Zu viel Leistung, zu viel Gewicht, zu viel Drumherum. Mit dem Eigenbau der KTM Target 320 versucht MOTORRAD-Redakteur Werner „Mini“ Koch, die Eckdaten für puren Fahrspaß neu zu definieren: 70 PS, 140 Kilogramm, 210 km/h - das sollte reichen.
Zu viel Leistung, zu viel Gewicht, zu viel Drumherum. Mit dem Eigenbau der KTM Target 320 versucht MOTORRAD-Redakteur Werner „Mini“ Koch, die Eckdaten für puren Fahrspaß neu zu definieren: 70 PS, 140 Kilogramm, 210 km/h - das sollte reichen.
Das musste ja so kommen. Nach der überschwänglichen Resonanz der MOTORRAD-Leser auf den Entwurf einer BMW R 95 G/S (in MOTORRAD 5/2012) mit angedachten 190 Kilogramm Gewicht bei 90 PS ist der Ruf nach einer neuen Motorradgeneration nicht mehr zu überhören. Einer Generation, die das genussvolle, leichtfüßige Motorradfahren wieder in den Mittelpunkt rückt. Weg vom Streben nach mehr Power und mehr Hightech, hin zur federleichten Fahrmaschine mit solider, überschaubarer Technik und maximal reduziertem Plastikfummel. Motorräder zum Angucken, zum Anfassen, zum Verlieben.
Dass die Target 320 ausgerechnet als Vertreter der sportlichen Linie konzipiert wurde, ist in erster Linie natürlich dem eigenen Lebenslauf geschuldet. Ganze 25 Jahre Rennsport, mit Vorliebe in den kleineren Klassen, hinterlassen eben ihre Spuren. Und jede Menge Erinnerungen an Motorräder, die man nie und nimmer vergisst. Zum Beispiel an meine 85 PS starke Einzylinder UNO-Rotax, die sich locker mit den reinrassigen 250er-Rennmaschinen messen konnte. 120 Kilogramm leicht und in Sachen Handling dem viel zitierten Fahrrad ziemlich nah, stand die UNO-Rotax Pate für die Idee der Target 320. Auch wenn der kapriziöse luft-/wassergekühlte Rotax-Single damals leider regelmäßig kapital explodierte und Nerven und Geldbeutel arg strapazierte.
Das kann mit dem neuen 690er-KTM-Einzylinder nicht passieren. Robust, über 70 PS stark und leicht, genau die richtige Basis für die Target 320. Damit aus dem Motor letztlich ein komplettes Motorrad wird, stellte uns KTM-Entwicklungschef Philipp Habsburg den ersten RC8-Prototyp als Organspender in die MOTORRAD-Werkstatt. Schon damals mit fein abgestimmter Geometrie, einstellbarem Nachlauf und einer piekfeinen WP Grand Prix-Gabel, war die Basis bestens gewählt.
Erst vermessen, tüfteln, skizzieren, um dann radikal mit Flex und Eisensäge den 690er-Motor einzupassen, nur so geht’s voran. Der Single ist nicht ganz so solide im Rahmen verschraubt wie der V2-Motor, deshalb braucht es ein paar nachträglich eingeschweißte Verstärkungen und Knotenbleche, um die tragende Funktion des Motors zu erhalten. Nach etlichen Nachtschichten steht das umgeschweißte Stahlrohrgerippe mitsamt dem 690er-Motor auf der Werkbank. Na also, geht doch.
Was nicht geht, ist der Kühler, der die an sich gertenschlanke Konstruktion zu handelsüblicher Breite aufplustert. Warum werden die schönen, bogenförmigen Kühler eigentlich immer quer verbaut? Hochkant geht doch auch. Und schwups, schon verschwindet der um 90 Grad gedrehte Radiator hinter den Gabelholmen und verjüngt die Frontansicht auf die Maße eines luftgekühlten Mopeds. Womit wir dem Ziel ein großes Stück näher kommen, schließlich ist der Name „Target 320“ auch Programm. Denn breiter als 320 Millimeter darf der Single nicht werden. Und viel größer als eine 250er auch nicht.
Downsizing auf der ganzen Linie also. Was jedoch dazu führt, dass vom Alu-Tank über die Sitzbank bis zur rahmenfesten Frontverkleidung – über deren Spoiler-Gesicht man sich vorzüglich streiten kann – alles neu gezeichnet und die GfK-Teile aus Aluminium-Negativformen herauslaminiert werden müssen. Eine mühselige und staubige Angelegenheit, die den Zeitplan für das Projekt mächtig durcheinanderwirbelt.
Als ob das Formen und Modellieren nicht genug Zeit kosten würde, müssen auch WP-Gabel und Wilbers-Federbein komplett neu aufgebaut werden, weil Abstimmung und Baulängen völlig neu sind und vor allem dem angestrebten Gewicht von 140 Kilogramm angepasst werden müssen. Man staunt auch nicht schlecht, wenn es darangeht, die notwendigen elektrischen und elektronischen Bauteile eines Einzylindermotors zu verstauen. Gleich zwei Elektronikboxen, ein halbes Dutzend Relais, Schalter, Sicherungen und Steckverbindungen – wohin damit? In die letzte Lücke, versteckt zwischen Kühler und Lufthutzen, unter dem Sitzbank-Bürzel, überallhin, nur bitte schön nicht im Sichtbereich.
Damit sich die schlanke Linie von vorn bis hinten durchzieht, wird am Aluminium-Rahmenheck nur ein zentrales Stützrohr verbaut, das genügend Platz für den Schalldämpfer und das direkt an der Stahlrohrschwinge angelenkte Federbein lässt. Womit der Einsatzzweck der Target 320 klar eingegrenzt wird, denn unter der Last von Sozius oder einem fetten Gepäcksystem würde die Aluminiumkonstruktion schlicht und ergreifend zusammenbrechen. Nach gut 300 Arbeitsstunden und viel Unterstützung durch die unverzichtbaren Spezl und Spezialisten rollt die Target 320 frisch lackiert und in gleich zwei Versionen zur ersten Fotofahrt.
Stand am Anfang noch die klare Zielsetzung des supersportlichen, radikalen Single-Racers auf dem Plan, hat sich ganz im Trend zum lässigen Jethelm-Cruisen auch noch die nackte, mit einem schicken LSL-Scheinwerfer bestückte Variante dazugesellt. Von Haus aus eher kommod-entspannt als quälend-sportlich, muss man bei der Ergonomie kaum Abstriche machen. Höhenverstellbare Fußrasten und LSL-Match-Lenker beugen in Verbindung mit dem kurzen Tank körperlichen Verrenkungen vor. Wobei das Sitzpolster in der anstehenden ersten Optimierungsphase natürlich noch mindestens zwei Schaumstofflagen mehr bekommt.
Glucksend blubbert der Sprit in den Tank – der ist tatsächlich dicht. Schlüssel rein, umdrehen, es summt und surrt, das Cockpit zeigt keinen Fehler, gibt den Start frei. Zwei, drei falsche Töne, dann finden Zündung und Einspritzung zusammen, aus der schrägen Side-Pipe ballert es vernehmlich, klar und gesund. Dann nimmt die graue Maus Fahrt auf. Fühlt sich gut an, aber irgendwie schwerelos, als ob der Motor fehlen würde. Aber der ist drin und schiebt sauber voran.
Die erste Kurve, sanfte Schräglage, abtasten. Fühlt sich immer noch nach nix an. Kein Widerstand, keine Masse, kein gar nix. Das Gefühl kenne ich, ist aber schon lange her. Damals, als wir Motorräder noch von Hand in den Transporter gehievt haben. Das war Klasse, da möchte ich wieder hin. Bis die Target 320 allerdings nicht nur federleicht, sondern auch bombenstabil, schnell und sicher durch die Kurven ballert, ist noch einiges zu tun. Auch hier gilt die alte Regel: Leicht ist schwer abzustimmen. Ob und wie das geht? Demnächst in diesem Theater oder unter motorradonline.de.
Zwei Jahre hat es gedauert, bis der KTM RC8-Prototyp zur Target 320 mutierte. Aus einer flapsigen Bemerkung entstanden – „der geile LC4-Motor gehört auch in eine geiles Fahrwerk“–, hatte ich eine riesige Baustelle geerbt, die mich wirklich Nerven gekostet hat. Es sind nicht die ganz radikalen Änderungen wie Rahmen, Federelemente oder der selbst gebaute Alu-Tank, sondern die Fitzelarbeiten, wie Kabelbäume ändern, Lichtanlagen verkabeln, Polyesterteile schleifen, spachteln, schleifen, spachteln. Umso schöner der Augenblick, wenn das Ding fertig lackiert dasteht und brummt.
In nur drei Tagen saß der 690er-Motor im Fahrwerk, das jetzt mit neuem Rahmenheck und ohne Federbeinumlenkung rund
zwei Kilogramm leichter und kompakter wurde.
Prototypen zu bauen, hat bei MOTORRAD eine lange Tradition und brachte so manchen Hersteller ins Grübeln. Der Vorteil bei den in Handarbeit aufgebauten Projekten: Wir mussten weder auf Produktionskosten noch auf Marktanalysen Rücksicht nehmen. Vielleicht sind genau deshalb ein paar ganz tolle Bikes entstanden.
Das Fahrwerk der RG 250, gepaart mit dem 50-PS-Viertakt-Einzylinder der Enduro, entstand in der Zeit, als schnelle Singles Hochkonjunktur hatten. Der 181 kg schwere Sportler war Thema bei Suzuki/Japan und einen Artikel in der Suzuki-
Kundenzeitschrift wert.
Noch bevor Ducati die 916 auf den Markt schob, baute MOTORRAD 1992 in Kooperation mit Yamaha/Europa den 85-PS-Sportler mit TDM 850-Motor im FZR 600-Fahrwerk. Ein paar Jahre später kam die Idee als Yamaha TRX 850 aus Japan zurück.
Der Bestseller XV 535 wurde radikal umgebaut und mit sportlich ausgelegtem Fahrwerk agil und handlich. Mit Sitzhöhenverstellung, variabler Ergonomie und dem feinen V2-Motor mit Kardan auf Einsteiger getrimmt, folgte die BT 1100 Bulldog nach. Leider ohne Erfolg.
Der 145-PS-Motor im tourentauglichen UNO-Fahrwerk machte die Sportstar 1998 zum ersten Power-Naked-Bike. Mit 208 Kilogramm, 24-Liter-Tank, Zahnriemenantrieb und variablem Ergonomie-Paket ausgestattet, folgte dem Prototyp die Yamaha FZS 1000 Fazer.
Radikal dem Rennsport verschrieben, wurde im Jahr 2000 die 176 Kilogramm leichte NR 600 zu dem, was heute als Moto2 die Fans begeistert. Auch damals diente MOTORRAD der Honda CBR 600-Motor als Antrieb im optimierten Alu-Chassis mit NSR 500-Verkleidung.