Auf Achse: Klassische Big Bikes
Honda CB 1100 F, Kawasaki Z 1000 J, Suzuki GSX 1100 Katana

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Muss man unbedingt in den Himalaya reisen und einen 8000er erklimmen, um den Gipfel der Gefühle zu erleben? Nein. In den frühen 80er Jahren genügten uns schon die japanischen 1000er oder 1100er. Und die bestieg man beim Motorradhändler um die Ecke.

Honda CB 1100 F, Kawasaki Z 1000 J, Suzuki GSX 1100 Katana
Foto: fact

Er ist ein Phantom. Fast jeder kennt ihn, gesehen hat ihn aber noch niemand. Dabei kann er überall und jederzeit zuschlagen. Das macht ihn so unberechenbar, den gemeinen Defektteufel. Heute hat er Harald am Wickel. Oder besser gesagt: seine Honda CB 1100 F. Erst sorgte eine schlappe Batterie für schweißtreibende Schiebestarts, dann ein abgeknickter Benzinschlauch für eine unfreiwillige Unterbrechung. Und jetzt steht die Honda mit einem akuten Schwächeanfall am Straßenrand. Ein Zylinder hat Schluckauf, röchelt vergeblich nach dem hochoktanigen Lebenselixier - Vergaser dicht, der Klassiker. Im dritten Anlauf hat er es geschafft, der Rächer aller Nachlässigkeiten: Für die Super-Bolle ist Schicht.

Dabei hatte der Tag so gut angefangen. Pünktlich um neun Uhr stehen die Honda, eine Kawasaki Z 1000 J und Suzukis extravagante GSX 1100 Katana im gleißenden Sonnenlicht, bereit zum gemeinsamen Kurventanz über die Schwäbische Alb. Was für ein herrlicher Anblick, selbst wandernde Naturfreunde verharren einen Moment vor Rührung. Und welch herrlicher Ausblick: Ich darf den Heroen meiner Jugend heute tatsächlich die Sporen geben. Es sind die Superstars der frühen 80er Jahre, als in Japan das olympische Motto vom "schneller, höher, weiter" vor allem in großvolumigen, luftgekühlten Vierzylindern zu solch zündfähigen Gemischen verdichtet wurde, dass die Verkaufszahlen bei den Motorrädern geradezu explodierten.

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Diese Power-Bikes waren damals das Nonplusultra, blieben aber - nicht nur - für mich ein unerreichbarer Traum. Genau deswegen haben sie sich jedoch im Gedächtnis vieler Motorrad-Freaks eingebrannt wie der Fliegenschiss in den Kühlrippen. Los gehts. Mit dumpfem Brabbeln erwachen die mächtigen Vierzylinder. Ich laufe drei, vier Mal um jeden der Hubraum-Boliden, kann es kaum erwarten. Und bin insgeheim froh, dass es sich dabei nicht um frühpensionierte Schaustücke aus den Wohnzimmern penibler Sammler handelt. Sondern um Bikes, die noch mitten im Leben stehen.

Klar, fast drei Jahrzehnte und Laufleistungen von 50000 (Suzuki), 71000 (Honda) und 78000 Kilometern (Kawasaki) sind nicht spurlos an ihnen vorübergegangen. Aber erzählt nicht jeder Steinschlag, jeder Kratzer, jeder kleine Umbau erst die Geschichte eines bewegten Lebens? "Mein" Trio steht dazu, präsentiert sich völlig ungeschminkt. Gut so, denn ein paar Narben nehmen ihnen nichts von ihrer noch immer beeindruckenden Ausstrahlung.

Suzuki Katana: Design-Ikone

Suzuki GSX 1100 Katana: Ziemlich sportlich hockt der Pilot mehr in als auf der Suzuki.

Das gilt vor allem für Martins 1100er-Katana. Was war das für ein heißes Eisen! Polarisierte 1981 mit ihrem Design so heftig, dass der Erfolg buchstäblich auf Messers Schneide stand. Liebe oder Hass, dazwischen gab es nichts. Das hat sich längst geändert, heute zählen die Katanas, insbesondere die 1100er, zu den wenigen Design-Ikonen aus Fernost. Martin ist dem Reiz des Außergewöhnlichen schon früh verfallen, vor zehn Jahren hat er sich dann seinen Jugendtraum erfüllt. Seitdem ist er Kataniker mit Haut und Haaren, wie zwei weitere Exemplare in der Garage und das Tattoo auf dem rechten Oberarm beweisen. Bis auf Konis, Stahlflex-Bremsleitungen und eine zeitgenössische Sebring-Vier-in-eins-Auspuffanlage befindet sich Martins 1100er im Originalzustand.

Zur Feier des Tages hat er ihr sogar eine nagelneue Sitzbank aus seinem Ersatzteil-Fundus spendiert. In deren Mulde fühle ich mich zwar gut ins Motorrad integriert, muss mich zu den Alu-Stummeln aber ganz schön strecken. Bequem ist anders, zumal auch der Kniewinkel eng ausfällt, obwohl die Rasten weit hinten an den Soziusauslegern angebracht sind. Es dauert ein paar Kilometer, dann hab ich mich an die sportliche Haltung allerdings gewöhnt. Sie bringt viel Gewicht aufs Vorderrad und gibt dir das Gefühl perfekter Kontrolle.

Erstaunlich, wie flink die Suzuki durch die Kurven des Lautertals swingt. Der schwere Brocken reagiert schon auf leichten Zug am Lenker, geht willig in Schräglage und verkneift sich, zumindest bei Landstraßentempo, jeden Anflug von Nervosität. Kein Wunder, dass das Katana-Fahrwerk einst so gelobt wurde, selbst bei Topspeed auf der Autobahn waren die Tester damals ziemlich begeistert. Beruhigend zu wissen. Heute habe ich es jedoch nicht eilig, bewege mich im gesetzeskonformen Rahmen. Zugegeben, das fällt schwer. Denn der raue Suzuki-Treibsatz reagiert aufs kleinste Zucken der rechten Hand mit heftigem Vorwärtsdrang, selbst im fünften Gang bei Tempo 50. Ein ausgesprochen souveräner Antrieb, wie geschaffen für genussvolles Power-Cruisen.

Dass der Vierventiler auch anders kann, bei Bedarf flott bis in den roten Bereich dreht, interessiert mich gerade nicht. Ich lasse mich treiben, lausche dem kernigen Röhren der Sebring-Anlage und erfreue mich daran, wie stressfrei man mit diesen alten Boliden Spaß haben kann - weil man weder sich noch anderen etwas beweisen muss. Wer das nicht so entspannt sieht, das Kabel immer bis zum Anschlag zieht und den Kick auf der letzten Rille sucht, der darf sich jedoch nicht wundern, wenn er rasch die Grenzen aufgezeigt bekommt. Sei es in Form stumpfer Bremsen, wackelnder Fahrwerke oder früh aufsetzender Bauteile. Doch mal ehrlich: Will man auf so eine schnöde Art tatsächlich seinen Jugendtraum zerstören? Eben.

Kawasaki: Komfort-Sportler

Kawasaki Z 1000 J: Der Zweiventiler der Kawa schlägt sich wacker.

Deshalb ist es mir ziemlich egal, dass die Kawasaki Z 1000 J im direkten Vergleich mit der Katana untenrum spürbar weniger Elan an den Tag legt. Die letzte, 1981 gezündete Evolutionsstufe des klassischen Kawasaki-Vierzylinders basiert halt noch immer auf dem rollengelagerten Z1-Zweiventiler. Und der war damals schon knapp zehn Jahre alt. Für Peter, im Nebenjob Capo des Z-Club Germany und Herbergsvater einer ganzen Flotte von Z-Modellen, dennoch Grund genug zur Sammlungserweiterung. Schließlich ist die Z 1000 J die letzte klassische Einliter-Variante mit Kettenantrieb und Vergasern. Das silberne Schmuckstück hat Peter vor drei Jahren in Holland aufgegabelt.

Stahlflex-Bremsleitungen und Konis waren schon dran, nicht aber der Soziushaltebügel. Der einzige ernsthafte Mangel, denn ohne dieses Gestänge gerät das Aufbocken mit dem Hauptständer zum Kraftakt. Dass Kawasaki die Z 1000 J als besonders sportliche Einliter-Maschine verstand, merke ich eigentlich nur an der spitzen Leistungscharakteristik und den erstaunlich bissig zupackenden Bremsen, außerdem an der fast schon spielerischen Leichtigkeit, mit der sie sich durch Wechselkurven zappt.

Ansonsten sind es eher ihre ausgezeichneten Allroundeigenschaften, mit denen sich die 1000er im Alltag einschmeichelt. So bietet die lange Bank Fahrer wie Sozia viel Platz und eine ausgesprochen bequeme Sitzposition. Dazu gibt es komfortable Federelemente, einen großen Tank und übersichtliche Ins-trumente. Klasse auch die geschmeidige Gasannahme. Wirklich störend sind auf Dauer nur die zu weiche und unterdämpfte Gabel sowie die heftigen Vibrationen des Motors bei mittleren Drehzahlen, welche auch die partielle Gummilagerung nicht behebt.

Love it, or leave it - diese Lebensäußerungen gehören ganz einfach zu dem rauen Gesellen. Wenn wir irgendwann mal nur noch auf Elektro-Bikes durch die Gegend stromern, werden wir uns garantiert danach zurücksehnen.

Honda: stark und zeitlos

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Honda CB 1100 F: DAs zeitlose Design der Honda kennt kein Verfallsdatum.

Im Moment sehne ich mich jedoch nur nach einer funktionierenden Honda. Es ist halt frustrierend, wenn man sich mit einer reifen Dame zu einem flotten (Kurven-)Tänzchen verabredet - und die hat bloß Steh-Blues drauf. Immerhin: Die Super-Bol-d´Or ist noch immer eine attraktive Erscheinung. Ihre harmonisch geschwungenen Linien, die sich vom Tank bis zum Heckbürzel ziehen, verleihen ihr eine zeitlose Eleganz. Nur: Ich habe keine Zeit. Doch es soll noch zwei Tage dauern, bis sich die Honda mit frisch gereinigten Vergasern rehabilitieren kann. Schon beim Aufsitzen zeigt sie, warum sie die Bezeichnung "Super" im Namen trägt: Sie beeindruckt mit perfekter Ergonomie und Bedienung sowie einer gelungenen Sitzposition. Ebenfalls überzeugend: die gut dosierbaren Bremsen. Und endlich auch der wieder gut im Futter stehende Vierzylinder.

Vibrationen? Dank Gummilager kein Thema. Kraft? Immer und überall, wenngleich die Suzuki untenrum vehementer drückt. Sound? Aber hallo! Was der Vier-in-eins von Tuner Roland Eckert entweicht, lässt die Wände wackeln. Gar nicht wackelig benimmt sich dagegen die Bolle, jedenfalls bei gemäßigtem Landstraßengalopp. Trotz softer Gabel hält sie präzise Kurs, wirkt in Wechselkurven freilich sturer als die Kawasaki. Hart gefordert, kann sie ihren Piloten aber ganz schön verschaukeln, das weiß ich von früher. Ob ich es noch einmal probiere? Die Autobahn ist nah. Ich überlege kurz, verwerfe den Plan jedoch gleich wieder. Was soll so ein blöder Stresstest, das Revier dieser Boliden ist die Landstraße. Außerdem hätte ich nach den jüngsten Erfahrungen ein paar Bedenken, die Honda herauszufordern. Was, wenn dabei nicht nur mich der Teufel reitet? Schließlich steckt der bekanntlich im Detail. Selbst wenn er noch nie gesehen wurde.

Honda CB 1100 F

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Harald Axmann und die Honda CB 1100 F.

Die CB 1100 gehört einem Freund. Ich selbst fahre seit 30 Jahren eine 900er Bol d´Or. Deshalb weiß ich, dass diese Modelle sehr zuverlässig sind. Die 1100er hat spürbar mehr Dampf, wirkt sehr souverän. Vom Fahrwerk kann man das nicht ganz behaupten. Das zeitlose Design ist aber klasse.

Kawasaki Z 1000 J

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Peter Krauss und die Kawasaki Z 1000 J.

Mich hat der Z-Virus schon lange gepackt. Normalerweise stehe ich auf die klassischen Varianten. Doch die J ist die letzte und technisch beste 1000er der Baureihe. Deshalb gehört sie einfach in meine Sammlung. Für wenig Geld bietet sie beste Allround-Eigenschaften und Zuverlässigkeit.

Suzuki GSX 1100 Katana

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Martin Wessels und die Suzuki GSX 1100 Katana.

Die große Katana war mein Jugendtraum. Das Design ist einfach der Hammer, ebenso der bärenstarke Motor. Für ihr Alter lässt sie sich außerdem noch ganz schön flott bewegen. Mir gefällt natürlich auch, dass sie im Originalzustand heute so rar ist. Meine 1100er-Katana gebe ich nicht mehr her.

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Erscheinungsdatum 05.05.2023