Schotten ist Kult, eine Classic-TT im Kleinen, und das mitten in Deutschland. Wer gelebte Rennfaszination vergangener Zeiten live und in Farbe erleben möchte, kommt traditionell im August nach Schotten. Das 25. Jubiläum ist für mich das erste Mal – der Ruhrpott ist eben weit entfernt. Motorsport hautnah wurde mir versprochen, hier kommst du so dicht dran wie sonst nirgends, und nimm Gehörschutz mit, hatten die Kollegen gesagt. Wahrlich ein wertvoller Tipp.
Die Strecke ist kurz, nur 1,4 Kilometer, sie wird jedes Jahr für dieses eine Wochenende gesperrt und von Dutzenden Helfern mit eigens gefüllten Strohballen gesichert, bis sie aussieht, wie eine Rennstrecke eben auszusehen hat. Gefahren wird im Uhrzeigersinn, also rechtsherum, Start und Ziel befinden sich am Anfang der langen Geraden. Auf dieser geht es durchs Grüne, sonst überwiegend vorbei an Einfamilienhäusern, Villen gar, Firmen, Kneipen, Lagerschuppen und über Brücken. Manche Abschnitte erinnern mich tatsächlich an die Isle of Man. Doch hier sind die Wege kurz, und eigentlich darf jeder fast überall hin.
Zum Jubiläum stand das Rennen auf der Kippe
Ausgerechnet zum Jubiläum des Schotten-GP stand die Durchführung einmal mehr auf der Kippe. Diesmal gefährdete der marode Zustand der Seestraße, der Gegengeraden zur Start-Ziel-Geraden, die Veranstaltung. Wegen des holprigen und mehrfach geflickten Belags wollte der DMSB keine Genehmigung mehr erteilen, was das Aus für den Klassik-Event bedeutet hätte. Eine halbe Million Euro für eine neue Asphaltdecke galt es zu stemmen, und nur weil der veranstaltende Club sich mit einem Fünftel daran beteiligte, übernahm die Stadt Schotten den Rest. Glücklicherweise bekam ein Bauunternehmer den Auftrag, der früher selbst Oldtimerrennen gefahren ist. So wurde der neue Belag nicht nur perfekt, sondern auch rechtzeitig fertig. Die Bundesstraße, die im Ortsgebiet als Start-Ziel-Gerade genutzt wird, hatte schon zu Beginn des Jahres eine neue Decke bekommen – eine glückliche Fügung.
"Wir machen weiter, und zwar die nächsten 25 Jahre"
Die Organisatoren wurden daher nicht müde zu beteuern, dass Gerüchte von einem Ende des Schotten-GP eben nur Gerüchte sind: „Wir machen weiter, und zwar die nächsten 25 Jahre“, tönte es zuversichtlich aus den Lautsprechern. Diesmal drängten sich 11 500 Zuschauer an der Strecke, bejubelten Stars wie Phil Read, Freddie Spencer, Dieter Braun oder Carlos Lavado ebenso lautstark wie ihre Lokalmatadoren.
Weil nicht gegeneinander auf Zeit gefahren wird, sondern die gleichmäßigsten Runden zählen, sind die Klassen so bunt gemischt wie die Meisterklasse der Stars. Und da gleichmäßig am besten funktioniert, wenn man gleichmäßig schnell fährt, kommt nie Langeweile auf. Schon gar nicht akustisch, es gibt ordentlich was aufs Trommelfell. Damit auf dem neuen Belag ausgangs der Gegengeraden keiner zu flott heranbraust, hatte man erstmals eine Schikane eingebaut, die vor allem die Gespanne spürbar einbremste. Außer ein paar harmlosen Verbremsern in engen Kurven ist nichts passiert, keiner hat sich ernsthaft verletzt.
Überwältigend die Vielfalt, vom Starrrahmen-Renner aus den 1920er-Jahren, Kneeler-Gespannen oder den 50er-Rennflöhen rauschen Motorräder aus allen GP-Dekaden direkt an den Zuschauern vorbei. Besonders eindrucksvoll, wie sich die Turner – erstaunlich oft auch Turnerinnen – aus dem Seitenwagen hängen, mitunter berühren sie sogar den Asphalt. Was erklärt, warum man hier Menschen mit Schleifpads an Ellenbogen und Gesäß ihrer Lederkombis durchs Fahrerlager laufen sieht. In dieser wunderbaren Mischung aus Campingplatz und Boxengasse kann man alle Maschinen, Stars und Sternchen aus der Nähe betrachten. Oder auch mal mit den prominenten Piloten ein wenig Benzin reden.
Info
Der nächste Schottenring-GP findet am 16./17. August 2014 statt. Besonderer Schwerpunkt: weltmeisterliche Renngespanne. Veranstalter ist der MSC Rund um Schotten e.V. im ADAC. Mehr Infos unter www.schottenring.de