Yamaha RD 350 LC YPVS

1983er Yamaha mit zwei Kilometern auf dem Tacho
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Im Studio: Yamaha RD 350 LC YPVS

© Bilski

Klassiker findet man im Internet, in Anzeigen-Blättern oder Fachzeitschriften. Manchmal aber auch auf ganz ungewöhnlichen Wegen. So wie dieses Prachtexemplar, eine 1983er-Yamaha RD 350 LC, mit zwei Kilometern auf der Uhr.

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Endlich Feierabend! Ein kurzer Blick in die Zeitung, dazu vielleicht noch ein kleines Bierchen und die TV-Nachrichten - jeder hat so sein eigenes Ritual, um nach einem harten Tag den Entspannungsmodus zu aktivieren. Auch bei Kai Haase läuft an diesem Novemberabend der Fernseher. Bis zur Tagesschau dauert es noch, so zappt er eher gelangweilt durchs Programm. Bleibt schließlich bei einem regionalen Beitrag eines Privatsenders hängen. Warum, weiß er heute auch nicht mehr so genau. Nur, dass der Abend dann plötzlich ganz anders verläuft, als geplant.

Schlüsselszene in dem Bericht über einen Aussteiger, der nun, nach über 20 Jahren, die Überreste seines Zweiradgeschäfts verscherbeln will, ist ein simpler Schwenk der Kamera. Statt einer Palette „neuer“ Fahrräder aus den frühen 80er-Jahren und Regalen voller Römer-Helme stehen auf einmal zwei RD 350 YPVS im Scheinwerferlicht - „auch neu“, wie der Resteverwerter in dem Beitrag betont. Jetzt ist Haase, Yamaha-Händler und mit seiner Firma Motocenter seit 1983 in Hannover ein Begriff, hellwach. „Bei dem Anblick hatte ich natürlich sofort Kammerflimmern“, erzählt der 45-Jährige. Statt Entspannung ist jetzt Hochspannung angesagt. Wie hieß der Protagonist in dem Bericht noch mal? Wo stehen die RD? Nach drei Stunden intensiver Recherche hat er endlich Telefonnummer und Adresse. Aber keinen Anschluss - ständig belegt. Na klar, nach Feierabend sitzen eben auch viele Biker vor dem Fernseher...

Doch der Hannoveraner lässt nicht locker. Und hat nach einer knappen halben Stunde den RD-Eigner tatsächlich an der Strippe. Kai Haase lässt sich diese Chance nicht entgehen. Wird sofort konkret, während die anderen Anrufer bislang nur vages Interesse bekundeten. Und erhält tatsächlich den Zuschlag, die Abholung wird für den folgenden Tag vereinbart. Doch am nächsten Morgen scheint das Geschäft zu platzen, das große Interesse an den Yamaha macht Nachverhandlungen erforderlich.

Am Ende stehen die beiden neuen RD 350 von 1983 doch in Haases Transporter. Und eine davon nun im Classic-Studio. In einem Zustand, den es so kaum noch geben dürfte. Denn der Zweitakt-Sportler präsentiert sich nach der langen Standzeit in hervorragender Verfassung. Kratzer, Schrammen, Rost, spröde Kunststoffe, poröse Dichtungen? Nichts dergleichen, die Yamaha macht den Eindruck, als sei sie erst kürzlich vom Band gerollt. Selbst der Aufkleber mit den Sicherheitshinweisen auf der Verkleidungsscheibe ist noch geschmeidig - ein untrügliches Zeichen, dass die RD die Jahrzehnte unter besten Bedingungen überdauert hat. So musste Haase nur die  Flüssigkeiten erneuerm. Und einen neuen vorderen Bremszylinder besorgen, denn der wurde wohl mal als Ersatzteil abgeschraubt.  Nach dem Einbau einer frischen Batterie und der Erstbetankung - die Yamaha war zuvor noch nie gelaufen - erfolgte ein kurzer Funktions-Check. Ergebnis: Alles bestens. So darf sich der glückliche Käufer, der uns seine RD 350 kurzfristig für diese Studio-Session zur Verfügung stellte, im Frühjahr behutsam ans Einfahren der 29 Jahre alten Neumaschine machen. Wir erfreuen uns derweil am makellosen Originalzustand der Yamaha, die sogar noch auf den ersten Pellen steht.

Und daran, dass es noch eine zweite Chance  auf eine neue RD 350 LC gibt. Klar, dass so eine Rarität nicht zum Schleuderpreis zu haben ist. Eine Restaurierung mit einem vergleichbaren Resultat befriedigt zwar das Schrauber-Ego, kommt jedoch kaum günstiger. Kostet zudem viel Zeit und Nerven. Warum also nicht gleich auf eine neue, alte RD steigen - auch damit ist der verdiente Feierabend gerettet.

Technische Daten

© MPS-Fotostudio

Das kickt immer: Meist reichen ein bis zwei lässige Tritte, um die 59 Pferde des kultivierten Zweitakters zum Leben zu erwecken.

Yamaha RD 350 LC YPVS (Typ 31K)
Motor:
Flüssigkeitsgekühlter Zweizylinder-Zweitakt-Reihenmotor, schlitzgesteuert, Membraneinlass- und Power Valve-Auslasssteuerung, Bohrung 64 mm, Hub 54 mm, 347 cm³, 43 kW (59 PS) bei 9200/min, zwei 26er-Mikuni-Vergaser, Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Getrenntschmierung, Kickstarter, Kettenantrieb
Fahrwerk:
Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen, luftunterstützte Telegabel, Ø 35 mm, Zweiarmschwinge mit Zentralfederbein, Federweg 140/100 mm (v/h), Doppelscheibenbremse mit Schwimmsattel vorn, Ø 267 mm, Scheibenbremse hinten, Ø 267 mm, Reifen 90/90 H18 und 110/80 H 18 (v/h), Gewicht 170 kg (vollgetankt), Tankinhalt 20 Liter
Fahrleistungen/Verbrauch:
0-100 km/h: 4,9 sek, Höchstgeschwindigkeit 189 km/h, Testverbrauch 9,1 Liter Super (MOTORRAD 10/1983)
Preis 1983:
5838 Mark
Kontakt:
www.rd350lc.de (deutsches Forum mit vielen Tipps und Links zu Spezialisten), www.rd350lc.net (englischsprachiges Forum mit umfangreichen Detail-Infos und Prospekten)

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