JvB-Yamaha Super 7 im Fahrbericht

JvB-Yamaha Super 7 im Fahrbericht
Mit JvB nach JwD

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Zuletzt aktualisiert am 25.10.2016

Schreib bloß nicht, ich sei Customizer“, sagt Jens. „Bin ich nämlich nicht. Ich sehe mich eher als Teileentwickler.“ Wir stehen vor seinem Verschlag in der Kölner Innenstadt. Eigentlich will ich gar nichts schreiben, sondern eher mit ihm Motorradfahren, denke ich. In Steinwurfweite fließt der Rhein. „Ja, schau dich ruhig noch mal um“, meint Jens, „bald muss ich hier raus, dann wird hier alles umgebaut.“ Es klingt wehmütig, ja fast traurig. Und wer Jens kennt, der versteht ihn. Hier, in der Hafenstraße, fand seine zweite Geburt statt. Nach seinem ersten Leben, das er laut eigener Aussage nach seiner Industriemechaniker-Ausbildung als „Zigeuner“ verbrachte, nahm er sich in den backsteinigen, barackenartigen alten Industriegebäuden Zeit und Muße, um die Welt ein klein wenig zu verändern.

Die Welt der Custombikes, wohlgemerkt. Denn als Jens Anfang der 2000er seinen ersten Einzylinder umfrickelt, ein Mix aus Kawasaki GPX-Fahrwerk mit Suzuki Freewind-Single, ist die Welt noch nicht reif für die New-Custom-Welle. Zu dieser Zeit stand der Begriff Custombike für Harley-Umbauten. Punkt. Ende. „Ich bin mit der Kiste umhergefahren, und irgendwie fanden das alle merkwürdig“, erinnert sich Jens. Dann kam die Flat Red. Jenes flunderflache Hot-Rod-Geschöpf in Gestalt eines Motorrades. 2004 stellte Jens mit diesem Projekt die Ducati-Welt auf den Kopf, landete einen Volltreffer. Der bis dato ziemlich unbekannte Jens vom Brauck wurde als Design-Guru in den Himmel gehoben. „Na ja“, sagt Jens heute, „bei Ducati haben sie damals alles richtig gemacht und meinen Umbau gefeatured, damit hat’s angefangen.“

Show must go on

Heute ist das Kürzel JvB auf der ganzen Welt bekannt. Es steht für Reduktion und Minimalismus. Und es repräsentiert ihn. Seine Maschinen sind wie er selbst. Grundehrlich. Ohne Schnickschnack. Nie aufdringlich oder prollig. Sie sind gemacht zum sportlichen Motorradeln. Wer jemals mit Jens gefahren ist, versteht, warum sie so sind, wie sie sind. „Schau nicht so bedröppelt, ich muss hier zwar raus, aber die Show geht weiter. Hab schon eine andere Bude, da bau ich meine Werkstatt rein.“ Bedröppelt? Höchstens, weil man Mitleid mit den Umzugshelfern hat. Denn Jens hat in all den Jahren ganz schön was angesammelt. Zusammen mit seinem Unvermögen, sich nur selten von Dingen trennen zu können, sind hier Ersatzteil- und Materialberge gewachsen, die unter einer dicken Schicht Schleifstaub auf Wiederentdeckung warten.

Helme auf, E-Starten, tiefes Gebrummel aus zwei Arrow-Schalldämpfern. Wir sitzen auf zwei Bikes, die sich auf den ersten Blick sehr ähnlich sehen. Klar, haben sie im Grunde genommen doch fast identische Rahmen und Motoren. Basisfahrzeuge, oder sagen wir in diesem Fall lieber Teileträger, sind die Yamaha-Modelle MT-07 und XSR 700. Beides Bikes, die sehr gut verkauft werden. „Meine Anbauteile habe ich zuerst für die Yamaha XSR 700 entwickelt und gedacht, sie würden auch an die Yamaha MT-07 passen. Denkste! Die Rahmen sind zwar optisch sehr ähnlich, doch die Halter und Verschraubungen sind völlig anders. Hier passt nichts an das andere Motorrad“, sagt Jens, der beide Maschinen den Namen Super 7 gegeben hat.

JvB-XSR 700 radikal reduziert

Gänge rasten, kurzes Zunicken, los geht’s. Wir wuseln durch den Kölner Verkehr, mogeln uns stets auf Pole, drei, vier Kreuzungen später rollen die Reifen auf der A4 Richtung Bergisches Land. Und sie rollen völlig unterschiedlich. Mein Allerwertester ruht auf dem Ein-Mann-Sitz der MT-07-Basis, auf der grobstollige Continental TKC 80 montiert sind. Sie geben der Maschine etwas Martialisches mit auf dem Weg. Überhaupt wirkt die JvB-MT nicht so radikal reduziert wie die JvB-XSR. Denn im Gegensatz dazu verfügt die JvB-MT über einen Gepäckträger, der das Heck massiver wirken lässt. Und das ist es sowieso, lässt es sich im Gegensatz zu dem der Yamaha XSR 700 doch nicht abschrauben. Bis hierher alles klar?

Gut. Dann runter von der Bahn. Rein in die Kurven. Es ist verrückt, aber mit dem grobstolligen TKC 80 sind fast dieselben Schräglagen möglich wie mit einem Straßenreifen. Tourguide Jens schwänzelt vorweg, schwingt mit seiner Super 7 über die wenigen Geraden, als stünden dort unsichtbare Pylonen, die es mit maximalem Speed zu umfahren gilt. Es ist nicht leicht, einen Mann mit ausreichend Kurvenspeed, derartigen Mätzchen und optimaler Linienwahl zu überholen.

Prototypen, die dann in Serie gehen

Will ich auch nicht. Beschattet von Bäumen machen wir eine Pause. Kann man als Kunde mit seiner XSR eigentlich zu Jens kommen und sie umbauen lassen? „Nee, die Zeiten sind vorbei“, sagt der Kölner. „Ich entwickle nur noch Teile für Motorräder. Prototypen, die dann in Serie gehen. Im Fall der beiden Yamaha-Twins hier kannst du die Teile entweder über meine Homepage oder bei KEDO in Hamburg kaufen.“ Alles andere wäre zu aufwendig, preislich schwer kalkulierbar und nicht effizient. Falls er überhaupt noch Umbauten vornehmen würde, dann nur, um seine Teile zu promoten. Ein cleveres Geschäftsmodell, auf das auch Szenegrößen wie beispielsweise der Kalifornier Roland Sands setzen. Und wer wählt die Bikes aus, kommen die Hersteller auf Jens zu und fragen, ob er die Dinger nicht aufhübschen mag? „Nee, so läuft das nicht“, meint Jens. „Wenn ich ein Motorrad scheiße finde, dann kann ich auch keine Teile dafür entwickeln. Es muss mich in der Basis wirklich anmachen. Nur dann kommt auch was Gutes dabei heraus.“ Sein Finger zeigt auf die Super 7. „Ich mag die Yamaha-Twins, trotz nur 75 PS haben sie Druck bei allen Drehzahlen. Und das Fahren ist extrem easy. Die lassen sich fast wie ein Fahrrad lenken.“

Keine fünf Minuten später sitzen wir wieder im Sattel. Fräsen durch engste Radien, bremsen punktgenau – oh, Überraschung, die beiden hier haben kein ABS – und fressen uns immer tiefer ins Bergische Land hinein. Der Umstieg auf die straßenbereifte XSR ist für mich verwirrend. So viel handlicher fährt die Kiste damit auch nicht. Dafür erlebe ich jetzt als Hinterherfahrer, wie Jens beim Beschleunigen in Schräglage schöne schwarze Striche zieht – mit 75 PS wohlgemerkt! Es ist schon verrückt, was ein anderer Lenker, eine andere Sitzbank, einige Kilo weniger und vor allem ein besserer Sound bewirken können. Beide Super 7 fahren knackiger, direkter und irgendwie noch leichter als die ohnehin schon locker-flockigen, anfängertauglichen Basismodelle. Sie betören die Sinne mehr. Akustisch – der Arrow lässt grüßen –, und optisch sowieso. Hier kommt das Reduce-to-the-Max-Prinzip des JvB mal wieder zur Geltung. Das Gute an seiner Teile-Lösung: Je nach Geldbeutel kann man sich die Umbauteile einzeln und nach und nach kaufen. Oder gleich den ganzen Kit. Mittelmäßig handwerklich Begabte können die Arbeiten locker selbst durchführen. O-Ton Jens: „Die Teile dranschrauben ist auch nicht viel schwerer, als einen Ikea-Schrank aufzubauen ...“ Beim letzten Stopp fällt mir aber noch ein, was ich unbedingt wissen will: Wieso gibt Jens an, im ersten Leben ein Zigeuner gewesen zu sein? „Erkläre ich dir morgen, wenn du die Infrared fährst.“ Fortsetzung folgt.