Politurpaste für den permanenten Feinschliff am Boxer-Konzept. Die Drehmomentkurve geriet in den unteren Drehzahlen ein wenig fülliger, das Ansprechverhalten etwas direkter. Wie gesagt, kein Quantensprung, aber doch spürbar. Elemente, welche die Qualitäten des Flat Twin zusätzlich betonen. Vor allem den kultivierten Antritt aus dem Drehzahlkeller und den überraschend spritzigen Übergang in den kräftigen mittleren Bereich oder das nach all den Pflegemaßnahmen mittlerweile ausgesprochen sanft zu schaltende Getriebe. Allerdings kennt man auch das: Ab 5000/min rappelt der Flat Twin immer noch gehörig, lässt Lenkerenden, Spiegel und Fußrasten unangenehm erzittern.

Auch nach vielen hundert Kilometern kann man sich gar nicht satt sehen an der fast schon kitschig wirkenden Modelleisenbahnlandschaft aus Seen, Flüssen und den gepflegten traditionell in Rot-Weiß gepinselten Holzhäusern. Eine Farbe, die ihren Ursprung übrigens im nahen Falun, dem Zentrum des schwedischen Bergbaus hat. Das in ihr enthaltene Kupfer schützt die Bretter vor Schädlingen und Pilzen.

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Fischfang gehört zu einem der zentralen Elemente in Skandinavien.

Guide Fredrik wird das nicht mehr bewusst wahrnehmen. Erst recht nicht, seit er auf der Triumph sitzt. Mit einer traumhaften Geschmeidigkeit legt der Drilling bereits ab 1500 (!) Umdrehungen ruckfrei los, um sich danach mit einer nur noch von der Ducati getoppten Vehemenz durchs Drehzahlband zu wuchten. Dass er dabei eine hervorragende Kinderstube zeigt, prickelnd klingt und wunderbar direkt am Gas hängt, das hat etwas durch und durch Überzeugendes an sich. Für den Kontakt zum gewöhnlichen, nicht ganz perfekten Leben sorgt höchstens noch das Fahrwerk. Recht breit spreizt der imposante Dreizylinder die Fahrerknie, etwas zu weich fielen Federung und Dämpfung - vor allem mit Zuladung - im Heck aus. Doch das wars dann schon mit der Mängelliste. Der Rest ist gelungen. Well done, wie der Brite sagt.

Längst liegt der geografische Mittelpunkt Schwedens mit Namen Flataklocken, etwa 100 Kilometer südöstlich von Östersund, hinter uns. Eine bescheidene Edelstahl-Pyramide markiert das Zentrum des sich von Süden nach Norden etwa 2000 Kilometer ausdehnenden Landes. Ein hölzerner Turm im Wald bietet eine weite Aussicht - auf noch mehr Wald.

Eine Gegend, in der die KTM buchstäblich mit den Hufen scharrt. Schotterwege, soweit das Auge reicht. Doch wir bleiben auf Asphalt. Zumindest vorläufig. Was die Österreicherin nicht krumm nimmt. Denn man hat nicht nur wegen ihrer Offroad-Affinität an ihr gespart. An Schwungmasse, an Gewicht, kurz an allem, was träge macht. Und genauso reagiert der 1000er-V2. Jeder noch so kleine Dreh am Gasgriff lässt die Drehzahlmesser nach oben und die Fuhre nach vorn schnalzen. So müssen sich Dakar-Sieger gefühlt haben. Dass der Motor dabei ins hochfrequente Vibrieren kommt, nimmt man ihm bei dieser Ausrichtung nicht übel. Zumal der 75-Grad-V-Motor sich seit seiner Renovierung zur Saison 2009 (überarbeiteter Zylinderkopf samt Nockenwellen sowie die Schalldämpfer der 990er-Supermoto) auch unterhalb von 3000/min kultivierter zeigt. Sportlich genug ist er nach wie vor. Dank einem mechanischen Servosystem (APTC) lässt sich die Kupplung mit einem einzigen Finger, das Getriebe mit dem sprichwörtlichen großen Zeh bedienen. Und was das Fahrwerk betrifft, muss sich die Adventure nicht mal mit ihren Offroad-Reifendimensionen (vorn: 21 Zoll, hinten: 18 Zoll) verstecken. Im Gegenteil. Die schmalen Asphaltschneider verleihen der LC8 auch auf der Straße eine spielerische Handlichkeit und eine hochgradig präzise Lenkung. Das begeistert - und überrascht.

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Leider trifft man Rentiere auch sehr häufig auf Straßen, daher: Obacht!

Wie der zweigeteilte Tank der KTM, der umständlich über zwei Einfüllstutzen gefüllt werden muss. Apropos Tanken. Eine Gelegenheit, um die Kette zu schmieren. Für überzeugte Tourer ist er ein rotes Tuch, der Kettenantrieb. An der Ducati, Honda, KTM und Triumph trotzdem eine konzeptionelle Notwendigkeit. An der Yamaha mit ihrem quer eingebauten Zweizylindermotor eigentlich auch. Doch - wie an der FJR 1300 - verhilft eine unauffällige Umlenkung am Getriebeausgang der Super Ténéré zum Wellenantrieb. Obendrein zu einem äußerst gelungenen. Kein Klacken, keine Lastwechselschläge, keine Reaktionen beim Beschleunigen - wozu andere technische und sprachliche Kunstwerke wie Paralever (BMW) oder CA.R.C. (Moto Guzzi) brauchen, das schafft Yamaha mit einfachsten Mitteln.

Überhaupt gibt sich die Neue betont unkompliziert. Parallel-Twin, - allerdings mit 270 Grad Hubzapfenversatz, der in Sound und Leistungsabgabe an einen V2-Motor erinnert - zwei Ausgleichswellen, viel Schwungmasse und zwei Mappings, basta. Man lässt sich, abgesehen von einer aufwändigen Traktionskontrolle, auf keine Experimente ein. Dementsprechend brav verhält sich der in den unteren vier Gängen noch dazu leistungsgedrosselte Zweizylinder. Schon bei 2000 Touren legt er ruckfrei los, ackert sich danach unaufgeregt durchs Drehzahlband. Wer Spektakel und Emotionen oder den kraftvollen Antritt eines 1200er-Motors fühlen will, muss woanders suchen. Dass die neue Yamaha in Beschleunigung und Durchzug in diesem Feld nur die ehrwürdige Honda und die exotische Guzzi distanzieren kann enttäuscht auch weniger Leistungsverliebte.

Dafür schmeichelt der Motor mit sensationell seidenweichem Lauf und allerbesten Manieren. Was auch die Fahrwerksabstimmung betrifft. Trotz ihres unzeitgemäß dicken Speckgürtels (267 Kilogramm, vollgetankt) lässt sich die XTZ akzeptabel abklappen und - sicher auch dank der schmalen Bereifung (110er vorn, 150er hinten) - präzise steuern. Das hätte man unter diesen Vorzeichen nicht erwartet. Und freut sich deshalb erst recht über die hochsensibel ansprechende, betont komfortable und dennoch mit ausreichend Reserven abgestimmte Federung.

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Die Landschaft Skandinaviens ist wie geschaffen für Reiseenduros.

Wir sind kurz vor Jokkmokk. Automobil-Fans kennen den Namen des 5000-Seelen-Städtchens als Basislager für Wintertests vieler Automobilhersteller. Für uns bedeutet dieser Ort die erste Zäsur dieser Reise: Wir haben den Polarkreis überschritten! Bereits jetzt, Anfang Juni herrscht hier Polartag. 24 Stunden Helligkeit.

Die Varadero knistert unter dem riesigen Polarkreis-Schild (Seite 21). Die Jahre haben an ihrem Konzept weniger gezehrt als erwartet. Natürlich, das Rekordgewicht von 289 Kilogramm und vergleichsweise magere 94 PS bilden bei den objektiven Messungen eine unheilige Allianz, lassen den V2 zäh wirken. Aber sonst: Laufkultur, Schaltung, Kupplung - alles top. Und grundsätzlich auch das Fahrwerk – wenn es nicht diese erdrückende Masse zu bändigen hätte. Einbiegen, abklappen, aufrichten - alles geht ein wenig zäher, mühsamer und indifferenter als bei der Konkurrenz. Nicht schlimm, wenn man es gewohnt ist. Zumal sich die Honda in Sachen Komfort ins Zeug legt. Zur Herrscherin im Daunen-Reich, der Super Ténéré, fehlt der Varadero trotz beschränkter Einstellmöglichkeiten der Federung nur eine Nuance.

Es ist kurz vor Mitternacht - und taghell. Nur die Ringe um unsere Augen werden immer dunkler. Höchste Zeit für ein Hotel. Anlasser drücken für den Endspurt. Auf der Moto Guzzi sicher nicht der richtige Platz. Denn von den angegebenen 105 PS lassen sich auf dem Prüfstand nur 97 Pferde blicken. Kein Drama, schließlich geht es - wie gesagt - vornehmlich um Touring, Drehmoment und Souveränität. Und im Fall der Stelvio auch um Identität. Allein der satte Schlag des längs eingebauten 90-Grad-V2 und die schüchterne Verbeugung nach rechts beim Zwischengas ordnen die Gefühle neu, ja bergen Suchtpotenzial. Lassen dadurch aber – Hand aufs Herz - auch manch objektiven Kritikpunkt in etwas rosigerem Licht erscheinen. Dass das Getriebe knochiger schaltet, der Motor etwas stärker vibriert, die Kupplung eine kräftige Hand benötigt, das stimmt zwar faktisch, doch man verzeiht der Stelvio gern. Nicht nur als überzeugter Guzzist. Weil die Italienerin mit diesen Schwächen nie nervt, sondern im besten Sinne Charakter zeigt. Und sich über ihr Fahrwerk den Weg zur Wiedereingliederung in die Moderne ebnet. Vertrauen erweckende Kurvenstabilität, vernünftiges Handling und ein auffallend neutrales Fahrverhalten im Zweipersonen-Betrieb, damit klimmt die NTX fahrwerksseitig sogar aufs Niveau einer Tiger oder Varadero. Wer hätte das gedacht?

Endlich Jokkmokk. 1167 Kilometer stehen auf den Tageskilometerzählern. Es reicht. Wir steuern die erstbeste Pension an. Bei Tageslicht einschlafen? Kein Problem. Ein Skandinavien-Trip ist schließlich nichts für Weicheier.

BMW R 1200 GS

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BMW R 1200 GS

Motor:
Zweizylinder-Boxermotor
Einspritzung    Ø 50 mm
Kupplung    Einscheiben-Trockenkupplung
Bohrung x Hub    101,0 x 73,0 mm
Hubraum    1170 cm³
Verdichtung    12,0:1
Leistung    81 kW (110 PS) bei 7750/min
Drehmoment    120 Nm bei 6000/min

Fahrwerk:
Rahmen    tragender Motor-Getriebe-Verbund
Gabel    längslenkergeführte Telegabel, Ø 41 mm
Bremsen v/h    Ø 305 mm/ Ø 265 mm
Assistenz-Systeme    Schlupfregelung, ABS
Räder    2.50 x 19; 4.00 x 17
Reifen    120/80 R 19; 150/70 R 17
Bereifung    Metzeler Tourance EXP

Maße und Gewichte:
Radstand    1507 mm
Lenkkopfwinkel/Nachlauf    64,3 Grad/101 mm
Federweg v/h    190/200 mm
Tankinhalt    20 Liter
Gewicht vollgetankt    246 kg
Service-Intervalle     10000 km
Preis Testmotorrad inkl. Nk    17138 Euro*

* Sondermodell 30-Jahre-Edition inkl. Sonderlackierung, Kreuzspeichenräder, verstellb. Windschild und Handschutz, Safety-Paket (1400 Euro), ESA (586 Euro), Koffer und Topcase (1014 Euro), Heizgriffe (169 Euro)

Ducati Multistrada 1200 S

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Ducati Multistrada 1200 S

Motor:
Zweizylinder-90-Grad-V-Motor
Einspritzung    Ø 64 mm
Kupplung    Mehrscheiben-Trockenkupplung (Anti-Hopping)
Bohrung x Hub    106,0 x 67,9 mm
Hubraum    1198 cm³
Verdichtung    11,5:1
Leistung    108,8 kW (148 PS) bei 9250/min
Drehmoment    119 Nm bei 7500/min

Fahrwerk:
Rahmen    Gitterrohrahmen aus Stahl
Gabel    Upside-down-Gabel, Ø 48 mm
Bremsen v/h    Ø 320 mm/ Ø 245 mm
Assistenz-Systeme    Traktionskontrolle, ABS
Räder    3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen    120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17
Bereifung    Pirelli Scorpion Trail

Maße und Gewichte:
Radstand    1530 mm
Lenkkopfwinkel/Nachlauf    65 Grad/104 mm
Federweg v/h    170/170 mm
Tankinhalt    20 Liter
Gewicht vollgetankt    234 kg
Service-Intervalle     12000 km
Preis Testmotorrad inkl. Nk    18295 Euro

Honda Varadero 1000

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Honda Varadero 1000

Motor:
Zweizylinder-90-Grad-V-Motor
Einspritzung    Ø 42 mm
Kupplung    Mehrscheiben-Ölbadkupplung
Bohrung x Hub    98,0 x 66,0 mm
Hubraum    996 cm³
Verdichtung    9,8:1
Leistung    69,0 kW (94 PS) bei 7500/min
Drehmoment    98 Nm bei 6000/min

Fahrwerk:
Rahmen    Brückenrahmen aus Stahl
Gabel    Telegabel, Ø 43 mm
Bremsen v/h    Ø 296 mm/ Ø 256 mm
Assistenz-Systeme    ABS
Räder    2.50 x 19; 4.00 x 17
Reifen    110/80 R 19; 150/70 R 17
Bereifung    Bridgestone Trail Wing 101/152 „E“

Maße und Gewichte:
Radstand    1555 mm
Lenkkopfwinkel/Nachlauf    62,5 Grad/110 mm
Federweg v/h    155/145 mm
Tankinhalt    25 Liter
Gewicht vollgetankt    289 kg
Service-Intervalle     6000 km
Preis Testmotorrad inkl. Nk    12260 Euro

KTM 990 Adventure

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KTM 990 Adventure

Motor:
Zweizylinder-75-Grad-V-Motor
Einspritzung    Ø 48 mm
Kupplung    Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping)
Bohrung x Hub    101,0 x 62,4 mm
Hubraum    1000 cm³
Verdichtung    11,5:1
Leistung    78,0 kW (106 PS) bei 8250/min
Drehmoment    100 Nm bei 6750/min

Fahrwerk:
Rahmen    Gitterrohrahmen aus Stahl
Gabel    Upside-down-Gabel, Ø 48 mm
Bremsen v/h    Ø 300 mm/ Ø 240 mm
Assistenz-Systeme    ABS
Räder    2.15 x 21; 4.25 x 18
Reifen    90/90-21; 150/70-18
Bereifung    Pirelli Scorpion MT 90

Maße und Gewichte:
Radstand    1570 mm
Lenkkopfwinkel/Nachlauf    63,4 Grad/119 mm
Federweg v/h    210/210 mm
Tankinhalt    19,5 Liter
Gewicht vollgetankt    238 kg
Service-Intervalle     7500 km
Preis Testmotorrad inkl. Nk    13745 Euro

Moto Guzzi Stelvio 1200 NTX

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Moto Guzzi Stelvio 1200 NTX

Motor:
Zweizylinder-90-Grad-V-Motor
Einspritzung    Ø 50 mm
Kupplung    Einscheiben-Trockenkupplung
Bohrung x Hub    95,0 x 81,2 mm
Hubraum    1151 cm³
Verdichtung    11:01
Leistung    77,0 kW (105 PS) bei 7250/min
Drehmoment    113 Nm bei 5800/min

Fahrwerk:
Rahmen    Brückenrahmen aus Stahl
Gabel    Upside-down-Gabel, Ø 50 mm
Bremsen v/h    Ø 320 mm/ Ø 282 mm
Assistenz-Systeme    ABS
Räder    2.50 x 19; 4.25 x 17
Reifen    110/80 R 19; 150/70 R 17
Bereifung    Metzeler Tourance

Maße und Gewichte:
Radstand    1535 mm
Lenkkopfwinkel/Nachlauf    63 Grad/125 mm
Federweg v/h    170/155 mm
Tankinhalt    18,0 Liter
Gewicht vollgetankt1    285 kg
Service-Intervalle     10000 km
Preis Testmotorrad inkl. Nk    16145 Euro

Triumph Tiger SE

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Triumph Tiger SE

Motor:
Dreizylinder-Reihenmotor
Einspritzung    Ø 46 mm
Kupplung    Mehrscheiben-Ölbadkupplung
Bohrung x Hub    79,0 x 71,4 mm
Hubraum    1050 cm³
Verdichtung    12:01
Leistung    84,6 kW (115 PS) bei 9400/min
Drehmoment    100 Nm bei 6250/min

Fahrwerk:
Rahmen    Brückenrahmen aus Aluminium
Gabel    Upside-down-Gabel, Ø 43 mm
Bremsen v/h    Ø 320 mm/ Ø 255 mm
Assistenz-Systeme    ABS
Räder    3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen    120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17
Bereifung    Michelin Pilot Road

Maße und Gewichte:
Radstand    1510 mm
Lenkkopfwinkel/Nachlauf    66,8 Grad/88 mm
Federweg v/h    150/150 mm
Tankinhalt    20 Liter
Gewicht vollgetankt    241 kg
Service-Intervalle     10000 km
Preis Testmotorrad inkl. Nk    13040 Euro*


*Sonder Edition mit ABS, Koffersystem und Handschutz

Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré

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Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré

Motor:
Zweizylinder-Reihenmotor
Einspritzung    Ø 46 mm
Kupplung    Mehrscheiben-Ölbadkupplung
Bohrung x Hub    98,0 x 79,5 mm
Hubraum    1199 cm³
Verdichtung    11,0:1
Leistung    80,9 kW (110 PS) bei 7250/min
Drehmoment    114 Nm bei 6000/min

Fahrwerk:
Rahmen    Brückenrahmen aus Stahl
Gabel    Upside-down-Gabel, Ø 43 mm
Bremsen v/h    Ø 310 mm/ Ø 282 mm
Assistenz-Systeme    Traktionskontrolle, ABS
Räder    2.50 x 19; 4.00 x 17
Reifen    110/80 R 19; 150/70 R 17
Bereifung    Metzeler Tourance EXP „C“

Maße und Gewichte:
Radstand    1540 mm
Lenkkopfwinkel/Nachlauf    62,0 Grad/ 125 mm
Federweg v/h    190/190 mm
Tankinhalt    22,6 Liter
Gewicht vollgetankt1    267 kg
Service-Intervalle     10000 km
Preis Testmotorrad inkl. Nk    14965 Euro

MOTORRAD-Messungen

Zeichnung: Archiv
Mit Ausnahme der Ducati (147 PS) und der Honda (94 PS) pendelt die Reise- enduro-Gesellschaft um die 110-PS-Marke. Nur der Moto Guzzi fehlen zur angegebenen Leistung von 105 PS acht Pferde.

Kühle Zahlen: Auch wenn sich Motorräder mehr über Emotion als über bloße Fakten definieren, beeindrucken manche Zahlen. Die absolute Dominanz der Ducati beispielsweise. Mit ihrer gewaltigen Leistung spielt die Italienerin die Konkurrenz in den Fahrleistungen gnadenlos an die Wand. Ebenfalls auffallend: Der zaghafte Auftritt der neuen Yamaha Super Ténéré, deren Punch gerade dazu reicht, Oldie Honda und Exot Moto Guzzi in Schach zu halten. Von einer Neukonstruktion hätte man mehr erwartet. Im Rahmen bleibt auch der Spritkonsum der großen Boliden auf der MOTORRAD-Verbrauchsrunde. Lediglich die Ducati, KTM und Moto Guzzi gönnen sich am Zapfhahn ein Schlückchen mehr als die Konkurrenz.

Messungen:

   BMW  Ducati  Honda  KTM
 Höchstgeschwindigkeit*  215 km/h  245 km/h  200 km/h  210 km/h
 Beschleunigung 0-100 km/h
 3,7 sek  3,3 sek  3,9 sek  3,8 sek
                        0-140 km/h
 6,1 sek  5,2 sek  7,0 sek  6,4 sek
                        0-200 km/h
 16,3 sek  10,1 sek  -  16,9 sek
 Durchzug          60-100 km/h
 3,8 sek  4,1 se  5,2 sek  4,9 sek
                      100-140 km/h
 4,0 sek  4,3 sek  5,7 sek  4,9 sek
                      140-180 km/h
 5,4 sek  4,9 sek  7,8 sek  5,9 sek
         
 Verbrauch        
 Verbrauch Landstraße
 5,1 Liter  6,3 Liter  5,6 Liter  6,1 Liter
 Reichweite Landstraße
 392 Km  317 Km  446 Km  320 Km



   Moto Guzzi
 Triumph  Yamaha
 Höchstgeschwindigkeit*  220 km/h  220 km/h  210km/h
 Beschleunigung 0-100 km/h
 4,1 sek  3,4 sek  3,7 sek
                        0-140 km/h
 7,5 sek  5,5 sek  6,9 sek
                        0-200 km/h
 -  12,1 sek  22,6 sek
 Durchzug          60-100 km/h
 4,5 sek  3,5 sek  4,6 sek
                      100-140 km/h
 5,5 awk  3,9 sek  5,1 sek
                      140-180 km/h
 8,0 sek  5,6 sek  7,6 sek
       
 Verbrauch      
 Verbrauch Landstraße
 6,1 Liter  5,5 Liter  5,0 Liter
 Reichweite Landstraße
 295 Km  364 Km  452 Km


*Herstellerangabe

Fazit

Jahn
Die Ducati Multistrada 1200 S bewegt sich als eines der neuesten Bikes im Feld.

Fazit Teil 1:
Lappland ist erreicht. Auf 1200 Kilometern und dem Top-Test-Parcours von MOTORRAD mussten die Reiseenduros ihre Qualitäten in den Kernkompetenzen eines Motorrads beweisen, Motor und Fahrwerk. Die Sensation: Die Ducati Multistrada setzt sich mit einem imposanten Vorsprung in Szene. Der Platzhirsch BMW ist klar distanziert, muss sich gar von der souveränen Triumph und der quirligen KTM auf die Pelle rücken lassen. Bislang die Enttäuschung: die Super Ténéré. Von einer Neukonstruktion hätte man mehr erwartet, als nur die betagte Varadero oder die exotische Moto Guzzi in Schach zu halten.

Ausblick Teil 2:
1000 Kilometer bleiben noch bis zum Nordkap. Distanz genug, um die Reiseenduros in der zweiten Hälfte der 1000-Punkte-Wertung von MOTORRAD (Alltag, Sicherheit und Kosten) Farbe bekennen zu lassen. Und Punkte genug, um Etappensieger zu stürzen oder Verlierer zu rehabilitieren. Man darf gespannt sein - auf das nächste MOTORRAD.

Wertung

Kategorie Motor:
In dieser Kategorie gibt es zwei verdiente Sieger: Ducati und Triumph. Der fulminante V2 (Multistrada) oder der elegante Dreizylinder (Tiger) verbinden Emotion, Laufkultur und Leistung auf höchstem Niveau. Der ab 5000 Touren vibrierende BMW-Antrieb muss sich trotz jahrelangem Feinschliff dahinter einreihen. Der Schwachpunkt des quirligen KTM-Motors ist die Laufruhe. Dem Yamaha-Zweizylinder fehlt ein hubraumadäquater Punch, der Varadero schlicht Leistung, dem Guzzi-Aggregat gehen die feinen Manieren ab.

Sieger Motor: Ducati/Triumph

Kategorie Fahrwerk:
Handling, Lenkpräzision und Rückmeldung - alles vom Feinsten bei der Ducati. Da kann selbst das exzellente Fahrwerk der BMW nur mit Mühe dran bleiben. Dafür rehabilitiert sich die Yamaha nach dem Motoren-fiasko mit exzellentem Federungskomfort und ausgeprägter Stabilität, kann sogar die ultrahandliche KTM in die Schranken weisen. Respekt: Ausgewogenheit und präzises Lenkverhalten bringen die Guzzi vor die Triumph (beschränkte Federungs-Einstellmöglichkeiten) und die Honda (träges Handling).

Sieger Fahrwerk: Ducati

   Max.  BMW  Ducati  Honda  KTM  Moto Guzzi
 Triumph  Yamaha
 Zwischen-
 wertung
 500  336  356  297  331  291  333  330
 Platzierung    2.  1.  6.  4.  7.  3.  5.


Etappen Sieger: Ducati Multistrada 1200 S Sport

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