Vielleicht ließ sich Rudolf Schütte bei seinem ersten Motorrad-Umbau von diesen maritimen Einflüssen leiten, weil er auch beruflich ständig gegen den Strom schwimmt. Als erfolgreicher Entwickler und Prototypenbauer für internationale Designmöbel-Hersteller setzt er jedenfalls lieber Trends, als ihnen nachzulaufen. So kann der Retro-Fan dem gängigen Breitwalzen-Wahn in der Custom-Szene wenig abgewinnen. „Ich wollte ein sehr schmales und flach wirkendes Motorrad bauen, mit einer fließenden Welle, die sich übers ganze Bike zieht. Und dabei so viel wie möglich selbst machen.“
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Leserumbau "Sailor" Honda CB 400 N
Mahagoni-Powerboote als Inspiration
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Logisch, dass für den Möbelbauer Holz das Mittel der Wahl war, um der braven Honda CB 400 N einen frischen Schwung zu verpassen. Wie bei den berühmten Riva-Booten besteht daher auch das „Holzdeck“ seines Umbaus aus Mahagoni, mit „Rumpfblenden“ aus GFK, die auf selbst hergestellten Negativformen laminiert wurden. Für das aufsehenerregende Monocoque hat Schütte 14 Schichten Starkfurnier des edlen Holzes verleimt, das dann mit Hilfe einer selbst gefertigten Schablone aus MDF-Platten auf einer Furnierpresse viele Stunden lang mit rund zwei Tonnen in Form gepresst wurde.
Anschließend hat er die endgültige Form ausgeschnitten, feingeschliffen und mit einem speziellen Bootslack überzogen. Zwölf weitere Male wurde das Edelholz danach geschliffen und lackiert, bis es die gewünschte porentiefe Oberfläche aufwies, „die eine beeindruckende Tiefenwirkung erzeugt, als hätte man eine Glasscheibe daraufgelegt“.
À propos beeindrucken: Das musste Rudolf Schütte auch den zuständigen TÜV-Ingenieur. Und zwar weniger mit optischen Finessen, sondern vielmehr mit seinen handwerklichen Fähigkeiten. Ziel war von vornherein, dass die „Sailor“ die begehrte Plakette erhält, um den heimischen Hafen mit dem Segen der Behörden verlassen zu können. Kein einfaches Unterfangen bei einem so weit reichenden Umbau, der sogar das Umschweißen des Heckrahmens erforderte, um Platz zu schaffen für den hier vorgesehenen, selbsttragenden Edelstahl-Tank. Den rund acht Liter fassenden Spritbehälter mit integrierter Überstromkammer und Benzinpumpe ließ Schütte letztlich von einem Profi schweißen, die Pappschablonen für die V4A-Bleche und das Styropormodell hat er jedoch selbst angefertigt.
Jeder einzelne Umbauschritt wurde im Vorfeld anhand von Detailzeichnungen „mit dem strengen, aber auch sehr kompetenten und hilfsbereiten Sachverständigen“ abgesprochen. Der hat vieles abgenickt, mitunter jedoch sein Veto eingelegt. So beispielsweise bei der geplanten Verlängerung der Schwinge, die notwendig gewesen wäre, um hinten ebenfalls ein 21-Zoll-Speichenrad einbauen zu können. Jetzt rotiert achtern eben ein speziell angefertigtes 19-zölliges, besohlt mit einem 120er-RaceAttack Custom von Conti, der trotz seiner Bestimmung als Vorderreifen das „erstaunlich gute Fahrverhalten“ nicht beeinträchtigt.
Bestanden hat der TÜV-Fachmann außerdem auf ein erkennbares Sitzpolster. Mit einer 15 Millimeter messenden Auflage aus Blankleder hat der Erbauer diese Forderung erfüllt, ohne die elegante Linienführung des Monocoques zu unterbrechen. Da der Freizeitschrauber bei seinem Erstlingswerk keine Eile hatte, kümmerte er sich sorgfältig um Details, fertigte sowohl die Armaturen (aus Vierkant-Alu und Klingelschalter) als auch den Kabelbaum selbst. Mit vorschriftsmäßiger Beleuchtung, dem vorderen Holz-Kotflügel und bestandenem Geräuschgutachten (offene Luftfilter!) war die Vollabnahme bei dem in allen Einzelheiten eingeweihten TÜV-Experten dann bloß noch Formsache. So darf „Käpt‘n“ Rudolf Schütte mit seiner hübsch aufgetakelten Honda „Sailor“ nun ganz offiziell im Verkehr mitschwimmen.