Als Vorlage für diese Replika eines verschollenen Manx-Prototypen hatte Franz Schleifer nur einige Fotos zur Hand. Mit viel Können hat der begnadete Handwerker die Norton-Rennmaschine nachgebaut – ohne eine einzige Konstruktionszeichnung!
Als Vorlage für diese Replika eines verschollenen Manx-Prototypen hatte Franz Schleifer nur einige Fotos zur Hand. Mit viel Können hat der begnadete Handwerker die Norton-Rennmaschine nachgebaut – ohne eine einzige Konstruktionszeichnung!
Es war Mitte der 1980er, als Franz Schleifer bei einem England-Besuch ein kleines Büchlein in die Hände fiel, das eine große Bedeutung in seinem Leben bekommen sollte. Denn der Norton-Liebhaber und Manx-Besitzer entdeckte darin eine Maschine, die ihn mit ihrer Linie so sehr beeindruckte, dass er sie unbedingt haben wollte.
Eigentlich ein aussichtsloses Verlangen, denn die wenigen Bilder zeigten eine Norton-Rennmaschine, von deren Existenz damals, in den Internet-freien 80er-Jahren, nur einige Insider des Grand Prix-Sports wussten. Was nicht verwundert, denn der Norton Manx F-Type – das F steht für „Flat“ und damit den liegenden Zylinder – ist nie über das Stadium eines Prototypen hinausgekommen. Der F-Type war ein geheimes Projekt einer Handvoll Mitarbeiter von Nortons Rennabteilung. Gedacht als Antwort auf die siegreichen Moto Guzzi-Renner, die dem Norton-Werksteam 1953 mit eben so einem liegenden Einzylinder die WM-Krone bei den 350ern entrissen hatten. Doch bevor der vielversprechende F-Type zum Einsatz kommen konnte, verkündete Norton Ende 1954 den Rückzug des Werksteams aus dem GP-Sport.
Von den F-Type-Prototypen – außer der 350er wurde auch eine 500er-Variante gebaut – existierten jedoch nur noch Motor-Fragmente, die von Mitarbeitern der Rennabteilung „gerettet“ wurden. Und die hatten kein Interesse, Informationen oder gar Teile herauszurücken. „Da es nichts zu kaufen gibt, muss ich den F-Type eben selbst bauen.“ Schleifers ebenso einfach wie vermessen klingende Erkenntnis relativiert sich, wenn man weiß, dass er in der Szene als „Norton-Franz“ bekannt ist. Nicht nur, weil er der Manx als Ausweis-Rennfahrer „noch die Treue gehalten hat, als dort auch schon längst die Zweitakter dominierten“. Sondern auch, weil er den mechanisch extrem aufwendigen Manx-Motor aus dem Effeff beherrscht.
So machte sich der gelernte Motorenschlosser und erfahrene Feinmechaniker 1989 ans Werk, baute den ersten Motor mit defekten Manx-Teilen auf, die ohnehin im Regal lagen. Diese wurden instand gesetzt und angepasst. „Klar hatte ich Zweifel, ob ich das wirklich selbst hinbekomme“, gibt er zu, „aber ich musste es einfach probieren.“
Und zwar ohne eine einzige Konstruktionszeichnung, denn die gab es ja nicht. „Meine Ideen und Vorstellungen habe ich im Kopf. Das reicht, wenn man weiß, was man tut.“ Worte eines Praktikers, die studierten Ingenieuren vermutlich die Haare zu Berge stehen lassen. Doch es dauerte nur rund ein Jahr, bis Franz seinen ersten „Prototyp“ aus der heimischen Kellerwerkstatt schob. Wie beim Vorbild mit dem Zylinder und Kopf des stehenden Motors. Ihm war natürlich klar, dass dessen Verrippung nicht für die liegende Anordnung taugte. Dennoch, für einige Funktionstests hat es gepasst, wobei der Motor anfänglich „mehr schlecht als recht lief“. Typisch für einen Versuchsträger, der sich außerdem erst im Lauf der Jahre in vielen Details, wie Rädern, Bremsen oder Sitzhöcker, dem Vorbild auf den Fotos annäherte. Dann, 2010, kam es zum großen Knall auf dem Salzburgring. Thermische Überlastung in Kombination mit Problemen im Ölkreislauf führten zum Kolbenklemmer mit Pleuelabriss und einem gebrochenen Motorgehäuse.
Kein ungewöhnliches Schicksal für einen Prototypen, solche Rückschläge hätte einst wohl auch die Norton-Werksmannschaft hinnehmen müssen, wenn das Projekt nicht so jäh gestoppt worden wäre. Weshalb Franz nicht die Flinte ins Korn warf. Das neue Manx-Motorgehäuse riss zwar ein großes Loch in die Haushaltskasse, gab aber den Anstoß, „jetzt alles richtig zu machen“. Wobei richtig vor allem eine angepasste Verrippung für die liegende Anordnung bedeutete. Und damit unter anderem auch die Eigenanfertigung von Zylinder und -kopf.
Nur in einem Punkt stand von vornherein fest, dass eine exakte Replika nicht möglich sein würde: Die Werks-F-Type besaßen nämlich einen Unit-Motor mit integriertem Getriebe, dessen Primärtrieb über zwei Zahnräder eine „rückwärts“ drehende Kurbelwelle erforderte. Zu viel Aufwand, entschied Franz – und baute eine eigene Lösung, mit dem Fünfganggetriebe der Manx im angepassten Gehäuse. Deshalb treibt die Sekundärkette bei seiner Norton Manx F-Type-Replika das Hinterrad auf der linken Seite an, beim Original ist es genau anders herum.
Ansonsten jedoch hat sich der 71-Jährige bei der Norton Manx F-Type-Replika ganz eng an das auf den Fotos gezeigte Vorbild gehalten. Das gilt natürlich auch für den markanten Zentralrohrrahmen mit einem Durchmesser von 110 Millimetern, der zugleich das Öl bunkert. Den hat Franz aus Präzisionsstahlrohr mit einer Wandstärke von 1,5 Millimetern und hartgelöteten Verbindungen ebenso selbst gefertigt wie die aus massiven Alu-Profilen bestehende Aufnahme der Zweiarmschwinge mit ovalen Rohrquerschnitten. Eigenanfertigungen des Handwerks-Künstlers sind außerdem die Alu-Gabelbrücken und die Bremsen, wobei vorne an der Doppelnocken-Duplexbremse besonders die belüftete Ankerplatte und die selbst gebaute Ventilatorscheibe zur besseren Wärmeabfuhr wie beim Original ins Auge fallen.
Achtern hat er sich ebenfalls eine Spezialität einfallen lassen: Die Hinterradnabe ist den Werks-Rennmotorrädern nachempfunden, mit einem von der Bremsnabe getrennten Kettenblatt. Das ermöglicht eine freie Wahl der Übersetzung, außerdem wird ein Überhitzen der Nabe durch Reibung vermieden. Da überrascht es kaum noch, dass der in Österreich geborene Schwabe auch den elegant geformten Tank aus 1,5 Millimeter starken Alu-Blechen selbst geschweißt hat. Der wirkt allerdings viel größer, als er tatsächlich ist, denn mehr als zehn Liter Sprit fasst der voluminöse Behälter der Norton Manx F-Type-Replika nicht. Ganz bewusst übrigens, weil der Erbauer ihn so unterteilt hat, dass der im oberen Bereich befindliche Kraftstoff nach dem Fallstromprinzip zum Vergaser gelangt, weshalb hier – im Gegensatz zum Original – keine Benzinpumpe benötigt wird.
Schon daran zeigt sich, dass Franz Schleifer seine Norton Manx F-Type-Replika keinesfalls als bloßes Schaustück aufgebaut hat. Jetzt, mit der angepassten Verrippung, sind thermische Probleme kein Thema mehr. Der überarbeitete Ölkreislauf und ein zusätzlicher Ölsumpfbehälter unterm Kurbelgehäuse steigerten ebenso die Zuverlässigkeit. So kann der „Norton-Verrückte“, wie sich Franz Schleifer selbst bezeichnet, seine F-Type-Replika, die er mit dem neuen Motor vor drei Jahren erstmals einem begeisterten Publikum präsentierte, nun bei seinen seltenen öffentlichen Auftritten voll und ganz genießen. Es ist ein beiderseitiges Vergnügen. Mit seinem in jeder Hinsicht spektakulären Eigenbau hat Franz gezeigt, dass es mitunter nur wenige Fotos braucht, um eine Bilderbuch-Arbeit abzuliefern.
Flach gelegt
Von Anfang war klar, dass ein Unit-Motor wie beim Vorbild nicht infrage kam – der Aufwand und die Kosten für die Gussformen eines Blockmotors wären viel zu teuer gekommen. Franz entschied sich, bis auf Zylinder und Kopf die Teile einer gewöhnlichen Norton Manx zu nehmen und mit deren AMC-Fünfganggetriebe zu kombinieren. Dies machte jedoch ein Kürzen des Kurbelgehäuses erforderlich, um den Radstand trotz liegendem Zylinder so kompakt wie möglich zu halten. So hat Franz vom Manx-Kurbelgehäuse im Bereich des Ölsumpfs 60 Millimeter abgetrennt und mit einem Deckel verschlossen. Darin war aber kein Platz mehr für die Serien-Kurbelwelle, die deshalb an den Hubscheiben um 30 Millimeter abgedreht und neu gewuchtet wurde. Der Hub des 500er-Standard-Manx-Kolbens (86 mm) beträgt nun 76,6 Millimeter, wie bei der 350er. Den Zylinder mit den horizontalen Kühlrippen hat Schleifer aus dem Vollen gearbeitet.
Größtes Abenteuer war jedoch der Zylinderkopf. Da Profi-Modellbauer für eine Gussform unbezahlbare Summen aufriefen, hat sich Franz selbst ans Werk gemacht. Anhand der Fotos fertigte er eine Zeichnung für Maße, Rippenzahl und deren Stellung an und baute mit Hilfe eines befreundeten Modellbauers die drei benötigten Gussformen. Zur Überraschung der beiden glückte gleich der erste Guss. Da dieser ohne Kerne erfolgte, musste Franz die Kanäle und Ventilsitze aus dem Vollen fräsen. Die Bestückung des Kopfes (Ventile, Federn, Königswelle und Zahnradkaskade samt den zwei Nockenwellen) erfolgte dann mit originalen Manx-Teilen.
Norton F-Type-Replika
Motor: Luftgekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, liegend angeordnet, zwei Ventile, Bohrung 86 mm, Hub 76,6 mm, ca. 440 cm³, ca. 45 PS, ein 35er-Amal-GP-Vergaser, Mehrscheiben-Trockenkupplung, Fünfganggetriebe, Kettenantrieb
Fahrwerk: Zentralrohrrahmen, Ø 110 mm, mit integriertem Öltank, Norton Roadholder-Gabel vorn, Zweiarmschwinge hinten, Duplex-Trommelbremsen vorn und hinten, Trockengewicht 132 kg, Tankinhalt ca. 10 l, Reifen: 3.00-19 vorn und 3.50-19 hinten