Bitterböse Leserbriefe, Leitartikel unter dem Motto „Saat der Gewalt“, Expertenrunden zum Thema „Freiwillige Selbstbeschränkung“ – der Sechszylinder-Dino Kawasaki Z 1300 bewegte die Gemüter. Und kam wohl etwas zu spät.
Bitterböse Leserbriefe, Leitartikel unter dem Motto „Saat der Gewalt“, Expertenrunden zum Thema „Freiwillige Selbstbeschränkung“ – der Sechszylinder-Dino Kawasaki Z 1300 bewegte die Gemüter. Und kam wohl etwas zu spät.
Eigentlich hatte Kawasaki alles richtig gemacht: Die Entwicklung des ersten und einzigen Sechszylinder-Motorrads der Firmengeschichte begann zu einer Zeit, als berufsbetroffene Oberlehrer und miesepetrige Volksbedenkenträger noch nicht das Zepter der Meinungshoheit übernommen hatten. Vor rund 40 Jahren durften, ja mussten Motorräder immer größer, stärker und wohl auch schwerer werden, um (zumindest marketingtechnisch) erfolgreich zu sein. Mit sechs Zylindern und 1200 Kubik, deutlich über 100 PS und einer eher sportlichen Ausrichtung wäre die Kawasaki Z 1300 also richtig weit vorn gewesen. Hätte, wäre, wenn – alles Makulatur, es kam alles ganz anders.
Die Sache mit dem Hubraum passte plötzlich nicht mehr, denn das hubraumstärkste Serienmotorrad stellte ausgerechnet Harley-Davidson mit dem 1340er-Shovelhead-Twin auf zwei Räder. Die sportliche Ausrichtung war ebenfalls keine gute Idee mehr, denn mit der Honda CBX gab es bereits vergleichbare Ware. Über 100 PS? Bitte nur außerhalb Deutschlands, denn nach der Premiere der 120 PS starken Kawasaki Z 1300 auf der Kölner IFMA 1978 kam es zu einer unheiligen Allianz aus Vertretern des Verkehrsministeriums, des TÜVs und der Industrie. Die Abrüstungskonferenz führte dann zur „Freiwilligen Selbstbeschränkung der Hersteller und Importeure“. Fortan waren in Deutschland 100 PS das Maß der offiziellen Leistungsdinge. Und Kawasaki war mit der Z 1300 einfach etwas zu spät dran.
So hatten besagte 100 PS mit 330 Kilogramm Kampfgewicht plus Fahrer zu tun, was zwar für nette, aber eben nicht überragende Fahrleistungen sorgte. Die Kawasaki Z 1300 war ein imposanter und überaus komfortabler Kardan-Tourer, ein Ehrfurcht gebietender Technologieträger war sie nicht wirklich. Zum ambitionierten Neupreis (1979: 12.250 Mark, 1989: 16.500 Mark) gesellten sich hoher Benzin- und anfangs auch Öl-Verbrauch, eine recht eingeschränkte Schräglagenfreiheit und eher begrenzte Dynamiktalente. Was Z 1300-Fans nicht wirklich störte, denn das einmalige Motorgeräusch, das turbinengleiche, nahezu vibrationsfreie Hochdrehen und die für Menschen über 1,90 Meter perfekte Sitzposition waren und sind immer noch die Sechs-Sünde wert.
Abgesehen von den nicht offiziell nach Deutschland importierten voll verschalten Schlachtschiffen der Touring- und Voyager-Baureihe haben es Z 1300-Fans mit zwei Varianten zu tun: mit der offen 120 PS starken Vergaserversion und dem ab 1984 verkauften und offen 130 PS leistenden Einspritzmodell namens Kawasaki Z 1300 DFI. Für Menschen, die einfach nur fahren wollen, ist die DFI die deutlich empfehlenswertere Alternative. Allerdings konnte Kawasaki davon in Deutschland innerhalb von fünf Jahren gerade mal 370 Stück absetzen. Hinzu gesellten sich 1989 im Rahmen eines großen Kehraus 200 Sondermodelle mit dem klangvollen Namen Legendary Six. Den Kult-Charakter wussten damals aber nur wenige zu schätzen, der äußerst zähe Abverkauf zog sich zum Teil bis in die 90er-Jahre hin. Vielleicht ist heute die Zeit wieder reif für eine (gebrauchte) Z 1300 – so als fetter Gegenentwurf zum ganzen Downsizing- und Öko-Hype.
Daten: Wassergekühlter Sechs- zylinder-Viertakt-Reihenmotor, 1286 cm³, 74 kW (100 PS) bei 7750/min, 106 Nm bei 6000/min, Fünfganggetriebe, Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr, Gewicht vollgetankt 330 kg, Reifen vorn 100/90 V 18, hinten 130/90 V 17, Tankinhalt 27 Liter, Höchstgeschwindigkeit 217 km/h, 0–100 km/h in 4,9 sek.
Literatur: „Motorräder, die Geschichte machten: Sechszylinder“ von Jan Leek, Motorbuch Verlag (1993), nur noch antiquarisch erhältlich, um 45 Euro; Mehr MOTORRAD-Geschichten zur Kawasaki Z 1300 unter www.motorradonline.de/z1300
Spezialisten: Popko Motorradsport in Braunschweig (Kawasaki-Vertragshändler, Chef Hans „Pauli“ Lier ist „Z 1300-Flüsterer“), www.popko.de; Motorradcenter Göckeler/MCG (sehr umfangreicher Internet-Teileshop), www.z1300.de
Marktsituation: Ein Verkaufsrenner war die Z 1300 nie, um die 550 Stück dürften derzeit in Deutschland noch zugelassen sein. Das Gebrauchtangebot ist entsprechend bescheiden, doch für 5500 bis 7500 Euro sind durchaus gut abgehangene Exemplare – meist aus den ersten Baujahren – zu bekommen.
Club/IG/Internet: www.z1300.net (die rührige IG-Z 1300 existiert seit 1994).