Kräftige Einzylinder in sportlichen Straßenfahrwerken sind Mangelware, Fans vermissen sie gewaltig. Einer davon ist Kollege Werner „Mini“ Koch. Kurzerhand hat er sich deshalb seinen Flitzer selbst gebaut: die KTM RC4.
Kräftige Einzylinder in sportlichen Straßenfahrwerken sind Mangelware, Fans vermissen sie gewaltig. Einer davon ist Kollege Werner „Mini“ Koch. Kurzerhand hat er sich deshalb seinen Flitzer selbst gebaut: die KTM RC4.
Er hat es schon wieder getan. In den letzten drei Jahrzehnten entwickelte Kollege Koch bereits zahlreiche Bikes. Bei den meisten aus seiner Feder entstandenen und in Eigenregie realisierten Projekten war „Mini“ seiner Zeit weit voraus, und nicht selten ließen sich die Hersteller von seinen Maschinen für die Großserie inspirieren – wie während der RC8-Entwicklung. Nun also ein Einzylinder. „Ich wollte einen möglichst leichten und trotzdem powervollen Sportler bauen“, erklärt der umtriebige Tüftler den Startschuss für die KTM RC4.
„In den Neunzigern gab es Bikes wie die Honda NSR 400, die Kawasaki ZXR 400 oder auch Yamahas FZR 400. Leider sind diese handlichen Wetzeisen ausgestorben. Auch die schnellen Supermonos gibt es schon lange nicht mehr.“ Minis Wahl für einen einzylindrigen Antrieb dürfte auch damit zusammenhängen, dass er früher in der SoS-Rennserie (Sound of Singles) wild am Kabel gezogen hat – die Erinnerung an stürmische Zeiten lässt grüßen.
Sturm und Drang bietet auch die KTM RC4. Zwar nicht überhandlich, dennoch mit sehr geringem Kraftaufwand winkelt der vollgetankt nur 143 Kilo schwere Flitzer ab. Ein tolles, fast vergessenes Gefühl, dass auch der Autor nur von den stummelbelenkten Kleinsportlern aus den 90er-Jahren kennt. Besser noch als das spielerische Handling der RC4 ist ihre hohe Präzision, mit der sie die angepeilte Linie hält: Kurs vorgeben, lasergenau einlenken, fertig. „Das war nicht immer so“, grinst Kollege Koch.
„Wegen der anfänglich extrem handlichen Geometrie legte ich beim ersten Proberitt nichtsahnend um und fuhr weit vorm Scheitelpunkt nach innen fast in die Rabatten!“ Eilig griff der Schrauber daraufhin zu Flex und Schweißgerät, entschärfte den Lenkkopfwinkel von heftigen 77 Grad auf deren gemäßigte 66, erhöhte den Nachlauf mittels wechselbarer Gabelbrücken-Inlays von 90 auf 96 Millimeter, verlängerte den Radstand auf 1425 mm und senkte den Schwerpunkt des Bikes um 20 mm.
Die Kur ist dem grauen Feger bestens bekommen. Wunderbar stabil jagt er nun um die Radien, von Nervosität oder Kippeligkeit nicht den Hauch einer Spur. Das erinnert an die einmalige Ducati 916 oder auch an eine in dieser Hinsicht ebenfalls faszinierende MV Agusta F4 und wirft folgende Frage auf: Welche Fahrwerkskomponenten dienen der KTM RC4 als Basis?
„Der Stahl-Gitterrohrrahmen stammt aus einer der ersten KTM RC8“, erklärt Mini. „Allerdings arbeitet das Federbein nicht über eine Umlenkung, sondern ist direkt an einem Ausleger der Schwinge angeschraubt. Die hat übrigens auch die Ur-RC8 spendiert.“ Das gleichsam aus Rundrohren bestehende Rahmenheck hat Kollege Koch dagegen selbst entworfen. „Das Hauptrohr verläuft mittig und ist nach unten versetzt. Das schafft Platz für den Auspuff und das Federbein. Beide sind jeweils seitlich angebracht.“
Begeistern Handling und Zielgenauigkeit des kleinen Renners, holpert er über Kanten und Absätze dagegen etwas unsensibel hinweg. Laut Mini ist das Fahrwerk der KTM RC4 genauso steif wie jenes der Werks-Honda NSR 250 aus der ehemaligen Zweitakt-WM. Doch gerade deshalb leitet der Rahmen Unebenheiten unmittelbar an Gabel und Federbein weiter. Die tendenziell straff gedämpften Teile wirken damit etwas überfordert. Auch die Bridgestone-Gummis RS 10 in 120/70er-Dimension vorn und 180/55 hinten sind für den leichten Renner zu steif und bieten kaum Eigendämpfung.
Außerdem taucht der Vorderbau beim harten Ankern weit ab und gleichzeitig slidet das Heck wegen der frontlastigen Gewichtsverteilung seitlich leicht weg. „Das Setup habe ich bisher nur im Stand ausgetüftelt. An die Feinabstimmung muss ich noch mal ran.“
Laut Mini wurde die Gabel zu Zweitakt-Zeiten für eine Honda NSR 500 entwickelt und arbeitet nun mit nur noch einer Feder. „Die ist zirka zehn Prozent zu weich, auch das muss ich noch ändern.“ Trotz dieser kleinen Unzulänglichkeiten begeistert die KTM RC4. Auch deshalb, weil ein quicklebendiger Eintopf den Flitzer antreibt.
„Der Motor ist einer der ersten 690er von KTM. Die Jungs in Mattighofen haben ihn auf den Auspuff und den offenen Luftfilter abgestimmt. Eigentlich ist der Krümmer zu kurz, aber wegen seiner konischen Form geht der Motor trotzdem ganz gut.“ Das kann man wohl sagen. Satte 72 PS schickt der Single ans Getriebe!
Die beiden Hänger bei mittleren und oberen Drehzahlen sind spürbar, halten die Fuhre in ihrem Vorwärtsdrang aber nicht auf. Auch die Gasannahme ist vom Feinsten. Zu solch einem puristischen Umbau passen auch die für Eintöpfe typischen, charakterstarken Vibrationen – Leben unplugged!
Auf die Frage, was er denn nun mit der KTM RC4 anstellt, zuckt Mini nur mit den Schultern: „Wie immer untern Baum vor die Werkstatt stellen. Brauche den Platz dringend für mein neues Projekt. Vielleicht kommt sie ja mal bei der neuen SoS zum Einsatz.“ Das muss sie unbedingt! Denn für den Baum vor der Werkstatt ist die KTM RC4 viel, viel zu schade. Doch halt, hat Mini nicht gerade ein neues Projekt erwähnt? Er wird es also wieder tun. Herrlich!
Antrieb:
Fahrwerk:
Räder und Bremsen:
Gewicht:
Grundpreis:
Der Motor stammt aus der ersten 690er-Baureihe von 2008. Damals hatte er eine Nennleistung von 65 PS. Bis auf den Auspuff, einen offenen Luftfilter und das Mapping entspricht der Antrieb der Serie. Umso erstaunlicher, dass er aus dem Stand 72 PS liefert. Die beiden Hänger um 5000/min und 7500/min sind spürbar, stören aber nicht. Wegen des sehr kurzen Krümmers geriet die Abstimmung des 690er-Singles etwas tricky.