Für Richard Fluttert war es Liebe auf den ersten Blick. „Als ich 1979 zum ersten Mal eine Kawasaki Z 1300 sah, wusste ich, dass ich mir so eine -Maschine kaufen werde, sobald ich das Geld dafür haben sollte“, erzählt der Niederländer. Das ging schneller als gedacht, denn der heute 51-jährige Fahrschul-Inhaber hatte tatsächlich schon 1982 genügend holländische Gulden für seine erste Z 1300 zusammengespart. Obwohl die -Kawasaki im Serientrimm mit 120 PS alles andere als untermotorisiert war, wollte Fluttert mehr. Und baute einen Turbolader an seine damalige Maschine. „Ich mochte schon immer die Extreme“, lacht er. „Und ein Turbo an der wassergekühlten Sechszylinder ist schon ziemlich spektakulär.“
Ohne Probleme verlief der erste Umbau jedoch nicht. „Am Anfang war es schwer, eine vernünftige Abstimmung zu finden“, erinnert sich Fluttert. „Der mit Vergasern bestückte Sechszylinder röchelte und stotterte mehr als dass er voran schob. Den Durchbruch brachte eine geänderte Zündanlage, nur drehte dann auf holprigen Straßen ständig das Hinterrad durch. Erst dachte ich, das läge an den vielen Zusatz-PS. Bald wurde mir aber klar, dass das Fahrwerk und vor allem die -Federelemente von der Mehrleistung völlig überfordert waren.“
Doch Fluttert ließ sich nicht beirren, tüftelte, probierte und baute auch für andere Turbo-Fans Maschinen auf. Mit den Jahren erarbeitete er sich einen guten Ruf als Turbo-Experte. Zwischen 1993 und 2004 machte er jedoch lieber auf den Rennstrecken Druck. Mit Erfolg, 2002 gewann er die niederländische Superstock-Meisterschaft. Nach dem Ende seiner -aktiven Rennfahrer-Karriere widmete er sich dann wieder seiner Jugendliebe, der Sechszylinder-Kawa. Derzeit besitzt Fluttert zwei aus Deutschland importierte Z 1300, eine Maschine mit Einspritzung, die andere mit Vergasern. Beide Sixpacks werden - natürlich - von Turboladern unter Druck gesetzt. Das jüngere Exemplar mit Einspritzung lässt sich einfacher fahren, weiß Fluttert, und auch die Abstimmung klappte schneller als bei unserem Fotomodell, einer Vergaser-Version von 1983. Bei dieser ersetzte der Turbo-Fan den originalen Tank durch einen 21-Liter-Behälter der US-Version und veredelte die 1300er mit einer weißen Lackierung. „Mir gefällt sie so besser, außerdem wollte ich nicht zwei nahezu gleiche Motorräder in meiner Garage stehen haben.“
Für den aufwendigen Turbo-Umbau mussten zunächst die drei 32er-Mikuni-Doppelvergaser weichen, um dem Lader Platz zu machen, der bei der Vergaser-Variante direkt unterm Tank platziert ist. Die Gemischaufbereitung übernimmt jetzt ein einzelner 42er-Mikuni-Vergaser. Versuche mit einem 48er-Pendant brachten nichts, weil damit die Leistung so schlagartig einsetzte, dass die Kawa unfahrbar wurde.
Der Turbo drückt mit 0,5 bar. Das bringt rund 45 bis 50 Prozent Mehrleistung.

Bei diesem Turbo-Kit ist der Vergaser direkt am Gehäuse des Laders montiert („Draw-through-System“ von Mr. Turbo). Die rotierenden Laderschaufeln pressen das Benzin-Luftgemisch mit bis zu 0,5 bar Druck in die Brennräume. Damit lässt sich die Kawasaki auch bei niedrigen Drehzahlen vernünftig fahren. Es dauerte jedoch lange, bis Fluttert diese Abstimmung gefunden hatte. „Mit dem Vergaser ist so ein Turbo-Umbau ganz schön kompliziert. Und das, obwohl ich von Mr. Turbo aus Amerika alle notwendigen Daten bekommen hatte. Doch diese funktionierten bei meiner Maschine nicht. Also musste ich selbst experimentieren.“ Der verbaute amerikanische Rajay B40 gehört zu den kleineren Turboladern, war aber für den Umbau am besten geeignet. Weil er sich für den Anbau um 360 Grad drehen lässt und früh anspricht, was der Fahrbarkeit bei niedrigen Touren entgegenkommt.
Zumindest in der Theorie. In der Praxis verliefen die ersten Testfahrten jedoch ernüchternd. Bei Volllast lief die Kawa perfekt, im Teillastbereich stotterte sie jedoch wegen zu geringen Benzindrucks. „Ich habe dann einiges ausprobiert, Schwimmerstand und Benzindruck erhöht und schließlich zwei Druckregler montiert, die den Benzindruck auf 0,5 bar begrenzen. Bei höheren Drücken droht ein Überlaufen der Schwimmerkammer und damit die Gefahr eines Brandes.”
Der Turbo drückt mit 0,5 bar. Das bringt rund 45 bis 50 Prozent Mehrleistung. „Vielleicht wäre auch ein Ladedruck von 0,7 bar machbar, was rund 210 PS bringen würde. Aber ich möchte keine Probleme. Deshalb habe ich vorsorglich eine Wasser-Einspritzung eingebaut. Ab 0,3 bar senkt ein kühlender Wasser-Nebel die Temperatur in den Brennräumen. Die damit möglichen 180 PS reichen mir.”
Zum Umbau gehören ebenfalls eine zusätzliche Ölpumpe, die Öl vom Turbo in den Motor zurückführt, geschmiedete Kolben von JE Pistons und eine stärkere Kopfdichtung, welche die Verdichtung reduziert. Die Auspuffanlage mit dem spektakulären Endrohr hat der Turbo-Liebhaber aus Original- und Zubehörteilen selbst gebaut. Zum Schluss wurde die Zündung angepasst. „Dabei musste ich einen Kompromiss eingehen. Im unteren Bereich spricht der Sechszylinder gut an, schwächelt bei 4000 Touren allerdings ein wenig, um danach umso druckvoller bis zum roten Bereich bei 8000 Touren zu drehen.“





„Ich will nur mal spüren, wie sich 300 PS anfühlen.“

Die Höchstgeschwindigkeit ist Fluttert, der nur 15 Kilometer von der deutschen Grenze und den unbegrenzten -Autobahnen entfernt wohnt, jedoch egal: „Die Kawa gibt mir einen anderen Kick, als es Topspeed je könnte.“
Seinem 297-Kilo-Koloss hat er vorn straffere Gabelfedern spendiert, hinten halten Öhlins-Federbeine die Fuhre halbwegs im Zaum. „Die Maschine fährt sich relativ gut. Für extreme Schräglagen ist die Kawa ohnehin nicht gebaut. Und manchmal macht mir die Wackelei sogar richtig Spaß.“ Mehr jedenfalls als eine Honda CBX, ergänzt Fluttert: „Vor der Z 1300 besaß ich kurz eine CBX 1000. Deren labiles Fahrwerk und der rasselnde Motor ärgerten mich gewaltig. Nach einem Monat habe ich die Honda wieder verkauft.“
Den Traum von der Z 1300 hat sich Richard Fluttert erfüllt. Die beiden Turbo-Bikes wird er nie wieder hergeben. Doch er träumt schon wieder. Von einer Kawa-saki ZZR 1400 Turbo. „Ich will nur mal spüren, wie sich 300 PS anfühlen.“





Technische Daten

Motor:
Wassergekühlter Sechszylinder-Viertakt-Reihenmotor mit Rajay B40 Turbo, zwei obenliegende Nockenwellen, zwei Ventile pro Zylinder, Bohrung x Hub 62 x 71 mm, Hubraum 1286 cm³, Verdichtung unbekannt, bis zu 180 PS bei 8000/min, Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Kardanantrieb
Fahrwerk:
Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr, Telegabel vorn, Zweiarmschwinge mit zwei Öhlins-Federbeinen hinten, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 300 mm, Reifen 110/90/18 vorn und 130/90/17 hinten
Maße und Gewicht:
Radstand 1580 mm, Tankinhalt 21 Liter, Leergewicht (Standard-Maschine) 297 kg
Höchstgeschwindigkeit:
nicht ermittelt, da ohne Bedeutung