Ötztaler Mopedmarathon 2018
Alpenspektakel vom 22. bis 23. Juni

1.513 Starter, 238 Kilometer, vier Alpenpässe – und 50 cm³ Hubraum. Das ist der Ötztaler Mopedmarathon, für dessen Bewältigung eine Portion Wahnsinn hilfreich ist. Vom 22. bis 23. Juni findet der ÖMM 2018 statt. Unser Kollege Torsten Seibt fährt mit seiner Jawa auch wieder mit. Seinen Bericht vom letzten Jahr lest ihr hier.

Alpenspektakel vom 22. bis 23. Juni
Foto: lrudia.at

Das Wochenende vom 22. bis 23. Juni 2018 scheint ganz im Zeichen der Fuffzgerle (50er) zu stehen: Im Krummbachtal findet das 4. Stuttgarter Mofarennen statt und in den Alpen der 18. Ötztaler Mopedmarathon. So um die 1.000 Beteiligten werden es in Süddeutschland auf dem abgesteckten Wiesenkurs schon werden. Der Ötztaler Mopedmarathon hat aber allein schon 1.500 gemeldete Fahrer!

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Ötztaler Mopedmarathon 2018
Alpenspektakel vom 22. bis 23. Juni
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Seibt
Unser Kollege Torsten Seibt fährt mit seiner Jawa auch den 2018er Ötztaler Mopedmarathon mit.

Es gilt vier Alpenpässe, 5.500 Höhenmeter, 238 Kilometer und 4 Klimazonen mit einem 50 cm³-Gefährt zu meistern. Ganz nach dem Motto: "Wer langsam fährt hat länger Spaß" ist die Veranstaltung so gar nicht auf Geschwindigkeit ausgelegt. Genau wie in Stuttgart geht es den Teilnehmern, Zuschauern und Veranstaltern des ÖMM 2018 um eine spaßige Veranstaltung für alle Beteiligten. mopedmarathon.at

Unser Kollege Torsten Seibt fährt mit seiner Jawa auch wieder mit. Seinen Bericht vom letzten Jahr lest ihr hier, siehe unten.

Rückblick auf den Ötztaler Mopedmarathon 2017:

Kettenrad an meinem Boliden ­gewechselt? Check! Ölwechsel gemacht? Check! Garagennachbar kommt mit kühlem Bier und Grillwurst vorbei? Check! Vorbereitung ist alles! Aber was ist mit meinem platten Hinterreifen? Dann bleibt der eben noch ein bisschen platt. Bratwurst geht vor. Und es ist ja auch noch ein Tag Zeit bis zur Abfahrt zum Ötztaler Mopedmarathon. Gemeinsam mit ein paar verhaltensoriginellen Kumpels, bei denen das mit dem Erwachsenwerden auch noch nicht so richtig funktioniert hat, war ich schon letztes Jahr beim ÖMM mit dabei. Jetzt, beim zweiten Mal, ist die schnatternde Aufgeregtheit von damals einer beinahe schon routinierten Zen-Ruhe gewichen. Tiefenentspannt schlägt un­sere Truppe aus drei Damen, vier Herren und einem Nachwuchs-Copiloten am Vorabend des ÖMM im österreichischen Sölden auf.

Friedlich, laut, bunt, verrückt

Hinter uns verschieden lange Anfahrtsstrecken, vor uns prognostiziertes Kaiserwetter, unter uns beinharte 50-Kubik-Geräte: Honda Monkey, Zoomer, Dax und Derivate, eine patinierte Simson Schwalbe und meine rote Jawa Pio­nyr zappeln in Richtung Anmeldung. Rund um uns herum? Lauter Irre! Und genau deshalb sind wir hier: Ein Star Wars-Stormtrooper-Grüppchen mit Darth Vader an der Spitze qualmt auf Simsons vorbei, im Pulk vor uns ragt ein Zweimeter-Patrick-Starfish rosafarben in den blauen Himmel, und die Schweizer vom letzten Jahr sind wieder im Schottenrock vor Ort – nebst beeindruckendem Gemächt aus Plüsch. Klingt nach Fasching, ist es auch ein bisschen. Aber es ist vor allem eines: anders. Friedlich, laut, bunt, verrückt – und irgendwie irreal.

Premiere im Jahr 2013

Der Ötztaler Mopedmarathon wurde wie so viele großartige Ideen aus einer launigen Wette heraus geboren. Manuel Ribis, Hotelier aus Obergurgl, wollte den Machern des Ötztaler Radmarathons beweisen, dass man deren 238 Kilometer lange Strecke über vier Pässe und 5.500 Höhenmeter auch mit einem 50-Kubik-Gerät abreiten könne. Es ging um eine Kiste Bier. Manuel hat gewonnen, auch an Erfahrung. Aus dem kleinen Grüpp­chen Tiroler Burschen, das bei der Premiere im Jahr 2013 reichlich ahnungslos die Zwergen-Zweitakter sattelte, ist ­inzwischen eine internationale Mammutveranstaltung geworden. Der mit sechs Mitgliedern flugs gegründete Ötztaler Mopedverein wuchs dieses Jahr auf über 1.600 Member an, nur durch Mundpropaganda und Social-Media-Aktivitäten. Denn ein Wettbewerb ist der ÖMM wohlweislich nicht. Sondern eine Vereinsausfahrt, zu der sich in diesem Juni 1513 Moped-Freaks befristet auf ein Jahr als Mitglieder einschrieben – und Organisator Manuel Ribis damit ganz nebenbei zum Präsidenten eines ziemlich großen Mofaclubs machten.

Programm, Reglement und Ablauf überschaubar

50 Kubik, zwei Räder, eine Spur, so die technische Vorgabe. Sie wird beim Start überwacht von der sogenannten „Prüff“, einer ausgeklügelten Abnahmestation. Freitags vor dem eigentlichen Event starten die mit besonders harten Eisenärschen gesegneten „Rider“ zu einem ersten Sturm auf den Rettenbachferner. Es geht rauf bis auf 2.800 Meter, damit sich die Mopeds schon mal auf die bevorstehende Quälerei einstellen können. Und Samstagfrüh, Schlag sechs Uhr, beginnt der eigentliche Mopedmarathon.

Luftkurort geht anders

Was es bedeutet, wenn anderthalb­tausend Mopeds, darunter nicht wenige hochbetagte Zweitakter, in einem engen Talkessel gezündet werden, ist ein bisschen schwierig zu beschreiben. Sagen wir mal so: Luftkurort geht anders. In 300er-Pulks wird das Starterfeld auf die Strecke geschickt, örtliche Polizei und Feuerwehr helfen, doch der sonstige Verkehr geht um diese Uhrzeit im Ötztal noch gegen null. Bei einstellig-zapfigen Temperaturen wälzt sich der Kleinkraftrad-Lindwurm erst einmal bergab nach Norden, trügerische Kilometer, die sich so leicht, unbeschwert und gelegentlich nicht ganz StVO-konform absurfen lassen.

lrudia.at
Die kilometerlangen Bergabfahrten sind nicht zu unterschätzen, erst recht nicht für die Zweitakter. Manche fahren mit abgeschaltetem Motor – und sprechen zuvor ein Gebet an den Gott der Trommelbremse.

Unzählige Daumen entlang der Strecke recken sich nach oben, die Einheimischen feiern die ÖMM-Teilnehmer selbst um diese unwirtliche Zeit, stehen in großen Gruppen am Streckenrand. Und für die Fahrer naht der erste Nackenschlag: gut eine Stunde Fahrzeit nach dem Start, Kreisverkehr in Ötz, Einstieg in die Passstraße hoch ins Kühtai. Der steilste Teil mit 18 Prozent Steigung – die ersten schieben. Andere halten sich bei Mopsgeschwindigkeit im ersten Gang Vollgas gerade so im Sattel, während ein paar hinterfotzig sägende Kreidler Florett und Simson Schwalben im Eilzug-Tempo vorbeibläuen. „Wer das Kühtai nicht schafft, der kann gleich nach Hause fahren“, sagte Manuel Ribis mal in einem Interview. Doch irgendwie schaffen es fast alle hinauf auf 2.020 Meter. Dort oben am Checkpoint wird auch klar, warum der Ötztaler Mopedmarathon so eigentlich nur in dieser Gegend funktionieren kann. Wer im Winter mit abertausenden feierwütigen Skiurlaubern zurechtkommt, der bewältigt auch ein übergroßes Rudel Mopedfahrer mit einem Schimpansen und SpongeBob an der Spitze. Riesiger Parkplatz, Riesen-Remmidemmi, die Wirtshäuser laufen unter Volllast und rundherum nur fröhliche, begeisterte Gesichter. Spätestens da hat er dich zum ersten Mal voll erwischt, der ÖMM-Spirit.

Ein Fest für die Sinne

Den Berg runter Richtung Innsbruck ist wieder Einfühlungsvermögen gefragt. So klein wie die Zylinder sind meist auch die Trommelbremsen der Boliden, und zig Kilometer Schiebebetrieb vertrug sich noch nie so richtig mit Zweitaktmotoren. Die Viertaktfahrer segeln erhobenen Hauptes motorbremsend vorbei. Am Brenner dann die „Labestation“, schon auf italienischer Seite. Es gibt heiße Würstl und Getränke, die Stimmung ähnelt einem Volksfest, nur ohne Bier. Es herrscht striktes Alkoholverbot, die österreichische Polizei wird das später auch kontrollieren. Auf den kommenden Teil hatte ich mich am meisten gefreut. Runter ins brütend heiße Sterzing swingen und einen Haken schlagen, durch schattige Wälder hinauf auf die grasbewachsenen Höhenzüge am Jaufenpass. Im zweiten, maximal dritten Gang, mit vielleicht 35 km/h auf der Uhr. Ein Fest für die Sinne. Dass ich schon seit Matrei meinen Hintern nicht mehr spüre, ist ein anderes Thema. Vielleicht ganz gut so, die Buckelpiste bergab nach St. Leonhard ist der definitiv unkommodste Abschnitt.

Die Abschlussparty kann kommen

Und dann winkt es schon am Horizont, das Timmelsjoch. Vom Passeiertal hinauf ist’s ein letzter Kraftakt für die 0,05-Liter-Granaten. Der Übergang wartet auf frostig-frischen 2.500 Metern. Und noch einmal kämpft die Rennbestie weit jenseits der Nenndrehzahl im Ersten – der fieseste Abschnitt kommt zum Schluss. Bilder eines mit Donnerschlag in die Stratosphäre zischenden 50-Kubik-Kolbens tanzen mir im Hinterkopf. Das Timmelsjoch hinauf hast du auf einer Jawa ­Pionyr viel Zeit zum Nachdenken. Doch die Maschine hält. Und auf der Passhöhe dreht plötzlich ein älterer Herr, Tagestourist augenscheinlich, komplett frei. Unverständnis meinerseits, bis er mir auf Englisch erläutert, dass er aus Tschechien kommt, selbst früher eine Jawa Pionyr besaß und es für eine mittelere Sensation hält, ausgerechnet hier und heute zu erleben, wie sich solch ein dürr motorisiertes Etwas hier heraufkämpft. Am Ende liegen wir uns fast in den Armen. Die Abschlussparty kann kommen.

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Erscheinungsdatum 15.09.2023