Yamaha XT 600 Z Ténéré: Test

Yamaha XT 600 Z Ténéré: Test Dauerrutscher

Ist die Neuauflage der Yamaha XT 600 Tenöre ein Kind der Wüste? Schließlich nennt Yamaha als Eltern die letztjährigen Werksmaschinen der Rallye Paris-Dakar.

Dauerrutscher

Schlagerstars, Waschmittelhersteller und Motorradproduzenten haben alle ein Problem: Wenn sie oben sind, müssen sie den Vorsprung vor der Konkurrenz halten. So geht es zum Beispiel Yamaha. Die Ténéré-Urfassung, benannt nach dem übelsten Wüstenstück zwischen Paris und Dakar, hat in Europa seit 1983 10500 Käufer gefunden. Was nun? Ein Verkaufserfolg war sie also. Trotzdem oder vielleicht deshalb kommt ein neues Modell mit einer umfangreichen Liste technischer Verbesserungen auf den Markt. Die 1986er Ténéré soll alles noch viel besser können. Punkt eins der Änderungen fällt schon beim Platznehmen auf. Geblieben ist die bequeme, gut gepolsterte Sitzbank. Verändert hat sich die Höhe des Arbeitsplatzes (860 Millimeter). Auch Chauffeure, die nicht allzu stark ins Kraut geschossen sind, stehen nun ohne Hilfe von Bordsteinen oder anderen Stützmitteln mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Die Inbetriebnahme hat nun wirklich nichts mehr mit Abenteuer oder hartem Männersport zu tun. Sie erfolgt mit Hilfe lässigen Daumendrucks. Der elektrische Anlasser bringt über fünf Zahnräder auf der linken Seite des Motorgehäuses die Kurbelwelle in Schwung. Dafür wird natürlich eine ziemliche Menge Strom benötigt. Und so bekam die XT 600 Z Ténéré eine größere Zwölf-Volt-Batterie mit zwölf Amperestunden ins Rahmendreieck.

In Blau und Weiß erhältlich: Yamaha XT 600 Z Ténéré.

Auf den ersten Kilometern Fahrt durch innerstädtischen Verkehr fällt sofort auf, daß die XT 600 bedeutend leichtfüßiger ist als es die doch recht wuchtige Erscheinung vermuten läßt. Selbst Wendemanöver auf engstem Raum lassen sich behände und ohne Angst vor Stürzen meistern. Der Pilot sitzt gerade so hoch über der Fahrbahn, daß er nicht in die Heckscheibe der vorausfahrenden Autos blicken muß, sondern souverän über das Dach sehen kann. Gaskommandos nimmt die XT mit kräftigem, dennoch nicht gewalttätigem Krafteinsatz entgegen. Ab 2000 Touren- darunter poltert und ruckelt der Motor – beschleunigt die Fuhre angenehm weich und geschmeidig. Dieser Schub hält bis 6000 Umdrehungen an. Dann kippt die Beschleunigungskurve ab, und die Vibrationen nehmen zu. Die Unruhen des überarbeiteten Triebwerks erreichen zwar nicht den Umfang des Vorgängermodells; die positiven Charaktereigenschaften sind jedoch geblieben.

Die Neue bringt mehr auf die Waage

Starthilfe: Anlasser hinter dem Zylinderfuß.

Zwischen 2000 und 6000 Umdrehungen will der XT-Vierventiler bewegt werden. Denn in diesem Bereich fühlt er sich am wohlsten. So gebührt ihm in seiner Klasse einer der vorderen Plätze. Mit technischen Details lassen sich die Verbesserungen erklären: Die Einlaßventile sowie die beiden Kollegen von der Auslaßseite wuchsen einen Millimeter im Durchmesser (Einlaß 36 auf 37, Auslaß 31 auf 32 Millimeter). Die Form des Brennraums ist so getrimmt, dass die Entflammung des Benzin/Luft-Gemischs schneller und effektiver verläuft. Die Kurbelwelle erhielt zur Verbesserung der Haltbarkeit einen stärkeren Hubzapfen, und Aus- und Einlaßkanäle wurden vergrößert. Die Aufzählung läßt sich fortsetzen. Wichtiger für den Käufer sind jedoch die daraus resultierenden Fahreigenschaften. Die XT Neuauflage hat einen tieferen Schwerpunkt. Das wurde erreicht, in dem man den Luftfilterkasten über dem Rahmenrückgrat befestigte und das Tankvolumen von 28 auf 23 Liter senkte. Zusätzlich wurde der Tank auch seitlich weiter heruntergezogen. Die besseren Fahreigenschaften durch den tieferen Schwerpunkt werden vor allem im Gelände deutlich. Allzu ungestüm darf die Fahrt auf losem Untergrund jedoch nicht begonnen werden. Ein gewichtiger Einwand sind nämlich die Pfunde der keinesfalls leichtgewichtigen Ténéré. 354 sind es, oder besser: 177 Kilogramm. Kein Pappenstiel für eine Enduro, Größere Taten im Gelände vereitelt auch die Serienbereifung, die mehr für Straßeneinsatz vorgesehen ist

Schützt vor Nässe, Schlamm und Beschädigung: Plastikabdeckung für die Bremsscheibe.

Trotzdem macht die Yamaha bei gelegentlichen Abstechern eine gute Figur. Denn die Federelemente und die Rahmengeometrie, fast unverändert vom Vorgänger übernommen, sind für den Einsatz auf Asphalt oder Erde geradezu ideal. Zurück zur Straße, die nun einmal das eigentliche Einsatzgebiet der XT darstellt Tatort Autobahn: Höchstgeschwindigkeitsfahrt mit flatterndem Thermoboy. Die Ténéré, solchermaßen zum Schnellzug vergewaltigt, zieht stur ihre Bahn. Keine Unruhe am Lenker, keine Geradeauslaufschwäche sind festzustellen. Selbst böswillig eingeleitete Schlingerbewegungen klingen sofort wieder ab. Das Wüstenschiff benimmt sich vorbildlich, bleibt souverän. Sogar bei brutalem Einsatz der zwar etwas nässeempfindlichen, sonst aber durchaus kräftigen Scheibenbremse. Die Ténéré Front taucht nicht allzu tief weg, wie dies an Konkurrrenzmodellen oft bemängelt wird. Die notwendige Handkraft beim Bremsen ist durchaus akzeptabel. Und die Moral von der Geschichte: Die XT ist eine wirklich gut gelungene Straßenenduro, die unnötigerweise als Rallye-Renner vermarktet wird. Diese Verkaufshilfe hat sie aber sicher nicht nötig. Bleibt abschließend nur zu hoffen, daß die Motorradwelt von vollverschalten Enduros verschont bleibt, wie sie bei der diesjährigen Inszenierung des Paris-Dakar-Spektakels am Wüstenhorizont auftauchten.

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