Jeden letzten Sonntag im September ist es so weit. Dann stärken sie ihre Hemden, bügeln ihre Hosen, tragen edle Westen und binden Krawatten oder Fliegen um. Sie, die vielen Männer, aber auch Frauen, schwingen sich auf ihre Maschinen und werden so zum motorisierten „Gentlefolk“. „Fahre gediegen“ (ride dapper) ist ihr gemeinsames Motto. Die auffallend kultiviert gekleideten Damen und Herren tun das für eine gute Sache. Für den „Distinguished Gentleman´s Ride“ und gegen den Krebs. Es ist eine Herrenfahrt der etwas anderen Art …
Ein Foto des Schauspielers Jon Hamm in seiner Rolle als Don Draper, bekannt aus der TV-Serie „Mad Men“, war zentrale Inspiration für das Happening. Draper trägt auf dem Foto feinsten Zwirn und sitzt lässig, aber mit der zurückhaltenden Coolness eines Gentleman auf einer Matchless G3, Baujahr 1957. Mit seinem klassischen Look widerspricht er dem nach wie vor verbreiteten Klischee des bösen Bikers. Der Australier Mark Hawwa wurde durch dieses Bild motiviert, den Distinguished Gentleman´s Ride, kurz „DGR“, auszurichten. Eine Ausfahrt in feinen Klamotten, auf besonderen Maschinen. Ganz im Stil vornehmer Männer der alten Schule.
Prostatakrebs - ein Tabu-Thema
Der erste Distinguished Gentleman´s Ride wurde 2012 in Sydney organisiert und fand parallel in 63 weiteren Städten rund um den Globus statt. Dem Erfolg dieses Konzepts folgte schließlich der Gedanke, die Außenwirkung einer so imposanten Ausfahrt für einen guten Zweck zu nutzen. Der Gentleman´s Ride als wohltätiges Event war geboren! In ihm sammeln sich seither Kräfte im Kampf gegen Prostatakrebs – für mehr Aufklärung, häufigere Vorsorge sowie intensivere Forschung. Ein guter Zweck, der den Motorradfahrern am Herzen liegen sollte. Denn täglich sterben rund 1300 Menschen daran. Die häufigste Krebsart bei Männern wird nach wie vor unterschätzt. Sie macht weder vor Gentlemen noch vor harten Kerlen Halt. Ein Tabu-Thema …
Dass immer mehr Menschen reflektiert und aufgeklärt mit Prostatakrebs und Männergesundheit umgehen, beweisen die erfolgreichen Ausfahrten der letzten Jahre. 2013 waren beim DGR bereits über 11.000 Fahrer in weltweit 145 Städten unterwegs und sammelten fleißig Spenden. Mehr als 270.000 Dollar kamen so zusammen. Im letzten Jahr waren es bereits doppelt so viele Fahrer. Und über 1,5 Millionen Dollar, die diversen Krebs-Stiftungen in den USA, dem Vereinigten Königreich, Australien, Kanada und Neuseeland zugute kamen. Vor kurzem fand nun der Distinguished Gentleman´s Ride 2015 in über 400 Städten statt. Und er verband mehr als je zuvor die unterschiedlichsten Motorrad-Genres mit der guten Sache.
Allein in Deutschland über 32.000 Euro Spenden gesammelt
In Berlin trafen sich immerhin 170 Gleichgesinnte nahe dem historischen Olympiastadion und genossen das Spiel mit der Rolle vergessen geglaubter, echter Gentlemen. Die Zweiräder zur gesitteten Fortbewegung durften dann auch möglichst distinguiert sein: Neben der ältesten Maschine, einer BSA von 1925, versammelten sich diverse Chopper, Custom Bikes und Retro-Motorräder in Berlin. Ganz dem Bedürfnis gelebter Toleranz folgend, durften aber auch stinknormale Kisten, moderne Supersportler und abgewetzte Alltagshobel zum Distinguished Gentleman´s Ride in die Hauptstadt kommen. Güllepumpen, GS und Monster wurden genauso freudig begrüßt wie edles oder historisches Material. Elitäres Schubladendenken, wie es im Ursprungsland Australien noch vorherrschte, war in Berlin bewusst ausgeschlossen worden. Um alle einzuschließen.
Nach regem Austausch, unterhaltsamen Benzingesprächen und heißen Drinks im Doppelstock-Bus vom Race Café Berlin setzte sich der Pulk in Bewegung und fuhr einmal von West nach Ost durch die Innenstadt. Die Gewinne aus Online-Spenden und Merchandising-Verkäufen fließen direkt in den Kampf gegen Prostatakrebs. Ausfahrten wie in Berlin wurden auch in elf weiteren deutschen Städten erfolgreich organisiert. So konnten über 32.000 Euro Spenden gesammelt werden. Weltweit verfolgt die Bewegung ein Ziel von drei Millionen Dollar. Mit rund 37.000 Teilnehmern sollte das bis zum nächsten DGR machbar sein. Der Distinguished Gentleman´s Ride beweist als globales Phänomen, dass sich ernste Themen und gemeinsamer Motorrad-Spaß nicht ausschließen müssen. Denn die ehrenamtlich organisierten Touren schaffen bei den Fahrern Bewusstsein für eine lebensbedrohende Krankheit. Beim DGR ist Krebs zwar nicht Hauptthema, aber wesentliches Motiv. Die Stimmung bei den Ausfahrten ist frei von pathetischen Gedanken. Im Mittelpunkt steht das Hier und Jetzt. Die Freude am gemeinsamen Cruisen. Die Lust an klassischer Mode und dem Brechen von Vorurteilen. Eine Win-Win-Situation.
Distinguished Gentleman´s Ride 2016
Nach dem DGR ist vor dem DGR! Bereits jetzt plant das in Australien ansässige Team vom Distinguished Gentleman’s Ride die Touren für 2016. Unterstützer können sich auf der Website nicht nur einen Überblick über die Teilnehmer machen und Motorräder von Triumph gewinnen, sondern auch einen Ride in ihrer jeweiligen Heimatstadt organisieren. Alle Informationen gibt es unter: www.gentlemansride.com