Volker Eimertenbrink lehnt lässig am Rahmen seines offenen Garagentores. Hinter dem 56-jährigen Fernmeldetechniker sind drei Motorräder sorgfältig mit Planen abgedeckt. Dazwischen tummeln sich zwei fesch aufgebrezelte Honda Monkey-Nachbauten aus China. Als wäre das Garagentor nicht sicher genug, sind die Bikes unter ihren Decken zusätzlich mit schweren Schlössern gesichert. Wird hier, in Bad Oeynhausen, Ostwestfalen, etwa viel geklaut? „Sicher ist sicher. Man kann nie wissen“, brummt Volker staubtrocken. Was sollte er auch anders machen? Hier, an einem Ort, an dem man die Mundwinkel nur dann leicht hochzieht, wenn andere sich über denselben Witz schon totgelacht haben. Nein, der Ostwestfale an sich hat seinen eigenen, staubtrockenen Humor. Er lacht innerlich. Das vielleicht sogar herzlicher als der Rest der Republik. „Und ihr seid den ganzen weiten Weg hierher gekommen, nur um die Maschine zu sehen?“ Ja, sind wir. 560 Kilometer. Denn sie wirkt recht kurios.
Volker selbst hat mit dem Umbau nichts zu tun
Volker zieht die Augenbraue hoch, links, schlendert nach hinten, streift die Plane vom Bike wie ein gebrauchtes Kondom. Große Überraschung. Das als Flat Tracker umgebaute Motorrad war in seinem ersten Leben eine DR 800. Für alle, die solch ein Ding noch nie im Leben gesehen haben: Reiseenduro, groß, wuchtig, 88 Zentimeter Sitzhöhe, respektable Federwege, 29-Liter-Tank, touren-, ja sogar wüstentauglich, beinahe Kult. Was hier allerdings zum Vorschein kommt, hat man in dieser Form noch nicht gesehen. Die DR 800 Flat Tracker wirkt selbst neben einer recht zierlichen Harley Sportster 883 beinahe wie ein Mokick. Gekürzte Federwege, geänderte Fahrwerkskomponenten, kleinere Räder, die Reduzierung aufs Wesentliche und nicht zuletzt der überschaubare Sieben-Liter-Tank bestimmen die Optik. Volker präsentiert sie nicht ohne Stolz, obgleich er überhaupt nix mit diesem Umbau zu tun hat. Er hat sie so gekauft. Und will sie wieder loswerden. Über Ebay. Die Suzi steht für 7250 Euro zum Sofortkauf. Aber warum? Volker holt weit aus.
„Ich bin kein Typ für Fahrzeuge von der Stange“, sagt er. Seine Ex-Bikes liefern die Bestätigung. Kawa KH 350, CB 750 Four, Suzuki TS 250, Guzzi T, AME-Kawa, MZ- und Dnepr-Gespann, Guzzi Daytona – alle leicht modifiziert. Sein derzeitiges Schätzchen: eine Guzzi Jackal, leicht gechoppt. Volker interessiert sich seit einigen Jahren für Custombikes, nicht selten besucht er die weltweit größte Messe für umgebaute Bikes in Bad Salzuflen, eine halbe Stunde Fahrt von ihm entfernt. Dort steht im Jahr 2013 jene besagte DR 800 im Flat Tracker-Gewand. Doch sie fällt ihm nicht auf, ist nur ein Baum im dichten Wald. Volker nimmt sie nicht mal wahr. Das ändert sich, als der Ebay-Fan ein halbes Jahr später beim Stöbern im Internet auf das Motorrad trifft, es soll versteigert werden. „Die stand hier gleich um die Ecke. Da dachte ich mir: schöner Umbau. Bieteste einfach mal mit.“ Für alle, die noch nie etwas über die Versteigerungsplattform verkauft haben: Der Verkäufer kann einen Mindestpreis hinterlegen. Wenn der beim Steigern nicht erreicht wird, bleibt das Motorrad beim Verkäufer. Ist kein Mindestpreis hinterlegt, kommt mit dem letzten Gebot ein verbindlicher Kaufpreis zustande. Egal, wie niedrig das letzte Gebot ist. „Das Motorrad hatte den Mindestpreis nicht erreicht. Da hab ich den Verkäufer angeschrieben und bin hingefahren“, sagt Volker.
2000 problemlose Kilometer in zwei Jahren
„Die Maschine hat mich vom ersten Augenblick an elektrisiert“, sagt er. „Man hat gleich gesehen, dass Liebe zum Detail, technischer Background und hochwertige Materialien im Spiel waren.“ Nur 1,67 Meter groß, schwingt Volker sich in den Sattel, kommt mit beiden Füßen fest auf den Boden und – kauft die DR. Das ist jetzt nunmehr zwei Jahre her. Seitdem hat der Ostwestfale 2000 problemlose Kilometer mit dem Flat Tracker abgespult. „Meistens bin ich Sonntagmorgens hier um den Pudding gecruist“, erzählt er. Wegen des mickrigen Sieben-Liter-Tanks sei die Maschine nicht tourentauglich, würde aber höllisch Spaß machen. Weil: 50 PS, mächtig Drehmoment und nur rund drei Zentner vollgetankt. „Die kickt“, sagt er. Das aus einem ostwestfälischen Mund zu hören, gleicht einem Ritterschlag.
Der Suzuki Flat Tracker kickt auch optisch. Das Rot dunkel, tief und leicht glamourös, die Linienführung stimmig, die Details verliebt. „Allein an den Kupfer-Ölleitungen zwischen Motor und Ölkühler hat der Kollege mehrere Tage herumgebogen“, sagt Volker. Und gern hätten wir noch mehr in Erfahrung gebracht, doch Recherchen über den Erbauer führten ins Nichts. „Hier, fahr mal 'ne Runde“, sagt Volker.
Handling wie ein Mountainbike

Fünf Minuten später weiß man, was er meint. Handling wie ein Mountainbike. Bremsen rennstreckentauglich. Sitzhöhe 71 Zentimeter. Sattes Drehmoment. Nur die harte Fahrwerksabstimmung passt nicht so recht zu den Narben im westfälischen Asphalt. Trotzdem: ein tolles Motorrad. Warum also soll es weg? Vor allem: Warum über Ebay? Volker druckst ein wenig rum. So, als hätte er ein schlechtes Gewissen. So, als würde er mit dem Kauf jemanden verraten. „Ich bin jetzt alt genug, um Harley zu fahren“, sagt er. „Außerdem habe ich mich verliebt. Und diese Liebe kostet Geld.“ Er fischt sein Handy aus der Tasche und präsentiert ein Foto: Harley Dyna Street Bob, Typ FXDBA. Rote Felgen, glitzerblau, 1690 Kubik, weltweit auf 500 Exemplare limitiert. „Gibt’s nur noch gebraucht. Musst du aber mindestens noch 14 Scheine für hinblättern.“ Verstanden. Aber warum Ebay?
„Bei Ebay sind mehr Interessenten als beispielsweise bei mobile.de unterwegs“, erklärt er. Außerdem könne man da noch richtige Schnäppchen machen. Er spricht aus Erfahrung. Eine seiner letzten Maschinen habe er ersteigert. Eine Guzzi, wenig gelaufen, lückenlos gewartet. Er hat erst ganz kurz vor Schluss geboten und den Zuschlag bekommen. „Beim Abholen wollte mir der Verkäufer die Karre gar nicht mitgeben. Der Preis war viel zu niedrig. Aber ersteigert ist ersteigert!“, freut sich Volker.
Dass es auch anders herum geht, hat der Ostwestfale auch erlebt. „Da stehen die Käufer dann vor dem Motorrad, das sie bei Ebay ersteigert haben, und wollen den ergo verbindlichen Kaufpreis runterhandeln. Verrückt. Aber wahr.“ Ja, die Welt hat sich verändert. Sind wir nicht früher sogar 500 Kilometer weit gefahren, um das vermeintliche Traum-Mokick anzuschauen? Heute kaufen nicht wenige die berühmte Katze im Sack. Da bieten Interessenten zigtausend Euro für ein Fahrzeug. Und fahren nicht mal hin, um es vorab zu begutachten. „Bis heute war hier niemand, um die Maschine anzuschauen“, meint Volker. „Aber das sagt nix. Vielleicht setze ich die Flat Tracker nochmal anders rein – Startpreis: ein Euro. Dann springen viele auf den Zug auf ...“
Anm. d. Red. vom 21.11.2016: Die Auktion ist seit Juni 2016 beendet.