Der Samstag ist ausgebucht – Kehrwoche, Einkaufen, Baumarkt, Motorrad putzen, Werkstatt auf Vordermann bringen. An diesem einen Samstag allerdings verschob eine Meute leidenschaftlicher V-Männer die Pflichtübungen und brummten zum Motorrad-Treffpunkt am Glemseck bei Stuttgart. Wie bestellt löste die Sonne den Nebel rund um die ehemalige Solitude-Rennstrecke auf und begrüßte die auf Achse angereisten Honda-Fans.
VFR 750 F mit 530.000 Kilometern
Rasch fand der Classic-Umbau Xpresso V4 ein gut gelauntes Publikum, das außerdem noch ein paar sensationelle Sahnestückchen bestaunen durfte. Aus dem Odenwald war Jürgen Daun mit Sohn Frank angereist. Frank, bei Insidern für seine wunderschönen RC 30- und NSR 400-Umbauten bekannt, hatte für seinen Vater das Traummotorrad schlechthin auf die Räder gestellt – eine zur RC 166-Replika umgebaute Sechszylinder-Honda CBX 1000! Allein dieses handwerkliche Meisterstück war das frühe Aufstehen wert. Bruno Just aus Simmerrath, Vielfahrer auf einer VFR 750 F mit 530.000 Kilometern auf der Uhr, nutzte die Rückreise vom Bol d‘Or in Südfrankreich für einen Zwischenstopp am Glemseck, herzlich begrüßt von den Freunden der VFR-Szene.
Video vom Racer-Umbau Xpresso V4
30 mm kürzere Schwinge für Xpresso V4
Nach einem dampfenden Kaffee machte sich die Gruppe auf zur Motorradausfahrt in den Nordschwarzwald. Anfänglich noch vom hektischen Verkehrsgewühl gebremst, sausten die Hondas wenige Kilometer später über wundervoll geschwungene Straßen ins Nagoldtal. Natürlich nicht, ohne die Kurvensause von Schellbronn nach Unterreichenbach unter die Räder zu nehmen. Die beste Gelegenheit für Andreas Jäger (Honda VF 1000 R) und Ralf Rechberger (Honda VFR 750), um die Xpresso V4 einer Testfahrt zu unterziehen. „Schöner Motor, fährt sich klasse, nur die Bremse ist echt giftig“, kommentierte Andreas Jäger die kleine Kostprobe und ergänzte: „Optisch ist die Xpresso ein bissel zu lang gestreckt. Die 30 Millimeter kürzere VF 750-Schwinge würde ihr sicher gut stehen.“ Recht hat er, der Tipp mit der kurzen Schwinge passt gut ins Konzept. Und damit in die nächste Ausbaustufe der Xpresso V4.
Dass die Honda-V4-Szene immer noch sehr lebendig ist, hat seine Gründe. Obwohl die Anfänge in den 1980er-Jahren von Motorschäden und Überhitzungserscheinungen geprägt waren, hatte sich Honda mit dem 90-Grad-V4-Konzept ein Alleinstellungsmerkmal jenseits des japanischen Vierzylinder-Einerleis geschaffen. Allein der Klang der vier asymmetrisch zündenden Zylinder ist ein echtes Hörspiel, die aufwendige Konstruktion lässt jedes Technikerherz höher schlagen.
Honda-V4 mit Anti-Hopping-Kupplung
Mit der Schlepphebel-Ventilsteuerung und einer Anti-Hopping-Kupplung war der Honda-V4 der Konkurrenz eine Nasenlänge voraus. Auch großartige Tuner liebten ihn. Allen voran Roland Eckert, der sich bis zum heutigen Tag mit den V4-Motoren beschäftigt. Denn nach den mühseligen Anfängen und unzähligen Nachbesserungen und Rückrufaktionen haben Hondas V4-Motoren in den VFR-Baureihen das Image gehörig aufpoliert. Bereits zwei Jahre nach der Präsentation der VFR 750 F donnerte Fred Merkel 1988 mit der RC 30 zum ersten Superbike-WM-Titel in der Geschichte und machte die VFR 750 R damit zur Legende. Auch davon lebt die Szene um den einzigartigen Honda- V4-Motor – bis heute!
Rückblick

Im Herbst 2015 machte ich mich daran, aus einer beleibten Honda VF 1000 F2 ein – sagen wir mal – Café Racer-ähnliches Motorrad zu stricken. Für 680 Euro in fahrbereitem, aber jämmerlichem Zustand ergattert, wurde speziell das Fahrwerk auf „modern“ getrimmt. 17-Zoll-Schmiederäder (zirka 1.600 Euro), ein speziell angefertigtes Wilbers-Federbein (zirka 800 Euro), gebrauchte Brembo-Bremszangen und Beringer-Scheiben (zirka 600 Euro) sowie aktuelle Radialreifen (zirka 280 Euro) machten dem VF 1000-Fahrwerk gehörig Beine. Um der Xpresso V4 ihren Status als Youngtimer zu erhalten, wurde die Optik durch Aluminium-Schutzbleche, einen 160-Millimeter-Rundscheinwerfer und mittels des kleineren Tanks der VF 750 F im Look der 1980er-Jahre modifiziert.