Der Traum vieler Männer? Neun Kegelräder, je eine Königs- und Nockenwelle sowie desmodromisch gesteuerte Ventile. Der Albtraum aller Hersteller? Neun Kegelräder, je eine… Als „Ingegnere“ Fabio Taglioni in den 1970ern eine Mittelklasse-Ducati ersinnen sollte, musste er Aufwand und Kosten sparen. Es reichte, dass die ruhmreichen großen V2 der Bolgneser kein Geld einfuhren. Zu kompliziert in der Herstellung, sehr kompliziert auch in der Wartung. Zunächst zwang ihn die Firmenleitung sogar, nüchterne 350er- und 500er-Paralleltwins zu konstruieren, aber der Dottore sollte recht behalten: Die Kunden verlangten von Ducati einen quer verbauten 90-Grad-V-Twin.
Auf ein Neues also: Taglioni ersetzte die lautmahlenden Königswellen durch zwei von einer Zwischenwelle angetriebene Zahnriemen. Das war so ähnlich wie Gotteslästerung vom lieben Gott persönlich, folgte aber technischer Logik, denn bis hinein in den Rennsport hatten die Gummibänder längst ihre Haltbarkeit bewiesen. Bleiben durfte dagegen die Desmodromik, bei der das Schließen der Ventile von über die Nockenwellen gesteuerten Hebeln und nicht von Federn übernommen wird.
Königswelle? Braucht keiner mehr
Vorteil: Bei hohen Drehzahlen können die Massenkräfte der Ventile nicht dazu führen, dass diese vom Nocken abheben und flattern. Dank Desmodromik also atmet Taglionis Kleiner durch richtig große Ventile, stramme 36-mm-Dell’Orto-Vergaser mit Beschleunigerpumpe bereiten sein Gemisch auf. Und wenn er offene Ansaugtrichter und laute Conti-Tüten tragen darf, dann reicht er locker über 50 PS ans Fünfganggetriebe weiter. Nicht schlecht, damals, und auch der Rest vom Pantah genannten Fest wirkte appetitanregend. Der Kurzhuber hängt nämlich – vom großzügig bemessenen Tank und der charakteristischen Halbschale etwas verdeckt – als mittragendes Element im ersten Serien-Gitterrohrrahmen des Hauses. Die Schwinge lagert im Triebwerksgehäuse. Trotzdem geriet der Radstand mit 1450 Millimetern eher lang, und so zählt denn auch Stabilität zu den großen Tugenden dieses Fahrwerks. In engen Wechselkurven verlangt die Pantah dagegen Nachdruck, und auch die damals grandiose Dreischeiben-Bremsanlage von Brembo benötigt etwas Krafteinsatz.
Im Zentrum des Erlebens steht freilich der Motor: Ab 3000/min liefert der vibrationsarme V2 nennenswerte Leistung, knapp unter 5000 schaltet er, fröhlich lautmalend, in den Sportmodus, ballert energisch auf die Nenndrehzahl zu und auch locker darüber hinaus. Kein Wunder, dass Pantahs gleich reihenweise in den um 1980 überall aufkommenden Viertakt-Sportklassen antraten.
Im normalen Leben jedoch führte Ducatis Mittelklässler, den es hauptsächlich für Italien auch als 350er gab, ein Schattendasein. Japaner waren praktischer, billiger und genauso kräftig. 1982 wurde auf 600, später gar auf 650 cm³ vergrößert – vergebens. Nein, ihre größten Verdienste sammelte Taglionis letzte große Konstruktion nicht am Kundentresen, sondern in der Ducati-Entwicklungsabteilung: Bis in jüngere Zeit griffen die Nachfolger des 2001 verstorbenen Technikers gern auf das solide und im Hubraum ausbaufähige Triebwerk zurück, es bewegte Tourer und Cruiser, bei Cagiva gar Enduros, und noch heute bekunden die luftgekühlten Monster enge verwandtschaftliche Beziehungen. Sogar die wassergekühlten Ducati-Aggregate können ihre Pantah-Gene nicht verleugnen, und der Gitterrohrrahmen zieht sich fast durchs ganze aufregende Programm. Königswelle? Braucht keiner mehr.
Technische Daten
Daten: luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, 499 cm³, 34 kW (46 PS) bei 8500/min, 40 Nm bei 6300/min, Fünfganggetriebe, Gitterrohrrahmen aus Stahlrohr, Gewicht vollgetankt 202 kg, Reifen vorn 3.25 x 18, hinten 3.50 x 18, Tankinhalt 18 Liter, Höchstgeschwindigkeit liegend 185 km/h, 0–100 km/h in 5,7 sek.
Spezialisten: Mit den Eigenarten der Pantah kennt sich nicht mehr jeder Ducati-Händler aus, Spezialisten jedoch verbessern mit einigen Tricks ihre Alltagstauglichkeit erheblich. Bessere Pickups für die elektronische Zündung, stählerne Laufrollen für die Zahnriemen und manches mehr. Gute Adressen sind Nics Garage in Mutterstadt, www.nics-garage.info, oder Italomotos in Dorsten, www.italomotos.de
Szene: Allein schon weil 1985 die gierige 750 F1 aus der Pantah hervorgegangen ist, zählt diese auch unter harten Fans
zur engeren Ducati-Familie. Ihr historisches Verdienst ist unumstritten – und deshalb steigen auch die Preise. Passable Exemplare fangen mit Glück um 3500 Euro an, bei insgesamt nur gut 7000 gebauten Einheiten (ohne 350er) dürfte die Tendenz stark steigend sein.
Internet: Die sehr rührige Szene schart sich um die Pantah-Interessengemeinschaft (www.pantah-ig.de), sehr engagiert ist auch Rudi Wasner mit seiner informativen Website www.pantah.eu