Einer musste es tun. Die kleinen Unzulänglichkeiten oder konstruktiven Fehler der Italienerin ausbügeln oder nachbessern. Bernard Zuber legte bei seiner Ducati 350 M3 Desmo Hand an und perfektionierte sie mit akribischer Genauigkeit.
Einer musste es tun. Die kleinen Unzulänglichkeiten oder konstruktiven Fehler der Italienerin ausbügeln oder nachbessern. Bernard Zuber legte bei seiner Ducati 350 M3 Desmo Hand an und perfektionierte sie mit akribischer Genauigkeit.
Mit nur 3447 Kilometern auf der Uhr in den Ruhestand. Ein Fluch oder ein Segen für ein Italo-Bike, das mit seinem quirligen 340-cm³-Einzylinder angesichts von nur gut 130 Kilogramm Eigengewicht doch noch für so viel Fahrspaß sorgen könnte. Stattdessen, so Besitzer Bernard Zuber, steht die Ducati 350 M3 Desmo nun in einem ungenutzten Wohnzimmer und wird etwa alle drei Jahre leer „durchgekickt“ und bekommt ein wenig Öl ins Kerzenloch spendiert. Doch erst mal wurde das Italo-Bike von seinem französischen Besitzer gründlich optimiert.
Neu gekauft hatte dieser die Ducati 350 M3 Desmo im Juni 1972, für 5500 Francs, wie die den zahlreichen Listen, Belegen und technischen Skizzen beigelegte Rechnung ausweist. Und schon gut ein Jahr später zerlegte der gelernte technische Zeichner und Maschinenbau-Ingenieur sie nach nur 2740 Kilometern fast komplett (der Motor blieb ungeöffnet), um „den Rahmen zu lackieren und umfangreiche Optimierungen durchzuführen“. Schließlich habe er von der Neigung zu Hochfrequenz-Vibrationen (140 Hz bei 8500/min) des Einzylinders und fröhlich abvibrierender Teile gewusst, und um dem vorzubeugen und um noch etwas Gewicht einzusparen, begann er, Hand anzulegen. Nicht weniger als 116 Punkte umfasst die akribische Auflistung aller geänderten Positionen (insgesamt deren 180), klar unterschieden in gekaufte und selbst gefräste oder gedrehte Teile. Wobei Zuber eher zum Selbermachen als zum Kaufen neigt, weil’s ja schließlich perfekt werden soll.
Ungeachtet aller Umbauten blieb die Ducati 350 M3 Desmo äußerlich zu 95 Prozent original, wie Zuber betont. Hochwertige Werkzeuge und das Know-how waren kein Thema - schließlich hatte der stolze Besitzer, inzwischen 75 und im Ruhestand, viele Jahre bei einem weltbekannten Hersteller von Drehmaschinen gearbeitet. Solchermaßen gerüstet, konnte der Tüftler auch Problemfälle wie die korrekte Anbringung der Fußrasten bewältigen. Weil die serienmäßigen Steigungen von Schraube und Gewinde nicht übereinstimmten (Fazit Zuber: „Die Fußrasten der Ducati 350 M3 Desmo wurden nicht in Italien hergestellt, sondern sind ein Kaufteil, das Ducati in England bezog!“), ließ sich die Schraube nicht vollständig eindrehen und ordentlich festziehen.
Also fertigte Zuber eine neue Raste aus hochfester Alu-Legierung (aus der Luftfahrttechnik) an, eine Titanschraube mit auf der Drehbank aufwendig selbst gefrästem Gewinde sowie eine maßgefertigte Halteplatte für Raste und Endschalldämpfer zugleich. Auf den ersten Blick kaum zu erkennen, doch von großer Wirkung erweist sich der Umbau auf das frisch eingespeichte 19- statt des 18-Zoll-Vorderrads, vor allem angesichts der Verwendung der neuen, 230 Millimeter großen Oldani-Duplex-Rennbremse aus Sandguss-Elektron anstelle der 180 Millimeter messenden Grimeca-Doppel-Simplex-Bremse (Kokillenguss-Aluminium).
Notwendige Zwischenstücke, Distanzhülsen und die Bremsankerstrebe wurden, wie Dutzende anderer neu benötigter oder schlicht ersetzter Kleinteile, neu gefertigt, und zwar aus leichterem Alu oder gar Titan. Radachsen? Jetzt aus Titan, statt aus Stahl. Schaltgestänge aus Stahl wie bei der original Ducati 350 M3 Desmo? Ersetzt durch ein Alu-Bauteil.
Auch bei der serienmäßigen 35-Millimeter-Marzocchi-Gabel ersetzte der Elsässer nahezu sämtliche Stahl-Bauteile durch leichtere aus Alu oder Titan. Gänzlich neu präsentiert sich die Instrumentenhalterplatte im Cockpit nebst Ölthermometer von VDO. Dem zugehörigen VDO-Temperaturgeber am Motor spendierte der findige Ingenieur einen ebenfalls aus Alu angefertigten neuen Öleinfüllstutzen. Mit nun etwa 130 Kilo bringt die 350er immerhin eine Handvoll weniger Kilo auf die Waage als die ohnehin schon leichte Serien-Duc. Nicht umsonst schwärmt Zuber („spritzig, ultrawendig, hängt super am Gas“) von seinem Bike.
Die einst angegebenen 35 PS dürften angesichts der von Zuber selbst gefahrenen 173 km/h bei angezeigten 8100/min (unter Beachtung der Drei-Prozent-Voreilung des Veglia-Competizione-Drehzahlmessers errechnetes Tempo) vollzählig am Start sein. Mindestens. Ohne Tuning, denn eine der wenigen Änderungen am Motor der Ducati 350 M3 Desmo selbst stellt neben der angepassten Vergaserbestückung lediglich der lange Ansaugtrichter dar.
Dazu kommt der Lafranconi-Schalldämpfer, dessen „Toooon“ bei der damaligen Vollgasfahrt der 75-Jährige nach eigenen Angaben nie vergessen wird. Nach 250 Stunden Handarbeit mit Feile, Säge, Körner, Zirkel und Co. samt Zuhilfenahme hochpräziser Werkzeugmaschinen war die silberne Ducati 350 M3 Desmo schließlich im Oktober 1976 also nicht nur schön, sondern auch perfekt. Und vor allem fertig. Rund 700 Kilometer hat der Elsässer die Ducati nach der Optimierung noch bewegt, bis sie mit dem aktuellen Kilometerstand von 3447, nun im Zustand besser als neu, endgültig ihren Ruhestand genießen darf. Oder muss.