Bei Jörg Thoma drehte sich schon immer alles um Bewegungsapparate. Beruflich kümmerte sich der Orthopäde um jene der Zweibeiner, in der Freizeit um solche auf zwei Rädern. So kam der Liebhaber britischer Bikes auch nicht an einer Matchless G12 CSR vorbei, als er diese 1998 bei einer seiner vielen England-Visiten zufällig entdeckte. „Das war noch zu einer Zeit, als ich solch ein Motorrad nicht stehen lassen konnte, obwohl ich gar nicht auf diesen Typ aus war.“ Thoma, der sich damals intensiv mit den Bikes von der Insel beschäftigte und „alle kannte und viele besaß, die nach dem Krieg gebaut wurden“, wusste daher, dass echte CSR selten sind, selbst in England. Zwar hatte die Maschine im Zustand 3-4 reichlich Patina angesetzt, aber die originale und vor allem komplette Substanz machten sie zum idealen Restaurierungsobjekt.
Rasch erfolgte der Handschlag. Zu etwas ganz Besonderem geriet der Deal jedoch erst danach. Denn der Verkäufer, so etwas wie die graue Eminenz des britischen Matchless Owners Clubs, hatte tatsächlich noch einen unbenutzten Werks-Race-Kit eines Clubmitglieds auf Lager, bestehend aus Doppelvergasern, scharfer Nockenwelle, höher verdichtenden Kolben und Smiths Chronometric-Drehzahlmesser. Ein bis heute unvergesslicher Glücksfall für Thoma. Dieser Tuning-Kit hat für Matchless-Fans nämlich einen ähnlichen Stellenwert wie die Blaue Mauritius bei Philatelisten. Mit der Empfehlung, einen Auspuff mit zwei Schalldämpfern statt der serienmäßigen 2-in-1-Anlage zu montieren, trat Thoma glücklich und euphorisch die Rückreise an.
Zweimaliger Manx-TT-Teilnehmer
Im heimischen Remstal machte er sich umgehend an die Arbeit. Obwohl die Maschine ordentlich lief, zerlegte sie der Freizeitschrauber erst einmal in sämtliche Einzelteile. „Ich setze mich auf kein Motorrad mehr, das ich vorher nicht komplett zerlegt und restauriert habe“, bekräftigt der Perfektionist. Einmal befolgte der zweimalige Manx-TT-Teilnehmer diesen Grundsatz nicht mit letzter Konsequenz. Und wurde prompt bestraft, als einst sein kurz zuvor erworbener AJS Boyracer bei einem Oldtimer-Lauf auf dem Nürburgring mit Motorschaden kollabierte.
Die Bestandsaufnahme der G12-Einzelteile erbrachte jedoch keine unliebsamen Überraschungen, weshalb die Restaurierung in technischer Hinsicht reine Routine war: Alle Teile gründlich säubern, neue Lager und Dichtungen einbauen sowie den Racing-Kit montieren. Auf die höher verdichtenden Kolben verzichtete der Rennsportfan zugunsten der Standfestigkeit, den empfohlenen 2-in-2-Auspuff hat er seiner scharfen CSR jedoch spendiert.
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Eine englische Rarität: Matchless G12 CSR mit Werks-Race-Kit.
Perfekt restauriert stellte Thoma die Matchless dann - ohne einen Kilometer gefahren zu sein - neben die anderen 14 Briten-Bikes seiner Sammlung. Irgendwann, kurz nach der Jahrtausendwende, schwenkte Thoma auf vier Räder um - mit der ihm eigenen Konsequenz: Nach und nach wurden alle Motorräder verkauft. Auch die Matchless. Der Käufer der G12 CSR zeigte der roten Lady sogar ein wenig von Europa, rund 5000 Kilometer ritten die beiden zu diversen Treffen, während sich Thoma voll und ganz dem Aufbau diverser Renn- und Sportwagen widmete. Doch dann, 2007, stand der Käufer seiner G12 wieder auf der Matte. Mit Kisten voller Teilen, aus denen der Motorradabstinenzler zwei weitere CSR-Motoren aufbauen sollte. Dabei kamen die Erinnerungen an seinen Glückskauf von 1998 wieder hoch. Und Sehnsüchte, die mangels Angebot jedoch nicht gestillt werden konnten.
Nach dem Beinahe-Fehlkauf einer getürkten CSR in England erzählte Thoma vor eineinhalb Jahren dem Erwerber seiner G12 CSR von diesem Reinfall. Der bot ihm daraufhin den Rückkauf an, allerdings mit Motorschaden. Thoma zögerte keine Sekunde: „Ich musste ja nur den Motor überholen, der Rest war noch immer top.“ Doch die Geschichte hat für den 70-Jährigen leider kein Happy End. Weil der eigene Bewegungsapparat mittlerweile größere Probleme macht als es seine CSR je könnte. Mehrere versteifte Halswirbel lassen einfach keinen unbeschwerten Motorradgenuss mehr zu.
Technische Daten
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Im Studio die Matchless G12 CSR.
Matchless G12 CSR (1963)
Motor:
Zweizylinder-Viertakt-Motor, 360 Grad Zündversatz, zwei Ventile pro Zylinder, Bohrung 72 mm, Hub 79,3 mm, 646 cm³, Verdichtung 8,5:1, 39 PS bei 6200/min (mit Race-Kit bis zu 48 PS bei 6600/min), ein Amal Monobloc-Vergaser, Ø 28,6 mm (Race-Kit: Doppelvergaser), Ölbadkupplung, Vierganggetriebe, Kettenantrieb
Fahrwerk:
Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen, hydraulisch gedämpfte Telegabel vorn, Zweiarmschwinge mit dreifach verstellbaren Federbeinen hinten, Alu-Vollnaben-Trommelbremsen vorn und hinten, Ø 180 mm, Reifen vorn 3.25-19, hinten 3.50-19, Gewicht vollgetankt 185 kg
Kontakt:
www.jampot-germany.de