Ein Verkaufsrenner wurde die Honda MVX 250 F nicht, aber enorm Spaß macht der Flitzer mit dem V3-Viertelliter-Motor dennoch. MOTORRAD Classic ist sie gefahren.
Ein Verkaufsrenner wurde die Honda MVX 250 F nicht, aber enorm Spaß macht der Flitzer mit dem V3-Viertelliter-Motor dennoch. MOTORRAD Classic ist sie gefahren.
Die 1970er haben uns eine Vielzahl heute begehrter, blechern kreischender Renner beschert – man denke an all die GTs, RDs und KHs, selbst die Deutschen mischten unter anderem mit Zündapp KS 175 oder gar Maico MD 250 in der „echten“ Motorrad-Liga über 125 Kubik mit. Nur der Gigant Honda hatte sich beinahe starrköpfig dem Viertakter verschrieben und rückte erst sehr spät von der beharrlichen Zweitakt-Verweigerung ab.
Vielleicht zu spät. Erst als man 1982 im Rennsport ein Einsehen hatte und in der 500er-Klasse die NS 500 mit dem Dreizylinder-Zweitaktmotor an den Start schob, mit der Freddie Spencer schon 1983 Weltmeister wurde, setzte offenbar ein Umdenken bei der Modellpolitik ein. Ohnehin unterstützten die Honda-Verantwortlichen zu Beginn dieses Jahrzehnts die Modellvielfalt, und so war schließlich Platz im Programm für ein Bike mit Zweitakt-V3, welcher jedoch technisch wenig mit dem WM-Motor gemeinsam hatte. Angesichts der in Japan populären 250er-Führerscheinklasse ließ man es auch bei diesem Hubraum bewenden – immerhin 40 PS zauberten die Ingenieure aus dem kleinen Drilling, eher bescheidene 30.000 Exemplare waren das Ziel.
Die vor allem für den japanischen Markt bestimmte Honda MVX 250 F wurde nebenbei auch in Australien und Neuseeland, in Europa offiziell nur (ausgerechnet) in der braven Schweiz angeboten. Von dort schwappten dann auch einige wenige nach Deutschland herüber, ein paar Grauimporteure brachten zusätzlich einige selbst aus Japan eingeführte MVX-Exemplare unters Volk. Zu sehen bekam man die 250er auf deutschen Straßen schon damals kaum, heute grenzt es erst recht an eine Sensation, eine Honda MVX 250 F live vorbeidüsen zu sehen. Kein Wunder, wenn die zierliche Exotin, so wie bei Fotobike-Besitzer Johann Peschke, nahezu immer in der Garage verweilt, hier zusammen mit dessen diversen anderen Youngtimer-Schätzchen. Alle jederzeit fahrbereit, doch übers Jahr hinweg nur selten oder gar nicht bewegt.
Peschke, zwar mittlerweile im Ruhestand, doch mit seiner Alltags-BMW S 1000 RR noch immer flott unterwegs, hat die Honda MVX 250 F vor drei Jahren gekauft, und mit ihren gerade mal 12.300 Kilometern auf der Uhr fällt es der 250er leicht, mit praktisch neuwertigem Zustand zu glänzen. „Fahrt’s die Maschine halt langsam warm und überdreht sie’s ned“, mahnt der Niederbayer noch vor der Abfahrt. Eh klar, man hat schließlich ein Herz für die alten Schätzchen, und es gilt ja hier keine WM-Titel zu gewinnen, sondern das Zweitakt-Erlebnis zu spüren, den Gemisch-Duft zu atmen und den hell sägenden Sound zu genießen.
An der Honda MVX 250 F wirkt alles leicht und filigran, aber keineswegs zerbrechlich, sondern solide und sauber verarbeitet. Diesem Anspruch blieb sich Honda stets treu, gleiches gilt auch für die stimmige Ergonomie, die Fahrern nahezu aller Größen dieses typische „Draufsitzen – passt“-Gefühl vermittelt. Choke-Knopf auf der linken Seite ziehen und die Batterie aus drei identischen, in einer Reihe angeordneten 20er-Keihin-Vergasern auf den Kaltstart vorbereiten, Kickstarter ausklappen – ein sanfter Tritt genügt, um den Dreizylinder zum blechernen Knattern zu bringen. Wahrscheinlich könnte man den Motor sogar mit einem kräftigen Daumendruck starten, so easy und verlässlich gelingt dies.
Ein wenig warmlaufen lassen, los geht’s. Und zwar ohne Drehzahl-Spektakel, sondern ganz zivil, mit gut dosierbarer Kupplung und genügend Anfahrleistung schon ab 2.500 bis 3.000/min. Flotte Sprintstarts sind heute nicht angesagt. Mit dem Gefühl, auf einer bequemen 125er zu sitzen, werden die ersten paar Biegungen mit der Honda MVX 250 F genommen und mal dem kleinen 16-Zoll-Vorderrad auf den Zahn gefühlt. Das Einlenken geschieht nicht so kippelig wie schon mit anderen 16-Zoll-Fahrwerken erlebt, aber auch nicht so ganz präzise und neutral wie bei den 18-Zoll-Rennern.
Erstaunlich erscheint sogleich der kultivierte Lauf des V3 – kein Zittern, kein Kribbeln, bei keiner Drehzahl kommen unangenehme Vibrationen auf. Der konstruktive Trick bezüglich des Massenausgleichs hat sich offenbar ausgezahlt. Zugunsten des harmonischen Drehmomentverlaufs haben die Honda-Ingenieure übrigens, wie sie selbst betonten, den Motor leicht überquadratisch, also langhubig ausgelegt und die Steuerzeiten sowie die Auspuffgestaltung entsprechend gewählt. So konnte bei der Honda MVX 250 F auf aufwendige Auslasssteuerungssysteme verzichtet und dennoch eine ausgewogene Leistungscharakteristik erzielt werden.
Der typische und ja auch gewünschte Zweitaktbiss kommt dennoch, wenn auch nicht ganz so dramatisch wie bei anderen giftigen Zweitaktern. Ab 5500/min geht die Honda MVX 250 F spürbar mächtiger voran, je höher die Drehzahl steigt, desto zackiger schnalzt die Nadel in Richtung des roten Bereichs ab 9000 Touren. Gut, an dieser Stelle muss die Katze aus dem Sack – die hier gefahrene MVX ist eine auf 27 PS gedrosselte Version, die, so Peschke, noch die Drosselblenden im Auspuff drin hat. Die 1983 offen, also mit 40 PS getestete Honda MVX 250 F legt hier noch ein Schippe nach und winkt erst bei 10 500/min ab. 163 km/h Spitze wurden damals gemessen, recht jungfräulich und kaum richtig eingefahren – da ginge sicher noch mehr. Von knapp 180 km/h sprach Honda damals, was wiederum etwas optimistisch erscheint. Doch Topspeed ist nicht das Thema bei der 250er, sondern der Biss des Motors, das geringe Gewicht und das superbe Handling.
Nur 100 bzw. 110 Millimeter breit sind die auf die damals bei Honda angesagten Comstar-Räder aufgezogenen Reifen, was das Abwinkeln der vollgetankt 160 Kilogramm leichten Honda zum Kinderspiel macht. Der vom Viertakt-Modell VT 250 F (ebenso wie auch die kleine Cockpit-Verkleidung) entliehene Doppelschleifenrahmen gibt sich keine Blöße, die Gabel vorn und das Pro-Link-Federbein hinten wirken straff, aber nicht unkomfortabel. Nur über kleine Stakkato-Fugen stuckert die 35-Millimeter-Gabel etwas unwillig hinweg. Macht nichts – dem Fahrspaß auf dem kleinen Feuerzeug tut dies kaum Abbruch, eher schon die nicht (mehr) so richtig bissig wirkende, gekapselte Scheibenbremse, von der man sich einen etwas knackigeren Druckpunkt wünscht.
Der kernig sägende und gar nicht mal so leise Zweitakter entschädigt dafür mit Grand Prix-Klängen vom Feinsten, wenn man im exakt schaltbaren, kurz übersetzten Getriebe im Sekundentakt die Gänge durchsteppt. Die gefühlte Beschleunigung übertrifft dabei sicher stets die messbare – auch dies macht den Reiz des aufwendigen, wenn auch etwas anfälligen Zweitakters aus. Schon bald nach Serienanlauf modifizierte man das Pleuel des stehenden Zylinders, kämpfte mit Klagen über durchgebrannte Kolben. Der V3 sei nicht vollgasfest hieß es, und letztlich nahm Honda die Honda MVX 250 F bereits 1985 wieder vom Markt. Von den wenigen verkauften 250ern haben also nicht alle überlebt, umso mehr sollten die heute noch fahrenden gehegt und gepflegt werden – ein exotisches Kapitel Zweitaktgeschichte, das sich zu erhalten lohnt.
Aufgrund des WM-Erfolgs der NS 500 entschied sich Honda für ein Serienbike mit V3-Motor. Hier enden aber auch schon die Gemeinsamkeiten. Der V3 der Honda MVX 250 F tritt mit einem Zylinderwinkel von 90 statt 112 Grad an, ein Zylinder steht, zwei liegen. Honda nennt Platzgründe (Batterie und Auspuff) für diese Anordnung. Wohl nur die halbe Wahrheit – vor allem wollte man aus Kostengründen den Rahmen der VT 250 F nutzen.
Besonderen Wert legten die Ingenieure auf einen ruhigen Lauf, weswegen sie mit einem Hubzapfenversatz von 360 Grad arbeiteten, alle Hubzapfen also parallel umlaufen. Um für den nötigen Massenausgleich des einzelnen, stehenden Zylinders zu sorgen, wurde dessen Pleuel massiver und schwerer ausgelegt, auch die Kolbenbolzen fallen mit 18 gegenüber 12 Millimetern Durchmesser stärker aus. Clever, aber nicht völlig problemfrei, wie sich zeigte.
Motor: Wassergekühlter Dreizylinder-Zweitakt-Motor, 90 Grad Zylinderwinkel, schlitzgesteuert mit Membrane, Bohrung 47 mm, Hub 48 mm, 249,7 cm³, Verdichtung 8:1, 40 PS bei 9000/min, drei 20er-Keihin-Vergaser, Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Kettenantrieb
Fahrwerk: Doppelschleifen-Rohrrahmen, luftunterstützte Telegabel vorn, Ø 35 mm, Zentralfederbein hinten (Pro-Link-System), gekapselte Scheibenbremse vorn, Ø 246 mm, Trommelbremse hinten, Ø 160 mm, Gewicht vollgetankt 160 kg, Tankinhalt 17 Liter
Reifen vorn 100/90 S 16, hinten 110/80 S 18
Höchstgeschwindigkeit: 163 km/h
Neupreis (1983): 6.348 Mark