Gemessen daran, dass Suzuki erst unter massivem Druck Viertakter auflegte, muss das Erstlingswerk, die Suzuki GS 750 von 1976, als erstaunlich reife Leistung betrachtet werden.
Gemessen daran, dass Suzuki erst unter massivem Druck Viertakter auflegte, muss das Erstlingswerk, die Suzuki GS 750 von 1976, als erstaunlich reife Leistung betrachtet werden.
Der Motorradboom in den 60er-Jahren begann nicht überall in den USA, sondern ganz speziell in Kalifornien. Die Wirtschaft zwischen San Diego und Sacramento zählte – nur für sich genommen – zu den fünf größten der Welt, eine Unmenge wohlhabender Beachboys stellte sich neben das Surfbrett auch ein dickes Motorrad in die Garage. Doch weil der Sonnenstaat den Smog über Los Angeles lichten wollte, drohte er in den 70er-Jahren mit den damals strengsten Abgasgesetzen der Welt. Was bedeutete, dass neben besagtem Brett nur noch Viertakter Platz finden würden.
Honda hatte damit nie Probleme, Kawasaki längst reagiert, sogar der Zweitakt-Gigant Yamaha steuerte mit den neuen XS-Modellen auf Kurs. Nur Suzuki blieb stur: Der drittgrößte Hersteller verkaufte frohgemut seine bewährten und kultivierten Zweitakter und krönte das Programm mit einem bleischweren Wankelkrad, der glücklosen RE 5. Erst als Kalifornien Ernst machte, erinnerte man sich in Hamamatsu eigener Grundlagenforschung und holte mehrere Jahre alte Konzepte für eine Viertaktfamilie hervor, die mit Zwei- und Vierzylindern von der Mittel- bis zur Oberklasse reichen sollte.
Zwar ging der Trend längst zum vollen Liter Hubraum, doch in der gebotenen Eile konnte Suzuki nicht mehr umstricken: 1975 stand ein 750er-Prototyp, im folgenden Frühjahr wurde die Vorserie im Odenwald an den hohen Zielen der Entwickler gemessen. Wochenlang, unter Einbeziehung des deutschen Importeurs Fritz Röth. Und das war gut so, denn die im Herbst präsentierte GS 750 begeisterte auf Anhieb.
Ihr luftgekühlter Vierzylinder verleugnet nicht, gedanklich aus derselben Zeit wie Kawasakis Z1 zu stammen. Er trägt also zwei obenliegende Nockenwellen, die über Tassenstößel je zwei Ventile pro Zylinder betätigen. Modern wäre gewesen, seine Kurbelwelle vibrationsmindernd in Gleitlagern rotieren zu lassen, die GS jedoch setzt wie die Z1 auf Wälzlager – und kribbelt. Außerdem protzt der ausgewiesene Kurzhuber nicht gerade mit Drehmoment, erst oberhalb von 6000 Touren geht was ab. Und zwar richtig: Bis dahin hatte MOTORRAD keine besser beschleunigende 750er gemessen.
Und bis dahin hatte MOTORRAD auch noch keine so gut verarbeitete Suzuki erlebt – und nur sehr, sehr wenige japanische Fahrwerke, die selbst auf schlechtem Belag derart stabil Kurven aller Radien durcheilen.
Allein schon die nadelgelagerte Schwinge lässt vermuten, dass Suzuki die Fehler der anderen nicht wiederholen wollte. Deshalb erhielt die GS 750 noch nach ihrer Präsentation auf der IFMA 1976 eine zweite Scheibe im Vorderrad und so insgesamt eine ordentliche Bremsanlage. Gemütliche Sitzplätze und eine der ersten serienmäßigen O-Ring-Ketten erhöhten die Reisequalitäten, die große Schräglagenfreiheit beförderte den Sportsgeist – so vielseitig mussten 750er vor knapp 40 Jahren sein, um wirklich zu gefallen.
Heute betört die Suzi, weil sie äußerlich ganz und gar Kind ihrer Zeit ist. Damals legte sie mit schlichter Eleganz und solider Machart den Grundstein einer Erfolgsgeschichte, an der die technisch eng verwandte GS 400 mit Twin und bald darauf Fours von 500 bis 1100 cm³ mitschrieben. Kalifornien sei Dank.
Marktsituation: Die GS 750 war nur von 1976 bis 1980 im Angebot und trug lediglich im Premierenjahr Drahtspeichenräder. Schöne und komplette Exemplare sind mittlerweile rar. Wer ein Restaurierungsobjekt auftreibt, muss wissen, dass viele Teile heute nur noch schwer zu bekommen sind. Also sollte das Schnäppchen möglichst komplett sein und in passablem Zustand trotzdem nicht mehr als 2000 Euro kosten.
Club/IG/Internet: www.gs-classic.de; www.suzuki-gs.de
Daten: Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, 748 cm³, 46,4 kW (63 PS) bei 8800/min, 52 Nm bei 8100/min, Fünfganggetriebe, Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr, Gewicht vollgetankt 253 kg, Reifen vorn 3.25 H 19, hinten 4.00 H 18, Tankinhalt 18 Liter, Höchstgeschwindigkeit 197 km/h, 0–100 km/h in 4,5 sek.
Literatur: Angemessenen Raum findet die GS-Reihe in „Suzuki-Motorräder seit 1952“ von J. Gaßebner und J. Kuch, Motorbuch Verlag, nur noch antiquarisch zu bekommen.
Spezialisten: Alte Nippon-Fours sind bei Bikeside in Durmersheim bestens aufgehoben: www.bikeside.de, Telefon: 0 72 45/10 88 23. Ein Herz für alte Suzis hat ebenfalls der langjährige Händler Zweirad Beinert in Gütersloh, www.beinert-online.de, Telefon: 0 52 41/9 23 60.