Kultiger geht es kaum, denn der Mann, nach dem dieses Motorrad benannt wurde, ist selbst ein Mythos. Das lag vor allem an seinem spektakulären Comeback von 1978: Auf einer getunten Ducati 900 SS gewann Mike Hailwood die Tourist Trophy. Der neunmalige Weltmeister war inzwischen 38 und eigentlich längst vom Rennsport zurückgetreten; dass er nun auf einem vermeintlich unterlegenen Motorrad seinen ewigen Rivalen Phil Read schlug, ließ ihn endgültig zur Legende werden – und sein Motorrad gleich mit dazu.
Für Ducati war der Sieg auf der Isle of Man ein Geschenk des Himmels. Die kriselnde Marke stand unter staatlicher Verwaltung und hatte sich aus dem Rennsport zurückgezogen; nur heimlich konnten Ingenieure und Techniker den Aufbau von Hailwoods Maschine mit Werksmaterial unterstützen.
Den überraschenden Erfolg wollten die staatlichen Verwalter aber nutzen und legten die MHR 900 auf, im Grunde eine leicht veränderte 900 SS mit der Verkleidung und den Farben der Rennmaschine. Vorsichtige 300 Stück baute Ducati 1979, zunächst rein für den englischen Markt. Der frühe Tod Hailwoods bei einem Verkehrsunfall im Frühjahr 1981 steigerte die Nachfrage weltweit. Die Ducati MHR blieb in Produktion und erfuhr Veränderungen, allerdings nicht immer zu ihrem Vorteil. So kam 1983 zwar ein überarbeiteter Motor mit Elektro- statt Kickstarter und Trocken- statt Ölbadkupplung, gleichzeitig aber wurde der Rahmen der SS durch den der S2 ersetzt. Aufgrund der veränderten Geometrie verlor die Ducati MHR viel von ihrer Stabilität – ungünstig für eine über 200 km/h schnelle Rennreplica.
Doch bei Ducati herrschte Konfusion, das Werk stand vor dem Verkauf. Chefingenieur Fabio Taglioni, Entwickler von Desmodromik und Königswelle, arbeitete fieberhaft an vielen Projekten gleichzeitig, um der Marke einen Neustart zu ermöglichen. Mangels Budget blieb ihm bei der Ducati MHR keine andere Wahl, als sie aus vorhandenen Teilen anderer Modelle zusammenzusetzen. Für die letzte Version, die ab 1984 angeboten wurde, durfte er immerhin den Motor überarbeiten. Mit mehr Bohrung und Hub brachte er ihn auf 1000 cm³, verwendete größere Ventile und eine kürzere Übersetzung. Das Fahrwerk jedoch blieb gleich.
1986 erst wurde Ducati schließlich verkauft. Die neuen Eigner, die Brüder Castiglioni, setzten auf moderne Motorräder wie die Pantah 750 F1. Die MHR und damit die Königswelle gingen in Rente – fast gleichzeitig mit ihrem Schöpfer Fabio Taglioni.
Daten & Fakten

Daten:
MHR 900 (1000): Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-V-Motor, 864 cm³ (973 cm³), 80 PS bei 7750/min (83 PS bei 7500/min), 83,7 Nm bei 5250/min (84,3 Nm bei 5500/min), Fünfganggetriebe, Kickstarter (E-Starter*), Ölbadkupplung (Trockenkupplung*), Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr, Trockengewicht 205 kg (212,5 kg), Reifen 100/90 V18, 110/90 V18, Tankinhalt 18 (25) Liter, Doppelscheibenbremse vorn, Scheibenbremse hinten
Literatur:
Infos zur MHR finden sich in den Büchern des Australiers Ian Falloon: „Die Ducati Story“, Motorbuchverlag, 190 Seiten, 29,90 Euro, und „The Essential Buyers Guide: Ducati Bevel Twins“, Englisch, Veloce Pub-Verlag, 64 Seiten, 15,70 Euro
Spezialisten:
Ersatzteile aus Italien unter www.oldracingspareparts.com, aus England unter www.laceyducati.com, aus Deutschland unter www.stein-dinse.biz, www.kaemna.de, www.desmo-ducati.de oder www.unmuessig-moto-italia.de
Marktsituation:
Exakt 7179 Stück der MHR 900/1000 wurden zwischen 1979 und 1986 gebaut, besonders viele gingen nach England, nur relativ wenige blieben in Italien. Gut erhaltene Modelle erzielen derzeit Preise zwischen 10 000 und 15 000 Euro
Szene:
Interessengemeinschaft Königswelle, www.duc900ss-kw.ch; Forum auf Diva-di-Bologna.de