Ducati Scrambler Sixty2 und Moto Guzzi V7 II Scrambler im Vergleichstest

Ducati Scrambler Sixty2 und Moto Guzzi V7 II Scrambler im Vergleichstest
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Kleine Scrambler

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Dem Alltag davonfahren und dabei jede Menge Spaß haben – geht das mit so kleinen Dingern wie den beiden italienischen Motorrädern Ducati Scrambler Sixty2 und Moto Guzzi V7 II Scrambler überhaupt? Klar geht das. Allerdings sollte man die Strecken für eine echte Vergnügungsfahrt mit Bedacht wählen.

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Erst platscht es, dann spritzt der Matsch nach allen Seiten – die Ducati Scrambler Sixty2 bekommt eine ordentliche Fangopackung ab, als die Moto Guzzi V7 II Scrambler direkt neben ihr voll durch die Pfütze pflügt. Die Revanche folgt nur 20 Meter weiter, denn an üppigen Wasserlachen mangelt es auf dem Schotterpfad nicht. Motorräder und Fahrer sind jetzt ordentlich eingesaut, so darf es weitergehen: zweiter Gang, Gas voll aufreißen, bis es ordentlich staubt, und – wrooom – mit Schmackes hinein in die Schlammbäder. Sorglose Lachsalven steigen in den Sommerhimmel. „Voll aufreißen“ bedeutet im konkreten Fall nämlich artige 50 km/h. Und es macht auch ganz und gar nichts, wenn die Reifen mal kurz die Bodenhaftung verlieren – die beiden Motorräder sind so niedrig und leicht, dass sie sich ganz einfach wieder einfangen lassen.

Die beiden freundlichen Protagonistinnen stammen aus Italien und tragen lange, volltönende Namen, nämlich Ducati Scrambler Sixty2 und Moto Guzzi V7 II Scrambler; letztere keine Serienmaschine, sondern das Basismodell Special mit einem entsprechenden Teile-Kit des Herstellers versehen. Als rassig oder gar heißblütig verstehen sich beide trotz ihrer ­südländischen Herkunft keineswegs.

Ducati Scrambler Sixty2 mit gerade mal 399 cm³

Die kleine Ducati heißt zwar Sixty2, aber das bezieht sich nicht auf ihren Hubraum, sondern auf das Geburtsjahr ihrer Ahnin, des ergreifend schönen Einzylinder-Scram­blers aus den 60er-Jahren. In Sachen Hubraum bringt es die Ducati Scrambler Sixty2 beileibe nicht auf 620, sondern gerade mal auf 399 cm³ und leistet dabei exakt 40,3 PS, wie die Messung auf dem MOTORRAD-Prüfstand ergibt. Die Moto Guzzi V7 II Scrambler zaubert aus ihren 744 cm³ auch nicht besonders viel Power, sondern maßvolle 48 PS.

Nicht wirklich üppig, aber für kurzweiliges Fahrvergnügen reicht das allemal, wie die ausgelassene und artgerechte Offroad-Einlage beweist. Schließlich handelt es sich bei beiden Motorrädern um Scrambler, auf deutsch „Kraxler“, deren Vorfahrinnen zu den ersten europäischen Straßen­enduros zählten. Die soften Stollenreifen, die beide tragen, legen ebenso softe Ausflüge auf Schotterpfade nahe.

Vorbilder aus den 60er-Jahren

Der erste Ausflug hat also schon richtig Spaß gemacht, standesgemäße Schlammspuren zieren die Ducati Scrambler Sixty2 und Moto Guzzi V7 II Scrambler. Doch wohin nun als Nächstes mit den zahmen Pferden, jenseits von Matsch und Staub? Lieber nicht auf die Autobahn, Windschattenduelle mit Kleinwagen versprechen wenig Fahrspaß. Und außerdem: Wer überhaupt will mit dem Motorrad schon auf die Autobahn? Eben. Dann lieber erst mal zügig auf ausgebauten Bundesstraßen.

Die Idee entpuppt sich als zweckdienlich, um die unterschiedlichen Charaktere der beiden Maschinen zu erfahren. Schon optisch unterscheiden sie sich stark, auch wenn sie beide Scrambler heißen und jeweils von einem traditionsreichen, luftgekühlten V2-Motor angetrieben werden. Die Ducati Scrambler Sixty2 gibt sich modern und stylish und tritt frischer auf, nimmt nur leichte Retro-Anleihen beim hauseigenen Vorbild aus den 60er-Jahren.

Große unterschiede, trotz gleichem Namen

Die Moto Guzzi V7 II Scrambler hingegen wirkt wie die konsequente Weiterführung einer langen Ahnenreihe mit leicht aktualisierten Mitteln. Ein Retro-Styling hat sie gar nicht nötig – sie verkörpert Retro in Reinform. Mit klassischem Charme, dessen man jedoch nie müde wird, schiebt ihr altgedienter Stoßstangen-V2 praktisch ab Standgas mächtig an, schon bei 3000/min erreicht er sein maximales Drehmoment von knapp 60 Nm. Wer auf echten, wenn auch etwas gebremsten V2-Schub aus dem Drehzahlkeller steht, sitzt auf der V7 II Special goldrichtig, zumal sie sich wie ein erwachsenes Motorrad anfühlt.

Ganz anders die Ducati Scrambler Sixty2. Obwohl sie „nur“ 16 Kilo weniger auf die Waage bringt als die Moto Guzzi V7 II Scrambler, wirkt sie deutlich leichter und zierlicher, fast wie ein Fahrrad, wendig und flink. Wobei ihren kleinen V2-Motor niemand flink nennen würde, zumindest nicht in dieser Umgebung. Zwischen den forschen Blechlawinen auf der Bundesstraße kommt er nur mühsam auf Touren, erst bei 8000/min schafft er gemäßigte 33 Nm und damit das maximale Drehmoment. Untenherum ist nicht viel los, wieder mal gilt der oft bemühte Spruch, dass Hubraum nun mal durch nichts zu ersetzen ist – und davon hat die Ducati eher wenig.

Genussvolles Gleiten durch schattige Flusstäler

Während die stämmigere Moto Guzzi V7 II Scrambler locker im eiligen Verkehrsstrom mitschwimmt, hat man auf der Ducati Scrambler Sixty2 alle Hände voll zu tun, um den Anschluss nach vorn und sich gleichzeitig die von hinten drängelnden Autos vom Schutzblech zu halten. Beim sechsten Gang handelt es sich offenbar um einen Overdrive, gefühlt dauert es dann eine halbe Ewigkeit, bis das Motorrad Geschwindigkeit aufbaut. Im fünften Gang geht das ein wenig besser, aber auch noch nicht sehr dynamisch. Überholmanöver bei über 100 km/h? Lieber nicht, wer weiß, wie lange die Kleine braucht, um sich an einem schneidig voraneilenden Reisebus vorbeizumogeln.

Also wieder runter von der Bundesstraße, auf zur Entdeckungstour über die Dörfer. Und hier, auf Sträßchen dritter oder vierter Ordnung, finden die beiden Maschinen ihre Bestimmung. Ob wildes Kurvengeschlängel, sanft gerundetes Hügelland oder schlichte Überlandpassagen – je spärlicher der Verkehr und je schmaler die Straßen, desto größer das Vergnügen im Sattel der beiden Scrambler. Kein Stress, keine Druck, nur genussvolles Gleiten durch schattige Flusstäler, durch dichte Wälder mit harzigem Duft und vorbei an sommerlichen Wiesen mit hoch stehenden Gräsern. Die Fahrwerke beider Maschinen reichen für solcherart entschleunigte Strecken völlig aus. Auf Holperpisten sprechen beide Telegabeln ganz ordentlich an, doch wenn das Tempo anzieht, bieten die Federbeine nur wenig Dämpfung, Bodenwellen schlagen schnell mal durch. Daher lieber die Geschwindigkeit drosseln und heiter weiterwandern.

Sixty2 soll beim hippen Jungvolk ankommen

Wobei sich der Spaß an der Freud mit der Moto Guzzi V7 II Scrambler leichter einstellt als mit der Ducati Scrambler Sixty2, denn die unterschiedlichen Motorenkonzepte machen sich auf schmalen Wegen erst recht bemerkbar. Während die Guzzi bei niedrigen Drehzahlen lässig durchs Kurvenrevier wedelt und über die Sträßchen schwingt, will die Ducati ständig bei Laune – sprich: bei rund 6000 bis 8000/min – gehalten werden. Die beste Figur macht sie auf Dauer doch in der Stadt, denn dort wuselt sie mit ihrer schmalen Silhouette in Windeseile selbst durch den dicksten Stau.

Dafür hat Ducati sie auch hauptsächlich gedacht: Gerade in Italien und Spanien soll die Ducati Scrambler Sixty2 beim hippen Jungvolk den drögeren City-Rollern Konkurrenz machen. Ob das Konzept aufgeht? Bislang setzte Ducati selbst im heimischen Italien nur knapp 500 Stück ab.

Eigener Stil und jede Menge Exklusivität

Was vielleicht auch mit dem Preis zu tun hat. So attraktiv die beiden kleinen Scrambler auch sein mögen – sie gehen arg ins Geld. 7790 Euro kostet die Ducati Scrambler Sixty2, die Moto Guzzi V7 II Scrambler liegt gar bei 13.335 Euro. Bei ihr sind allerdings Anbauteile enthalten, auf die man verzichten kann, etwa die Bitubo-Federbeine. Wer sein Herz für den Guzzi-Scrambler entdeckt hat, sollte die Preisentwicklung beobachten, denn alle V7 II sind noch nach Euro 3 homologiert und somit 2017 Auslaufmodelle, was günstige Abverkäufe nahelegt. Alternativ bietet sich die V7 II Stornello für 10.300 Euro an, eine ähnlich aufgebaute Serien-Scrambler und bald ebenfalls Auslaufmodell. Und die 400er-Ducati? Wäre durchaus eine Empfehlung für Einsteiger, allerdings ist der Preisunterschied zum Schwestermodell mit 800 cm³ und 75 PS gering, denn das gibt es schon für 1000 Euro mehr.

Immerhin kann man sich über die hohen Preise damit hinwegtrösten, dass der Nachbar bestimmt nicht auf dem gleichen Motorrad anrückt. Denn bei allen Unterschieden haben Moto Guzzi V7 II Scrambler und Ducati Scrambler Sixty2 doch zwei Dinge gemeinsam: einen ganz eigenen Stil und jede Menge Exklusivität.

Technische Daten Ducati Scrambler Sixty2

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Ducati Scrambler Sixty2.

Daten Moto Guzzi V7 II Scrambler

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Moto Guzzi V7 II Scrambler.

MOTORRAD-Fazit

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Die Ducati will hohe Drehzahlen, der Guzzi reichen ganz niedrige.

Zwei Scrambler aus Italien, beide mit V2-Motor und doch ganz unterschiedliche Charaktere. Die Ducati Scrambler Sixty2 eignet sich vor allem für echte Einsteiger, sie fühlt sich leicht an, ist wendig und überfordert nie. Allerdings ist im Drehzahlkeller der 400er nichts los, sie möchte bei mindestens 6000/min gehalten werden, und ihre 41 PS taugen vornehmlich für die Stadt und kleine Sträßchen. Die Moto Guzzi V7 II Scrambler wirkt im Vergleich viel erwachsener, mit 48 PS schwimmt sie auch im zügigen Verkehr locker mit, zumal der 750er-Motor von unten heraus Druck bietet. Ihre Stärken liegen aber ebenfalls eher auf schmalen Landstraßen. Schlammbäder nehmen als echte Scrambler beide gern.

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